Sieger Netanjahu ohne Mehrheit
In der Türkei und Griechenland zahlen Gestrandete den Preis für eine gescheiterte Flüchtlingspolitik
(dpa) - Zwei Wochen vor Beginn des Korruptionsprozesses gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hat dessen Likud-Partei die dritte Wahl innerhalb eines Jahres gewonnen. Nach Auszählung von gut 90 Prozent der Stimmen kam der rechtskonservative Likud auf 36 Mandate. Das MitteBündnis Blau-Weiß von Benny Gantz erhielt 32 Sitze. Der rechts-religiöse Block käme auf 59 Sitze, der MitteLinks-Block auf 54. Für eine Mehrheit sind 61 Sitze nötig.
(dpa) – Es geht Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, vor allem um Solidarität. Solidarität mit der griechischen Regierung. „Die Sorgen Griechenlands sind auch unsere Sorgen“, sagt von der Leyen, als sie am griechisch-türkischen Grenzübergang Kastanies steht, neben ihr Ratspräsident Charles Michel, Europaparlamentspräsident David Sassoli und Andrej Plenkovic, der Ministerpräsident des EU-Vorsitzlandes Kroatien.
Griechenland dankt von der Leyen dafür, sich als „Schild Europas“erwiesen zu haben – und verwendet in ihrem englischen Statement das griechische Wort dafür – „aspida“. Tenor der vier EU-Granden und ihres Gastgebers, des griechische Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe sich verkalkuliert.
In den Tagen zuvor hatten sich in Nordost-Griechenland dramatische Situationen abgespielt. Rund 13 000 Menschen lagerten im Gebiet vor dem Grenzübergang Kastanies. Immer wieder schlug die griechische Polizei große Gruppen zurück, die mit Gewalt versuchten, die Absperrungen zu durchbrechen. Die Beamten hielten sie mit Tränengas und Blendgranaten zurück. Menschenrechtler äußerten Zweifel, dass dieses harte Vorgehen angemessen sei.
Auf der türkischen Seite von Kastanies, am Grenzübergang Pazarkule bei Edirne, trafen wohl auch neue Flüchtlinge ein. Eine vierköpfige Familie aus dem syrischen Mossul wartete aber nach eigener Darstellung zwei Tage in zwei Kilometer Entfernung darauf, endlich von den türkischen Sicherheitskräften zur Grenze gebracht zu werden. 100 Kilometer südlich, nahe dem türkischen Grenzübergang Ipsala, stoßen dpa-Reporter vor einem Hochzeitssaal auf eine Gruppe von 50 Flüchtlingen. Aus sozialen Medien wollen sie erfahren haben, dass die Grenzen in den Westen nun offen seien. Jetzt stellen sie aber fest, dass Ipsala geschlossen ist. Manche von ihnen geben an, es auf die griechische Seite geschafft zu haben. Dort seien sie aber von griechischen Sicherheitskräften geschlagen und zurückgeschickt worden. Außerdem seien ihnen Kleidung und Telefone abgenommen worden.
Unter den Gestrandeten sind Pakistaner, Nigerianer, Somalier, Syrer und Iraker. Bei ihnen macht sich Enttäuschung breit. Kinder sitzen am Boden und essen Simit – türkische Sesamringe. Unweit sind Busse aufgereiht – sie sollen die Menschen angeblich zurück nach Istanbul transportieren. Doch die Wartenden sind skeptisch: „Man lügt uns an. In Wahrheit bringt man uns nur ins Zentrum von Edirne.“Ein Syrer merkt bitter an: „Wieso hat man uns hierhergebracht, wenn die Grenzen doch geschlossen sind?“
Im griechischen Grenzort Kastanies herrscht zur selben Zeit eine unnatürliche Ruhe. Normalerweise kommen viele Türken aus dem nahen Edirne hierher, um einzukaufen, in den Restaurants zu essen oder ein paar Bier zu trinken. Jetzt ist der Grenzübergang geschlossen. „Wir sind etwas besorgt, aber nicht sehr“, sagt die Rentnerin Smaragda Katzila (70), die an der Straße zum Grenzübergang wohnt.
Die Zusammenstöße der vergangenen Tage mit Tränengas, Blendgranaten und Steinwürfen hatten sich keine zwei Kilometer von ihrem Heim abgespielt, mitbekommen hat sie sie aus den Nachrichten. Sie wünscht sich mehr Polizei- und Militärpräsenz in dem kleinen Ort und ein sichtbares Auftreten der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Etwa eine Stunde später spazieren zwei Migranten – junge Männer – aus der Richtung des Grenzübergangs kommend an ihrem Haus vorbei. 100 Meter weiter halten griechische Polizisten sie an. Sie geben an, Syrer zu sein. Woher sie auftauchten, ist unklar. Einer macht Schwimmbewegungen, was darauf hindeutet, dass sie durch den Grenzfluss Evros geschwommen sein könnten.
Nach zehn Minuten hält ein Lieferwagen, ohne Kennzeichen, mit Männern in Zivil. Polizisten übergeben ihnen die jungen Männer. Ein Uniformierter meint, sie würden auf die Polizeiwache gebracht. Genaueres weiß keiner. Es ist die dunkle Seite des griechischen „Schildes“.