Furiose Musiksprache zum Leben erweckt
Markus Boschs „Ernani“-Aufführung von den Opernfestspielen Heidenheim auf CD
Giuseppe Verdis frühes Musikdrama „Ernani“kam 1844 in Venedig erstmals auf die Bühne. Heutzutage wird es selten aufgeführt. Bei den Heidenheimer Opernfestspielen hat der Dirigent Marcus Bosch im letzten Jahr mit diesem Vierakter die Reihe „jugendlicher“Bühnenwerke Verdis fortgesetzt. Sie werden dort nicht nur szenisch präsentiert, sondern anschließend auch als Live-Mitschnitte veröffentlicht. Nach „Oberto“, „Un giorno di regno“und „I Lombardi“ist nun auch die „Ernani“-Aufnahme in einer Box mit zwei SACDs erhältlich.
Bosch ist gebürtiger Heidenheimer. Vor 10 Jahren hat er neben sonstigen Verpflichtungen die künstlerische Leitung des heimischen Festivals übernommen und dafür mittlerweile auch ein eigenes Orchester gegründet. Im Blick auf die römische Vergangenheit der Stadt nennt sich das klein besetzte, „historisch“musizierende Projektensemble Cappella Aquileia. Wie brillant diese Truppe unter Boschs animierender Stabführung die furiose Musiksprache des jungen Verdi zu prallem Leben erweckt, stellt die „Ernani“-Einspielung überzeugend unter Beweis.
Francesco Maria Piaves Libretto basiert auf dem Drama „Hernani“(1830) von Victor Hugo, der auch die Vorlage für Verdis späteren „Rigoletto“geliefert hat. Die etwas naive Story kreist um drei mehr oder weniger mafiöse Ehrenmänner, die sich in wechselnden Waffenbrüderschaften einen Kampf um dieselbe Frau liefern. Unwahrscheinlichkeiten, Inkonsequenzen
und unfreiwillige Komik der Handlung, die in Piaves Text stören, beginnen in Verbindung mit der Musik auf wundersame Weise jenseits aller Schauspielrealistik zu funktionieren.
Mit Sängern, die die Kunst des späten Koloratur-Belcanto beherrschen und durchaus im Sinne des Stücks die Ausstrahlung von Stars haben, offenbaren die trivialen oder gar lächerlichen Vorgänge plötzlich ihre Wahrheiten auf einer ganz anderen Ebene.
Wenn der kraftvoll singende Tenor Sung Kyu Park, als Bandit Ernani ein jugendlich-schneidiger Draufgänger, seine Addio-Szene vokal durchstirbt, ereignet sich eine Magie eigener Art. Pavel Kudinov beeindruckt als Silva mit schwarzem Bass, Leah Gordon als Elvira mit überbordender Tonfülle und leuchtenden Koloraturen. Marian Pops warm fließender Bariton macht die plötzliche Milde des kalt berechnenden Don Carlos gegenüber dem Titelhelden wenigstens vokal glaubhaft. In kleineren Rollen bewähren sich Stefanie Henke, Christoph Wittmann und Lancelot Nomura.
Der von Zuzana Kadlcíková einstudierte Tschechische Philharmonische Chor Brünn trägt zu einer fulminanten Aufführung bei. Keinerlei Nebengeräusche stören den exzellenten Live-Mitschnitt. Das Booklet enhält das Libretto in italienischer, englischer und deutscher Sprache.
Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn, Cappella Aquileia, Marcus Bosch; Coviello Classics