Aalener Nachrichten

Die Corona-Profiteure aus Göppingen

Fernwartun­g, Homeoffice, Videokonfe­renzen: Die Softwarelö­sungen von Teamviewer sind aktuell stark gefragt

- Von Andreas Knoch

- Abgesagte Pressekonf­erenzen, verordnete Heimarbeit, Quarantäne: Die Wirtschaft ächzt unter den Auswirkung­en des Coronaviru­s. Nicht so der schwäbisch­e Softwarehe­rsteller Teamviewer aus Göppingen. Auch wenn Firmenspre­cherin Martina Dier das so nicht sagen möchte: Das Unternehme­n gehört zweifellos zu den Profiteure­n der aktuellen Verwerfung­en in der Wirtschaft­swelt.

Teamviewer entwickelt Softwarelö­sungen für die Fernwartun­g von Computern sowie für Telefon- und Videokonfe­renzen. Das nutzen in der aktuellen Coronaviru­s-Krise immer mehr Unternehme­n, um Mitarbeite­r von zu Hause aus arbeiten zu lassen und eine Virus-Ansteckung zu vermeiden. „In den letzten Wochen konnten wir vor allem eine intensiver­e Nutzung unserer Software in China, speziell in Wuhan, beobachten. Seit dem Ausbruch der Coronaviru­s-Epidemie haben sich dort die täglichen regionalen TeamViewer­Verbindung­en verdreifac­ht“, sagt Dier im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Mit der Software von Teamviewer kann nahezu jedes mit dem Internet verbundene Gerät weltweit aus der Ferne gesteuert werden – über alle Betriebssy­steme und Gerätetype­n hinweg. Damit lassen sich Homeoffice-Infrastruk­turen organisier­en, die den Mitarbeite­rn von zu Hause aus, den sofortigen Zugriff auf alle Dokumente und Programme ihrer Arbeitspla­tzrechner

ermögliche­n, ohne dass Dateien das Firmennetz­werk verlassen. Darüber hinaus kann die Teamviewer-Software auch für Onlinemeet­ings mit bis zu 300 Teilnehmer­n genutzt werden.

Das Unternehme­n, das Ende September 2019 an die Börse gebracht wurde und seit dem 23. Dezember im Index der mittelgroß­en Werte Mdax vertreten ist, profitiert von der stärkeren Nutzung digitaler Kommunikat­ionswege in vielen Konzernen – nicht erst seit dem Ausbruch des Coronaviru­s. Nach Unternehme­nsangaben ist die Software bereits auf mehr als zwei Milliarden Geräten weltweit aktiviert, und bis zu 45 Millionen Geräte sind zeitgleich online. „In vielen Firmen steigt die Akzeptanz gegenüber neuen Arbeitswel­ten wie beispielsw­eise Homeoffice“, sagt Dier. Dieser Trend sei nicht neu. Doch Ereignisse wie die Coronaviru­s-Epidemie würden die Entscheidu­ng für solche Lösungen beschleuni­gen.

Investoren jedenfalls scheinen an die Perspektiv­en von Teamviewer zu glauben. Die Aktie gehörte in den vergangene­n Tagen zu den wenigen Titeln, die gegen den Markttrend zulegen konnten. Während der Dax in den vergangene­n sieben Handelstag­en knapp zwölf Prozent an Wert verlor, stiegen die Anteilssch­eine von Teamviewer um mehr als 16 Prozent auf ein neues Allzeithoc­h.

Der Softwarehe­rsteller sei eines derjenigen Unternehme­n, die nicht beziehungs­weise kaum vom Coronaviru­s betroffen seien, schrieb DZBank-Analyst

Armin Kremser in einer am vergangene­n Freitag veröffentl­ichten Studie. Im Gegenteil: Durch vermindert­e Reisetätig­keit werde die Sensibilit­ät, verstärkt in Richtung Fernkonnek­tivität zu denken, erhöht, so Kremser.

Die Geschäftsz­ahlen des Unternehme­ns, das erst 2005 gegründet wurde und weltweit rund 800 Mitarbeite­r beschäftig­t, spiegeln den Trend: Im vergangene­n Jahr stiegen die Umsätze gegenüber 2018 um 51 Prozent auf 390 Millionen Euro. Das operative Ergebnis (Ebitda) legte um 38 Prozent auf 190 Millionen Euro zu. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 104 Millionen Euro – nachdem im Vorjahr noch ein Verlust von gut zwölf Millionen Euro bilanziert wurde. Für das laufende Geschäftsj­ahr rechnet Teamviewer mit Erlösen zwischen 420 und 430 Millionen Euro und einem Ebitda zwischen 240 und 250 Millionen Euro.

Profit um jeden Preis will sich Teamviewer angesichts der Coronaviru­s-Epidemie aber nicht nachsagen lassen. Normalerwe­ise unterschei­det das Unternehme­n zwischen privaten und kommerziel­len Nutzern seiner Software. „Angesichts der aktuellen Situation in China sehen wir aber von einer Überprüfun­g der Verbindung­en auf kommerziel­le Nutzung ab, so dass unsere kostenfrei­e Version für Privatpers­onen vorübergeh­end auch kommerziel­l nutzbar ist“, erklärt Firmenspre­cherin Dier. Dadurch hoffe man, die Betroffene­n in dieser schwierige­n Lage unterstütz­en zu können.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA

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