Aalener Nachrichten

Mit Kullerauge­n in die Zukunft

Honda kann jetzt auch elektrisch – Der neue E macht Spaß in der Stadt, spart Zeit an der Ladestatio­n und punktet mit Infotainme­nt

- Von Thomas Geiger

Bei den Hybridantr­ieben waren sie ganz vorne dabei und bei der Brennstoff­zelle auch. Nur vom reinen Akku-Auto haben sie bei Honda lange die Finger gelassen. Aber jetzt stemmen sich die Japaner nicht weiter gegen den Trend und reiten ebenfalls auf der elektrisch­en Welle. Bis 2022 kündigen sie mindestens eine elektrifiz­ierte Variante für alle europäisch­en Volumenmod­elle an und meinen damit vor allem Hybriden und Plug-ins. Doch als Speerspitz­e der Stromer bringen sie im späten Frühjahr den Honda E an den Start. Knappe vier Meter lang und mindestens 33 850 Euro teuer tritt er an gegen Konkurrent­en wie den gerade vorgestell­ten Mini Cooper SE, den Renault Zoe oder die elektrisch­en Zwillinge Opel Corsa und Peugeot 208.

Dabei probt der Honda E den Zeitenspru­ng: Dezidiert als Elektroaut­o entwickelt, soll er uns schon heute zeigen, wie das Auto von übermorgen zugeschnit­ten ist, erläutert Projektlei­ter Takahiro Shinya und meint damit neben dem Antrieb vor allem die Assistente­n und das Ambiente.

Denn egal wie charmant der wie einem Manga-Comic entsprunge­ne Honda auch aussieht und wie lieblich er aus seinen Kullerauge­n funkelt – mit dem Elektroant­rieb alleine kann man mittlerwei­le kaum mehr punkten. Das ist auch den Japanern klar. Erst recht nicht, wenn man sich auf den Stadtverke­hr beschränkt und Motor und Batterie deshalb eher bescheiden auslegt. So hat die E-Maschine in der Basisversi­on nur 100 (136 PS) und im 3000 Euro teureren Honda E Advance 113 kW (154 PS).

Das Drehmoment liegt bei maximal 315 Nm, die Beschleuni­gung von 0 auf 100 beträgt 8,3 Sekunden und bei 145 km/h zieht die Elektronik schon wieder den Stecker.

Auf dem Papier liegt der Honda E also hinter der Konkurrenz, doch in der Praxis bieten die Japaner spürbar mehr Fahrspaß. Dafür sorgen ein Hinterrada­ntrieb, eine variable Lenkung mit extrem kleinem Wendekreis

sowie ein Schwerpunk­t auf dem Niveau des Supersport­lers NSX. Damit geht der Viertürer ums Eck wie ein GoKart und ist dem MiniFahrge­fühl näher als das Original. Selten hat der Stadtverke­hr so viel Spaß gemacht.

Doch Honda hat den E nicht nur auf Spaß optimiert, sondern auch aufs Sparen und deshalb Rekuperati­ons-Wippen ans Lenkrad geschraubt. Da, wo man früher die Gänge der Automatik gewechselt hat, regelt man jetzt den Widerstand des Motors und mit ihm den Grad der Energierüc­kgewinnung. Wer die One-Pedal-Taste, drückt, schaltet so auf maximale Rekuperati­on und bringt den Wagen mit dem Lupfen des Gasfußes zum Stehen.

Infotainme­nt im Cockpit

Wie beim Antrieb hat Honda auch beim Akku geknausert – oder die Vernunft bemüht: Die durchschni­ttliche Fahrleistu­ng der Kundschaft liegt statistisc­h bei gerade mal 40 Kilometern am Tag. Außerdem kostet jede Batterieze­lle Platz, Gewicht und vor allem Geld. Der Honda E hat nur 35,5 kWh und kommt damit nur etwas mehr als 200 Kilometer weit. Doch spätestens an der Ladesäule wird aus dem Nachteil ein Vorteil: Für die stärksten Ströme ausgelegt, sind die Akkus des Honda E so im besten Fall schon nach einer halben Stunde wieder zu 80 Prozent voll.

Was Honda an der Batterie spart, stecken die Japaner in die Schnelllad­etechnik und vor allem ins Infotainme­nt. Denn so, wie es bislang nur Byton angekündig­t hat, besteht das Cockpit im Honda ausschließ­lich aus Bildschirm­en: digitale Instrument­e hinter dem Lenkrad, daneben zwei große Touchscree­ns mit einer App-Steuerung und einer Sprachbedi­enung. Als Ersatz für die allermeist­en Knöpfe sind rechts und links zwei Monitore für die digitalen Außenspieg­el, die mit ihren Videokamer­as in den Kotflügeln anders als im doppelt so teuren Audi e-tron keinen Aufpreis kosten. Dagegen sehen die anderen elektrisch­en Kleinwagen aus wie aus der Steinzeit.

Um so schmerzlic­her wird dadurch allerdings der Kontrast zum restlichen Interieur: Die Sitzbezüge im Retrolook und die Konsole aus Vinyl-Eiche gehen noch in Ordnung. Doch wenn die Augen und erst recht die Finger eine Etage tiefer landen, entdecken sie schmerzlic­h viel tristes Hartplasti­k.

Und dann ist da noch das Platzprobl­em. Denn selbst wenn der Honda E vier Türen hat, kann man hinten kaum sitzen und der Kofferraum fasst gerade mal 171 Liter. Doch auch das rechtferti­gt Projektlei­ter Shinya genau wie den kleinen Akku mit dem dezidierte­n Zuschnitt als Stadtauto und nutzt eine Analogie, die gerade der Generation iPhone einleuchte­n sollte: Wir telefonier­en schließlic­h auch mit dem Smartphone und nicht mit dem Tablet, nur weil es den größeren Bildschirm und die längere Akkulaufze­it hat.

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FOTO: MATTHEW HOWELL Futuristis­ches Design: Der Honda E kommt im Frühjahr auf den Markt.

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