Kurzstreckenflüge sollen teurer werden
Verbieten kann das Land Verbindungen nicht – Protest aus Friedrichshafen
(tja) - Die Grünen im baden-württembergischen Landtag fordern, die Gebühren für Kurzstrecken-Flüge zu erhöhen, um andere Verkehrsmittel attraktiver zu machen. „Insbesondere die Zubringerflüge zu sehr nahen Zielen wie München oder Zürich sollten entfallen”, sagte der Verkehrspolitiker Thomas Marwein. Gefordert seien auch die Fluggäste, die sich „gegen den klimaschädlichen Kurzstreckenflug und für die Fahrt mit der klimafreundlichen Bahn entscheiden können“. Die drei Südwest-Airports fertigen rund 80 Prozent kurzer Flüge ab. Ihr Anteil in München beträgt nur ein Drittel. Der Flughafen Friedrichshafen lehnt das ab. Aus der Region gebe es oft keine effiziente Alternative zum Flugzeug.
- Wer mit dem Flugzeug reist, verursacht mehr Treibhausgase als jeder andere Reisende. Innerdeutsche Flüge verursachen laut Umweltbundesamt pro Person 230 Gramm klimaschädliche Emissionen, Pkw 147, die Bahn 32, Fernbusse 29. Insgesamt machen sie 0,2 Prozent der Emissionen im Verkehr aus, den Löwenanteil verursachen Pkw. Abgase von Flugzeugen sind aber besonders schädlich , weil sie in großer Höhe entstehen und stärker auf die Atmosphäre wirken. Die Grünen fordern, Gebühren für kurze Flüge anzuheben. Was das für Passagiere und Flughäfen in der Region bedeuten würde.
Wie viele Kurzstreckenflüge fertigen die Südwest-Flughäfen ab?
Baden-Württembergs Verkehrsministerium hat erhoben, wie viele Flüge von bis zu 1500 Kilometern abgefertigt werden. Demnach starten und landen in Stuttgart 79 Prozent Kurzstreckenflüge, in Friedrichshafen 89 Prozent und Karlsruhe/Baden-Baden 70 Prozent. Die hohen Anteile am Flugaufkommen liegen nahe: Langstreckenverbindungen fertigen die großen Drehkreuze München, Zürich und Frankfurt ab. In München liegt der Anteil der Kurzstrecken daher auch nur bei einem Drittel. Andere Flughäfen bieten Zubringerflüge dorthin an. Diese gehören zu den fünf kürzesten Distanzen, die aus der Region angesteuert werden. Das sind von Stuttgart aus Zürich, Frankfurt, München, das Ziel Mailand-Bergamo und Düsseldorf. Von Friedrichshafen aus sind es Frankfurt (Zubringer), Düsseldorf, Hamburg, Toulouse und Tuzla (Bosnien-Herzegowina).
Was fordern die Grünen?
„Die Klimakrise wird zur Klimakatastrophe, wenn wir nicht schnell handeln. Wir müssen deshalb alle Hebel für mehr Klimaschutz im Land nützen. Dazu gehört auch das Eindämmen von Flugverkehr“, sagt Thomas Marwein, Landtagsabgeordneter der Grünen. Gerade Kurzstrecken müssten reduziert werden. „Insbesondere die Zubringerflüge zu sehr nahen Zielen wie München oder Zürich sollten entfallen”, sagt Marwein. Verbieten kann das Verkehrsministerium von Winfried Hermann (Grüne) diese aber nicht. Die entsprechenden Gesetze können nur der Bund oder die Europäische Union ändern, schreibt das Ministerium. „Die Landesregierung sieht keine Möglichkeit, Kurzstreckenflüge zu verbieten, sondern setzt vor allem darauf, diese durch attraktive Angebote im Schienenpersonenfernverkehr zu reduzieren und möglichst überflüssig zu machen. Hier sind der Bund und die Deutsche Bahn in der Pflicht.“Außerdem setzt die Landesregierung demnach auf alternative Antriebe und Kraftstoffe, um klimaschädliche Gase zu reduzieren. Derzeit fördert das Land Modellversuche in diesen Bereichen am Stuttgarter Flughafen. Der Verkehrsexperte Marwein schlägt daher ein anderes Modell vor: die kurzen Flüge sollen teurer werden – indem die Flughäfen ihre Start- und Landegebühren erhöhen: „Je kürzer der Flug, desto teurer“, so Marwein.
Wie würde das genau aussehen?
Geregelt werden könnte das über die Entgeltordnung der Airports. Diese stellen die Flughafenbetreiber auf, das Verkehrsministerium genehmigt sie. Die Ordnungen regeln, wie viel Geld die Airlines für Start und Landungen zahlen. Die Preise richten sich unter anderem nach dem Lärm der Maschinen bei Start und Landung und nach ihrer Größe. Schon heute spielt der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen eine Rolle. Es gibt auch Rabatte für neue Fluglinien oder -Verbindungen, um Kunden anlocken. Ob es rechtlich zulässig wäre, bei den Gebühren nach Fluglänge zu unterscheiden, müsste das Ministerium prüfen. Das geht erst, wenn ein Airport ein solches Modell vorlegt. „Warum sollten die baden-württembergischen Flughäfen hier nicht Vorreiter sein?“, so Marwein.
Was bedeutet das für Fluggäste?
Bei ihnen sieht Grünen-Politiker Marwein große Verantwortung: „Gefordert sind auch die Fluggäste selbst, die sich bewusst gegen den klimaschädlichen Kurzstreckenflug und für die Fahrt mit der klimafreundlichen Bahn entscheiden können.“Welche Folgen Gebührenerhöhung der Airports auf die Ticketpreise hätte, ist offen. Denn noch gibt es solche Modelle nicht. Fest steht: Das Klimapaket des Bundes vom Jahresende verteuert Flugtickets bereits. Es schlägt pro Ticket mit sechs bis 17 Euro zu Buche. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) kritisiert da. Die Maßnahme reduziere keine Emissionen, sondern verschiebe sie zu ausländischen Airlines. Deutsche Fluggesellschaften verlören an Marktanteilen.
Was halten Fluggesellschaften und Airport-Betreiber davon?
Der BDL wehrt sich gegen das schlechte Image der kurzen Flüge. Innerdeutsche Verbindungen machten nur vier Prozent des Reiseverkehrs aus. Auf 80 Prozent der Strecken sei die Bahn günstiger als ein Flug. Ein Sprecher des Flughafens Friedrichshafen sagte: „Grundsätzlich halten wir den Vorstoß für keinen zielführenden Ansatz.“In der Region gebe es oft keine effizientere Alternative. So dauere eine Reise nach Düsseldorf fünf Stunden mit der Bahn. Zubringerflüge seien außerdem extrem wichtig: „Bei der heutigen starken internationalen Verflechtung der Wirtschaft ist dies ein äußerst wichtiger Standortfaktor, was die hohen Passagierzahlen auf der Frankfurt-Verbindung ab Friedrichshafen unterstreichen.“Der Stuttgarter Airport ist zurückhaltender. Dort ist Verkehrsminister Hermann Aufsichtsrats-Chef. Die Betreibergesellschaft teilte mit, man könne Auswirkungen des GrünenVorschlags nicht einschätzen.