Traube Tonbach
Schwarzwaldstube verliert nach dem Brand die Sterne
(dpa) - Deutschland beheimatet so viele Zwei-Sterne Restaurants wie nie zuvor. 43 Häuser werden jetzt in dieser Kategorie gelistet, darunter gleich sieben Neuzugänge, wie aus dem Guide Michelin 2020 hervorgeht. Baden-Württemberg ist das Bundesland mit den meisten Sternerestaurants in Deutschland. Auch von den neu vergebenen Auszeichnungen gehen neun von 29 Sternen in den Südwesten – einige davon auch an den Bodensee.
Auch im Süden Deutschlands gibt es einige Veränderungen in Sachen der Gourmetsterne. Gleich mehrere Restaurants stiegen neu in die Liga der Sterneküchen auf. Darunter erstmals das SeeVital Hotel Schiff in Langenargen und die Villa Linde - s’Äpfle in Bodman-Ludwigshafen. Insgesamt listet der neuen Guide Michelin für Baden-Württemberg aktuell ein DreiSterne-Restaurant,sieben Zwei-Sterne-Restaurants und 69 Gastronomen mit einem Stern.
Bittere Nachrichten gab es für die abgebrannte Schwarzwaldstube in Baiersbronn. Dem Traditionshaus, das sich 27 Jahre lang in Folge mit drei Sternen schmücken konnte, wurden diese aberkannt. Auch die benachbarten Köhlerstuben verlieren ihren erst im vergangenen Jahr erkochten einen Stern. Beide Häuser waren im Hotel Traube Tonbach untergebracht, in dem im Januar ein Feuer ausgebrochen war. Sie sollen nun mit einem ehrgeizigen Zeitplan bis 2021 wieder aufgebaut werden.
„Wir sind einfach zu dem Entschluss gekommen, dass wir Restaurants, die nicht mehr existieren, nicht mehr empfehlen können. Da würden wir uns unglaubwürdig machen“, sagt der Direktor des Guide Michelin für Deutschland und die Schweiz, Ralf Flinkenflügel. „Die Sterne sind ja nicht aus Qualitätsgründen gestrichen worden, sondern weil ein großes Unglück geschehen ist.“
Insgesamt verloren 30 Häuser aus ganz Deutschland ihre Sterne, neun davon in Baden-Württemberg. Entweder weil sie geschlossen haben, die Qualität abgenommen hat oder weil sie ein neues Konzept verfolgen. Das trifft unter anderem Promi-Koch Alfons Schuhbeck. Mit der Schließung seines Münchner GourmetRestaurants Alfons hat er seinen Stern verloren, wie der Guide Michelin mitteilte. Weil das Restaurant erst Anfang des Jahres geschlossen wurde, taucht der Stern in der gedruckten Ausgabe des Restaurantführers allerdings noch auf.
Trotz des Verlusts der Traube Tonbach bleibt die Zahl der DreiSterne-Restaurants bundesweit konstant bei zehn, da das Berliner Rutz neu hinzugekommen ist. Küchenchef Müller habe in nur kurzer Zeit „eine sagenhafte Entwicklung vollzogen“, erklärt der internationale Direktor des Guide Michelin, Gwendal Poullennec. Die Gerichte seien voller Finesse.
„Auch in ihrem ausgeprägten Bezug zur Natur heben sie sich deutlich ab.“Mit dem Zugewinn für Berlin haben nun erstmals Deutschlands drei größte Städte ein Drei-SterneRestaurant. In Hamburg und München konnten The Table Kevin Fehling und das Atelier die Top-Auszeichnung halten.
Gleich 43 Restaurants würdigten die Tester mit zwei Sternen, so viele wie noch nie. Darunter sind sieben Neuzugänge. So konnte das in BerlinNeukölln ansässige Coda Dessert Dining innerhalb nur eines Jahres einen zweiten Stern hinzugewinnen. In lässigem Ambiente serviert René Frank eine laut Michelin „unverwechselbare und kreative Küche auf Basis moderner Patisserie-Techniken“– und verzichtet dabei konsequent auf industrielle Produkte. Kann Berlin inzwischen mit anderen europäischen Metropolen mithalten? „Sicher noch nicht mit London oder Paris. Aber die Entwicklung, die Berlin genommen hat in den letzten zehn, 15 Jahren ist schon bemerkenswert“, sagt Flinkenflügel.
Ebenfalls neu aufgestiegen in die Zwei-Sterne-Kategorie sind in Bayern das Les Deux in München und Obendorfers Eisvogel in Neunburg vorm Wald. Außerdem das Olivo in Stuttgart, das Gustav in Frankfurt, das bianc in Hamburg sowie das „Jante“in Hannover. „Wir verfolgen, dass die guten Küchenchefs sich dort niederlassen, wo die Nachfrage ist und das konzentriert sich immer mehr auf die Großstädte“, sagt Flinkenflügel. Und dann gebe es natürlich traditionell die Regionen in Baden-Württemberg und Bayern, in denen die Spitzengastronomie über viele Jahre gewachsen sei.
Was sind die Trends, die sich abzeichnen? Zum einen natürlich mehr vegetarische und vegane Angebote sowie regionale und saisonale Zutaten. „Die Spitzenrestaurants werden immer bunter und immer vielfältiger“, erklärt Flinkenflügel. Es gebe keinen Einheitsbrei, sondern eine schöne Vielfalt. Zum ersten Mal kennzeichnet der Michelin Guide 2020 auch Gastronomen mit beonders nachhaltigen Konzepten. Auch in dieser Kategorie konnte BadenWürttemberg punkten. Dazu gehört etwa der Mohren im Deggenhausertal.
Bereits seit Jahren setzt sich zudem das „Casual Fine Dining“durch. Der Besuch eines Sterne-Restaurants sei längst keine formelle und elitäre Angelegenheit mehr, sagt Poullennec. Und in der Tat, gerade in den Städten sieht man bisweilen mehr Tätowierungen als Krawatten. 255 Häuser können sich über einen Stern freuen, wobei ein Haus im Kleinwalsertal in Österreich liegt – aber eine Straßenverbindung nach Deutschland hat. Ein Restaurant, das die Tester besonders beeindruckt habe, sei das mural in München, das jetzt mit einem Stern ausgezeichnet wurde. „Dort kochen zwei junge Küchenchefs, die keine 25 Jahre alt sind“, sagt Flinkenflügel.