Grün verpackt
Hersteller verkaufen Plug-in-Hybride als ökologische Zukunftslösung – Kritiker sprechen von faulem Kompromiss
FRIEDRICHSHAFEN - Ein Verbrennungsmotor für die Langstrecken, ein elektrischer Antrieb für Kurzstrecken: In einer Zeit, in der – gerade im ländlichen Raum – noch kein flächendeckendes Ladesystem für EAutos vorhanden ist, setzen einige Hersteller auf sogenannte Plug-inHybride, so auch der Automobilzulieferer ZF aus Friedrichshafen. Mehr als 100 Kilometer weit sollen Fahrzeuge mit dieser Technik rein elektrisch fahren, bevor der Verbrennungsmotor anspringt. Fragen und Antworten zum Plug-in-Hybrid:
Wie funktionieren Plug-in-Hybride?
Plug-in-Hybride sind eine Erweiterung der herkömmlichen Hybridtechnologie, bei der Autos elektrisch fahren und von einem Verbrennungsmotor unterstützt werden, sobald die Batterieleistung erschöpft ist. Die Elektrobatterie bei Plug-in-Hybriden lädt sich zwar auch während des Fahrens mit dem Verbrenner auf, kann aber noch zusätzlich extern an E-Ladesäulen oder an gewöhnliche Steckdosen angeschlossen werden.
Was erhofft sich ZF von Plug-inHybriden?
ZF ist einen 18-Milliarden-Euro-Deal mit BMW für die Lieferung eines weiterentwickelten Automatikgetriebes eingegangen. Dieses umfasst auch Plug-in-Hybrid-Lösungen. Der Auftrag „ist eine Bestätigung unserer Strategie, bei der Elektrifizierung von Autos neben dem reinen Elektroantrieb auf Plug-in-Hybridantriebe als alltagstaugliche Lösung zu setzen“, sagte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider im Juli 2019 bei der Vorstellung des Deals. Bis 2030 sagt ZF dem Hybridantrieb eine Zukunft voraus – eine lange Zeit in der Autobranche. Seit 2015 läuft der Plug-in-Hybrid von ZF in Serie bei BMW. Auch Audi, Land Rover und Porsche beliefert ZF mit dem Plug-in-Hybrid. In diesem Jahr sollen laut ZF mehr als zehn weitere Modelle mit der Firmentechnik auf den Markt kommen.
Wie viele Autos fahren mit Plugin-Hybrid?
Weit mehr als 60 Plug-in-HybridModelle sind bereits auf dem deutschen Markt verfügbar – knapp die Hälfte davon sind SUVs.
Wie teuer sind Plug-in-HybridAutos?
Die Startpreisspanne reicht von 32 000 Euro für einen Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid in der Kompaktklasse bis zu mehr als 190 000 Euro für den Sportwagen Porsche Panamera Turbo S E-Hybrid.
Wie groß ist die elektrische Reichweite?
Die Angaben der Hersteller unterscheiden sich deutlich voneinander: Die rein elektrische Reichweite der Plug-in-Hybride reicht demnach von 32 Kilometer (SUV-Modell Porsche Cayenne Turbo SE-Hybrid) bis 106 Kilometer (SUV-Modell Mercedes GLE 350 de 4matic).
Wie weit die Autos jedoch tatsächlich ohne Hilfe des Verbrennungsmotors fahren, hängt laut Experten stark von der Fahrweise ab. „Bei hoher Geschwindigkeit und starker Beschleunigung schaltet sich meist der Verbrennungsmotor an“, sagt Jens Hilgenberg, Leiter für Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Wie ist die Ökobilanz?
Auch die Ökobilanz hängt maßgeblich von der Fahrweise und Nutzung des Plug-in-Hybrids ab. Die Technik macht nur Sinn, wenn sie überwiegend für Kurzstrecken benutzt wird und die Batterie möglichst häufig extern geladen wird.
Laut ZF fahren zwar mehr als 88 Prozent der Berufspendler täglich Strecken von weniger als 100 Kilometern. Allerdings sind mehr als die Hälfte aller Plug-in-Hybride als Dienstwagen im Einsatz, wie aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht.
„Die Angestellten, die den Hybrid fahren, tanken oft Diesel oder Benzin. Die Kosten für den teureren Kraftstoff laufen über ihr Unternehmen“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Wer also täglich mehrere Hundert Kilometer auf der Autobahn zurücklegt, hinterlässt auch mit einem Plug-in-Hybrid keine bessere Ökobilanz.
