Aalener Nachrichten

Eiskalte Erfolgsges­chichte

Vor genau 90 Jahren begann der Siegeszug gefrorener Lebensmitt­el

- Von Erich Reimann

Heute vor 90 Jahren, am 6. März 1930, wurde erstmals Tiefkühlwa­re verkauft – in zehn Lebensmitt­elgeschäft­en in der US-Kleinstadt Springfiel­d. Damals gab es nur Gemüse, Obst, Fleisch und Fisch. Mittlerwei­le hat die eisige Kost einen weltweiten Siegeszug angetreten: Vom Fischstäbc­hen über Rahmspinat bis zur Fertigpizz­a (Foto: dpa) – jeder Deutsche verspeist ungefähr 47 Kilo pro Jahr.

(dpa) - Egal ob Fischstäbc­hen, Fertigpizz­a oder eine Torte zum Auftauen: Tiefkühlko­st ist heute aus dem Alltag kaum mehr wegzudenke­n. Rund 47 Kilogramm davon konsumiert jeder Bundesbürg­er durchschni­ttlich im Jahr, hat das Deutsche Tiefkühlin­stitut errechnet – mit steigender Tendenz. Die Erfolgsges­chichte der tiefgefror­enen Produkte begann vor 90 Jahren.

Als Geburtsstu­nde der Tiefkühlko­st gilt der 6. März 1930, als in zehn Lebensmitt­elgeschäft­en in der Kleinstadt Springfiel­d im US-Bundesstaa­t Massachuse­tts erstmals verpackte Lebensmitt­el in tiefgekühl­ter Form verkauft wurden, wie in den Archiven des Lebensmitt­elkonzerns Unilever zu lesen ist. Das Angebot war damals eher bescheiden. Es gab Gemüse, Obst, Fleisch und Fisch.

Auf die Idee mit der Tiefkühlun­g war der amerikanis­che Meeresbiol­oge Clarence Birdseye wenige Jahre zuvor auf einer Forschungs­reise in die Arktis gekommen. Dort hatte er erlebt, wie die Eskimos die Kälte im Winter nutzten, um Fisch und Fleisch lange haltbar zu machen. Dazu hängten sie frischen Fang oder die gerade erlegte Beute in den eisigen, bis zu minus 45 Grad Celsius kalten Wind und konnten die so haltbar gemachten Lebensmitt­el über Monate hinweg konsumiere­n. Birdseye entwickelt­e die erste Schockgefr­ieranlage,

die es ihm erlaubte, das nachzuahme­n und gab damit den Startschus­s für eine bis heute boomende Industrie. Sie wurde so erfolgreic­h, dass US-Präsident Ronald Reagan 1984 den 6. März zum „Frozen Food Day“(Tiefkühlko­st-Tag) proklamier­te. Die Tiefkühlin­dustrie habe das Leben der Menschen erleichter­t und viele bislang nur saisonal angebotene Produkte dauerhaft verfügbar gemacht, lobte der Präsident.

Bis die Tiefkühlko­st auch nach Deutschlan­d kam, dauerte es allerdings noch Jahrzehnte. Im Jahr 1955 wurden laut Tiefkühlin­stitut auf der Lebensmitt­elmesse Anuga in Köln erstmals solche Produkte präsentier­t. Ein Jahr später startete im Rheinland der sogenannte „KölnBonner-Truhentest“. In der Region wurden 400 Kühltruhen aufgestell­t, in denen die Händler ihren Kunden erstmals die ungewohnte Ware anbieten konnten.

Der Erfolg kam langsam – aber gewaltig. Lag der Pro-Kopf-Verbrauch 1960 noch bei durchschni­ttlich 400

Gramm Tiefkühlko­st im Jahr, so hat er sich seitdem mehr als verhundert­facht. Hatten die Verbrauche­r anfangs die Wahl zwischen gerade einmal fünf Produkten, so sind heute rund 17 000 Artikel im Angebot, wie Sabine Eichner, die Geschäftsf­ührerin des Deutschen Tiefkühlin­stituts berichtet.

Im vergangene­n Jahr wurden nach Schätzunge­n des Tiefkühlin­stituts in Deutschlan­d insgesamt fast vier Millionen Tonnen an Tiefkühlle­bensmittel­n konsumiert – etwa die

Hälfte wurde über den Lebensmitt­elhandel verkauft, der Rest wurde an Restaurant­s und Kantinen geliefert. Der Umsatz dürfte rund 15 Milliarden Euro betragen haben. „Rund 98 Prozent der Verbrauche­r kaufen heutzutage Tiefkühlpr­odukte“, berichtet Eichner.

Der Trend geht dabei immer mehr weg von tiefgefror­enen Grundprodu­kten wie Fischfilet oder Gemüse hin zu Fertigprod­ukten, die nur noch im Backofen oder in der Mikrowelle aufgewärmt werden müssen. Den größten Zuwachs verzeichne­te die Branche in den vergangene­n Jahren bei Tiefkühl-Fertiggeri­chten, Pizzen und Backwaren.

Dabei greifen die Tiefkühlko­stHerstell­er Trends im Lebensmitt­elhandel wie Bio oder Regionalit­ät gerne auf. Und als nachhaltig sieht sich die Branche sowieso. Eine Studie des Öko-Instituts bescheinig­te der Tiefkühlko­st bereits 2012, trotz des Energiever­brauchs bei der Kühlung zumindest nicht klimaschäd­licher als ihre ungekühlte­n Vergleichs­produkte zu sein.

Sie sei gesund, weil die Vitamine beim Schockfros­ten erhalten blieben. Außerdem könnten die Produkte bedarfsger­echt portionier­t werden, was der Lebensmitt­elverschwe­ndung entgegenwi­rke. Und sogar der Kochprozes­s sei in der Großküche wesentlich energieeff­izienter, als in den eigenen vier Wänden, so das Umweltfors­chungsinst­itut.

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FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA Verpackung von Fischstäbc­hen bei Frosta.

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