Wenn das Känguru zweimal klingelt
Kongeniale Adaption der Romane von Marc-Uwe Kling fürs Kino
Marc-Uwe Klings Bücher über ein kommunistisches Känguru sind längst Kult. Aber lässt sich der anarchisch-schräge Humor auch auf die Kinoleinwand übertragen? Eindeutig ja. Das zeigt die gelungene Verfilmung von Regisseur Dani Levy.
Henry Hübchen als Immobilienhai und Rechtspopulist mit blondierter Fönfrisur, der die AzD anführt, also die „Alternative zur Demokratie“. Grandios lustiger TV-Frühsport mit Helge Schneider. Oder die wunderbare Reminiszenz an „The Big Lebowski“und einen zentralen Protagonisten aus diesem Film, den Teppich.
Es gibt einige Gründe, sich „Die Känguru-Chroniken“anzusehen, auch für Menschen, die bislang nicht dem „Känguru“-Kult rund um die Bücher, Hörspiele und Lesetouren von Marc-Uwe Kling und seinem kommunistischen Beuteltier verfallen sind. Wobei die Zuschreibung „seinem“hier schon wieder falsch ist: Denn „mein, dein, das sind doch bürgerliche Kategorien“, wie das streitlustige Känguru gerne anzumerken pflegt.
Der Film „Die Känguru-Chroniken“von Dani Levy beginnt wie die gleichnamige Vorlage damit, dass es an der Kreuzberger Tür des schluffigen Kleinkünstlers Marc-Uwe klingelt. Davor steht ein Känguru, das sich ein paar Eier ausleihen möchte und sich als Kommunist vorstellt: „Was dagegen?“Kurz danach braucht es auch noch Mehl, Milch und eine Pfanne. Und wenig später richtet sich das Tier auch schon häuslich im Wohnzimmer des Kleinkünstlers ein. So weit, so absurd.
Schon bald sind das Känguru und Marc-Uwe mitten in einer Auseinandersetzung mit lokalen Schläger-Nazis und deren Chef Dwigs. Nebenbei geht Marc-Uwe auch noch zum Psychiater,
und das Känguru trägt eine private kleine Fehde mit Dwigs aus um dessen Glücksbringer, eine Hasenpfote.
Der Film bedient sich großzügig zahlreicher Elemente aus den vier „Känguru“-Büchern und entwickelt daraus eine erstaunlich schlüssige Story. Dass Marc-Uwe Kling das Drehbuch zum Film selbst schrieb, war zweifellos von Vorteil. Zudem eint Kling und Regisseur Dani Levy ein ähnlicher Sinn für absurden Humor; Levy setzt die Vorlage kongenial um. Der satirisch-politisch-anarchische Geist der Bücher, die sich mit ihren kurzen, schlaglichtartigen und sehr diskussionslastigen Kapiteln nicht gerade für eine Verfilmung aufdrängen, überträgt sich überraschend gut ins filmische Medium.
Bei aller Action – Hunde-Weitwurf, Schlägereien, das Demolieren von Luxusautos – bleibt genug Platz für unfassbar schräge, manchmal tiefsinnige, sehr häufig politische und fast immer höchst komische Debatten zwischen Mensch und Tier. „Die Känguru-Chroniken“sprühen nur so vor Ideen, Zitaten, Wortwitz und Details am Rande. Klischees und Überzeichnungen sind Teil des Plans: Hier ist alles ein bisschen over the top, grell, schnell, laut und witzig – aber niemals plump.
Die Figuren sind liebevoll entwickelt und gespielt, mit einem glänzenden Ensemble rund um Dimitrij Schaad als Marc-Uwe, Henry Hübchen als Jörg Dwigs und Bettina Lamprecht als dessen ebenso fiese wie hochschwangere Ehefrau. Last but not least das Känguru, das von Kling selbst gesprochen wird. Auch die nicht ganz einfache Aufgabe, eine computergenerierte Hauptfigur zu kreieren, die mimisch halbwegs mit ihren menschlichen Mitstreitern mithalten kann, wurde ziemlich überzeugend gemeistert.
So gelingt der seltene Fall einer deutschen Komödie. Denn MarcUwe und das Känguru leben aller Überzeichnung zum Trotz nicht in einem Paralleluniversum, sondern sind in der heutigen Welt verwurzelt: im „postfaktischen Zeitalter“, mit all seinen aufstrebenden Rechtspopulisten. Dass Spaß und Anarchie im Vordergrund stehen, ist dennoch klar. Vermutlich kann man Klings Beitrag, eine großteils junge Hörer-, Leser- und nun auch Zuschauerschaft via Humor mit politischem Interesse zu infiltrieren, gar nicht hoch genug einschätzen. (kna)
Mit Dimitrij Schaad, Henry Hübchen. Regie: Dani Levy. 92 Minuten. Deutschland 2020. FSK 12 Jahre.