Kritiker bemängeln daher, dass auch als Dienstwagen genutzte Plugin-Hybride in Deutschland mit einer staatlichen Umweltprämie gefördert werden. Die Niederlande und Großbritannien haben die Förderung aus
Steuergeldern für Plug-in-HybridDienstwagen bereits seit einigen Jahren abgeschafft. Laut ARD-Recherche waren die Autos dort meist mit dem Verbrennungsmotor unterwegs, weshalb die CO2-Einsparungen unter Berufung auf das niederländische Verkehrsministerium marginal waren.
Und selbst wenn die Leistung des Elektroantriebs eines Plug-in-Hybrids ideal genutzt wird, hängt die Ökobilanz wiederum stark vom Strom ab, mit dem die Batterie aufgeladen wird.
Eine ADAC-Studie zeigt, dass die Treibhausgas-Bilanz von Plug-in-Hybriden in der Kompaktklasse an der Strommix-Ladesäule kaum besser ist als bei herkömmlichen Benzinern. Knapp 4100 Ladepunkte gibt es derzeit in Baden-Württemberg laut Energiekonzern EnBW. Mehr als 40 Prozent davon werden direkt von EnBW betrieben – laut Energiekonzern zu 100 Prozent mit Ökostrom aus erneuerbaren Energien. Der Strommix anderer Betreiber besteht jedoch auch aus Kohle- und Atomkraft.
Wie hoch ist die Umweltprämie?
Für den Kauf von Plug-in-HybridAutos gilt nach wie vor ein Umweltbonus von 3000 Euro. Die Hälfte davon zahlt der Bund, die andere Hälfte der Autohersteller. Die im November 2019 beschlossene Erhöhung der Prämie auf bis zu 4500 Euro ist noch nicht in Kraft. Sobald die neue Prämie gilt, zählt sie für Plug-in-Hybride mit einem Kaufpreis von bis zu 47 600 Euro. Allerdings nur, wenn die Autos eine Strecke von mindestens 50 Kilometern alleine mit der Elektrobatterie zurücklegen können.
Warum werden Plug-in-Hybride kritisiert?
Der BUND kritisiert laut dessen Leiter für Verkehrspolitik Jens Hilgenberg, dass die meisten Modelle zu sportlich gefahren werden können. Mit der hohen PS-Zahl und Kickdown-Funktion seien sie oftmals sogar gezielt für das sportliche Fahren ausgelegt. „Die Hersteller haben die Chance verpasst, die Plug-in-Hybride deutlich sparsamer als reine Verbrenner zu machen. Statt kleinere und sparsame Motoren zu verbauen, sind die Fahrzeuge vor allem noch leistungsstärker geworden“, sagt Hilgenberg.
Außerdem fordern BUND und Grüne einen Stopp der Umweltförderung von Dienstwagen mit Plugin-Hybriden. Generell müsse die Kaufabsicht der Kunden geprüft und anschließend anhand der Fahrdaten überprüft werden, sagt Hilgenberg. „Wir wollen eine real bessere Ökobilanz und keine Schönrechnerei.“
Laut Produktpräsentation von ZF fahren Plug-in-Hybride mit bis zu 80 Prozent rein elektrischer Leistung. Allerdings hinge die Ökobilanz „entscheidend von der Nutzung durch dessen Fahrer ab“, sagt ein ZF-Sprecher auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Je häufiger das Fahrzeug laut Sprecher geladen wird und rein elektrisch fährt, desto niedriger sind die CO2-Emissionen.
Welche Alternativen gibt es?
Die umweltfreundlichste Lösung auf der Straße ist laut ADAC-Statistik das reine Elektroauto – im Idealfall aufgeladen mit Ökostrom. Neben einem gewöhnlichen Hybridauto, bei dem sich die Batterie automatisch während der Fahrt mit dem Verbrenner auflädt, gibt es noch eine weitere Lösung: den sogenannten Range Extender (Reichweitenverlängerer) für E-Autos.
Der Range Extender ist ein benzinoder dieselbetriebener Generator, der einspringt, sobald der Elektromotor die Fahrleistung aufgibt. Serienmäßig verbaut ist der Range Extender derzeit jedoch in keinem der auf dem deutschen Markt verfügbaren E-Autos.