Südwest-Minister Hauk verteidigt die Landwirte
Fehlende Flächen werden für die Landwirtschaft zum wachsenden Problem
STUTTGART/BERLIN (dpa/klw) Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk kann keine Radikalisierung der seit Monaten protestierenden Bauern im Land erkennen. „Der kritische Blick auf die Landwirtschaft von Seiten der Gesellschaft, aber auch mancher Verbände, hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass sich die Bauern nun Luft machen“, sagte Hauk. Die Bauern äußerten sich „deutlich, aber sachlich“. Hauks bayerische Amtskollegin Michaela Kaniber (CSU) hatte zuvor vor der Radikalisierung frustrierter Bauern gewarnt. Es bestehe die Gefahr, dass sich eine Gruppe „radikalisiert und vom rechten Lager unterwandert wird“, hatte Kaniber den „Nürnberger Nachrichten“gesagt. Viele Landwirte hadern mit Verschärfungen beim Düngerecht und neuen Auflagen zum Insektenschutz. Auch fehlt vielen Höfen ausreichend Grund und Boden.
- Angesichts explodierender Preise für Landwirtschaftsflächen und einem schrumpfenden Angebot fordert Bundesagrarministerin Julia Klöckner von den Bundesländern ein bauernfreundlicheres Bodenrecht. „Der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht, jetzt sind die Länder dran zu handeln“, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Berlin. Man werde beim Thema dranbleiben, kündigte sie an.
Tatsächlich leidet die Landwirtschaft nicht nur an Düngeregeln, Pestizid-Einschränkungen und unklaren Tierschutzvorgaben. Auch haben die Betriebe im Wortsinn ein bodenloses Problem: Die Agrarflächen werden immer weniger und immer teurer. Seit 1993 ist die Ackerfläche in Deutschland um 1,2 Millionen Hektar geschrumpft, seit 2005 haben die Kaufpreise um 193 Prozent angezogen. Vor allem in Ostdeutschland kaufen Investoren seit der Finanzkrise 2007 große Flächen auf. Klöckner kritisierte das: „Unsere Böden dürfen keine Spekulationsobjekte sein“, sagte die Ministerin. Bauernland gehöre in Bauernhand.
Zwar haben Landwirte einen gesetzlichen Vorrang beim Landkauf, doch der wird oft umgangen, indem juristische Personen kaufen. Diese zahlen aufgrund ihrer Aufteilung häufig nicht einmal Grunderwerbssteuer, kassieren dafür aber bei EUDirektzahlungen und beim Erneuerbaren-Energien-Gesetz ab. Nur bei jeder zwanzigsten Kaufabsicht durch Investoren könne sich am Ende der Landwirt durchsetzen, rechnete Klöckner vor. Dabei müsse die Landwirtschaft angesichts der wachsenden Weltbevölkerung bald mehr produzieren: „Experten schätzen, dass wir in den kommenden 40 Jahren so viele Nahrungsmittel produzieren müssen wie die gesamte Menschheit im Verlauf der vergangenen 8000 Jahre“, sagte die CDU-Ministerin. Sie forderte die Länder auf, ihre Regeln schnell nachzuschärfen. Bisher habe von 16 Bundesländern nur BadenWürttemberg ein modernes Agrarstrukturgesetz, kritisierte sie.
Doch auch im Südwesten wird das Land knapper. Zwar sind Käufe von Finanzinvestoren angesichts der kleinteiligeren Flächen selten. Doch vor allem in Südbaden überbieten Schweizer Landwirte ihre deutschen
Kollegen bei Pacht und Kauf. Eine rechtliche Handhabe dagegen hat das Land nicht.
Und landesweit weichen weiterhin Äcker und Weiden für Siedlungen, Verkehrs-, Gewerbe-, Energieund Ausgleichsflächen. In den vergangenen 20 Jahren betrug der Verlust zwischen sieben und elf Hektar pro Tag. Die „Netto-Null“beim Flächenfraß, die der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger 2006 als Ziel ausrief, wurde nie erreicht.
Weil die Höfe weniger und größer werden, müssen inzwischen drei von vier Landwirten Fläche hinzupachten: Im Schnitt gehören nur noch 40 Prozent der bestellten Fläche den jeweiligen Betrieben. Da die Preise auch im Süden anziehen, in den vergangenen Jahren um 6,7 Prozent pro Jahr, wird es für manche Betriebe eng. Grünland kostet mittlerweile im Schnitt 141 Euro pro Hektar, Acker durchschnittlich 270 Euro, wobei die Preise je nach Region und Boden weit auseinandergehen.
Landes-Agrarminister Peter Hauk (CDU) verweist auf Förderprogramme im ländlichen Raum, die vor allem durch Bebauung im Innenbereich den Siedlungsdruck mildern sollen. „Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass unsere Landwirte für ihre Arbeit Wiesen und Äcker benötigen, die sie bewirtschaften können. Dort liegt der Ursprung unserer Lebensmittel und Agrarerzeugnisse“, sagt er.
Dass es ein Problem gibt, ist längst erkannt. Doch bei der Umsetzung hapert es bislang. So arbeitet Sachsen-Anhalt, wo Investoren gerne große Ländereien aufkaufen, seit dreieinhalb Jahren an einem neuen Bodenrecht. Brandenburg will erst einmal ein agrarpolitisches Leitbild entwickeln, bevor ein Gesetz folgt. Auch die Idee einer gesetzlichen Pachtpreisbremse, wie sie die Linken-Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann fordert, ist nicht neu: 2017 scheiterte ein solches Vorhaben in Niedersachsen.