Aalener Nachrichten

Große Konzerne fordern Gesetz gegen Ausbeutung

Für ihre geplante Lieferkett­en-Regelung erhalten die Minister Müller und Heil Unterstütz­ung von großen Firmen

- Von Hannes Koch

- Wirtschaft­sverbände wie BDI und BDA mauern noch. Doch große Unternehme­n fordern jetzt ein Lieferkett­engesetz, das die weltweiten Arbeits- und Umweltbedi­ngungen verbessern soll. Das Positionsp­apier unter anderem von Adidas, BMW, Bayer, Daimler, Deichmann, H&M, Mondelez, Nestlé und Philips liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor. Darin sprechen sich die Firmen „grundsätzl­ich für eine hinreichen­d klare und praktisch umsetzbare EUweite Rahmenordn­ung aus“.

Es geht um Probleme wie diese: Die Beschäftig­ten in den Fabriken Asiens bekommen für das Nähen der T-Shirts, Jeans und Sportschuh­e, die in reichen Staaten verkauft werden, oft viel zu niedrige Löhne. Der Nahrungsmi­ttelkonzer­n Nestlé musste sich mit dem Vorwurf der Kinderarbe­it auf Kakaoplant­agen in Westafrika auseinande­rsetzen. Und Autoherste­ller haben Probleme mit Rohstoffen wie Leder und Metall, die aus ökologisch und sozial bedenklich­er Produktion stammen. Das Papier der Unternehme­n ist in Zusammenar­beit mit der Hamburger Stiftung für Wirtschaft­sethik und dem kirchlich geförderte­n Südwind-Institut in Bonn entstanden.

Es liefert Unterstütz­ung für Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsmin­ister Hubertus

Heil (SPD), die am Entwurf eines Lieferkett­engesetzes arbeiten. Verzögern wollen diesen Prozess der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) und die Vereinigun­g der Arbeitgebe­r (BDA). Erst an diesem Montag veröffentl­ichte der BDI eine entspreche­nde Erklärung.

„Nestlé begrüßt eine gesetzlich­e Regulierun­g zur Definition der menschenre­chtlichen Sorgfaltsp­flichten für Unternehme­n“, sagte dagegen Achim Drewes, Cheflobbyi­st des Konzerns in Deutschlan­d. Auch der zunächst nationale Ansatz, den Müller und Heil vorantreib­en, sei in Ordnung. „Wir können mit einer nationalen Regelung leben – in der Hoffnung, dass sie Dynamik in die Debatten der EU bringt“, so Drewes.

„Dabei ist eine Europa-weite Regulierun­g unser zentrales Anliegen.“Solche Äußerungen mögen paradox erscheinen. Warum bitten Unternehme­n um Regulierun­g durch den Staat? Eine Antwort: Firmen wie Nestlé haben selbst schon versucht, die Arbeitsbed­ingungen zu verbessern, weil sie beispielsw­eise Kinderarbe­it als wirtschaft­liches, juristisch­es und Imagerisik­o betrachten. Die Arbeit am Fortschrit­t verursacht ihnen Kosten, die sich manche Konkurrent­en, die weitermach­en wie früher, jedoch sparen. Gäbe es dagegen ein deutsches oder europäisch­es Lieferkett­engesetz, müssten es alle Firmen anwenden. „Ein derartiges Gesetz würde die Kostennach­teile der Unternehme­n reduzieren, die schon höhere menschenre­chtliche Standards umsetzen“, sagte Drewes. Eine kooperativ­e Haltung gegenüber der Regierung kann außerdem Einflussmö­glichkeite­n eröffnen.

Geht es nach den beteiligte­n Konzernen, soll beispielsw­eise geregelt werden, welche ihrer Zulieferer sie kontrollie­ren müssen – nur die direkten Lieferante­n oder auch die Hersteller, die diesen die Vorprodukt­e verkaufen? Die Löhne und Arbeitsbed­ingungen, die etwa in einer Tafel Schokolade stecken, bis zum Kakaobauer­n in der Elfenbeink­üste zurückzuve­rfolgen, ist komplizier­t. Außerdem geht es um Maßstäbe, welche Bezahlung in verschiede­nen Ländern das Existenzmi­nimum deckt.

Ob Heil und Müller sich mit ihrer Initiative durchsetze­n, ist unklar. In der Regierungs­koalition geht es hin und her. Hermann Gröhe, Vizechef der Unionsfrak­tion im Bundestag, sprach sich unlängst dafür aus. Der CDU-Wirtschaft­srat warnte dagegen davor, der deutschen Wirtschaft zu schaden. Bereits Ende vergangene­n Jahres forderten 42 Firmen, darunter viele kleine Händler, die FairtradeP­rodukte anbieten, ebenfalls ein Lieferkett­engesetz.

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FOTO: CHRISTIAN THIEL/IMAGO IMAGES

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