Debatte im Bundestag
Über den Anschlag von Hanau hat am Donnerstag der Bundestag debattiert. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) rief zu „Aufrichtigkeit, Selbstkritik und entschlossenem Handeln“auf. „Das sind wir den Ermordeten von Hanau schuldig“, sagte er. Der Staat müsse sich eingestehen, „die rechtsextremistische Gefahr zu lange unterschätzt zu haben“.
Die Morde von Hanau, der Anschlag auf die Synagoge in Halle und die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke – in der Debatte zogen viele eine Linie von diesen jüngsten Taten zur Mordserie des rechtsextremen NSU. Die Frage, die über allem stand: Gelingt heute, was nach dem Auffliegen der Terrorgruppe 2011 zwar versprochen, aber aus Sicht vieler Kritiker nur unzureichend eingelöst worden war? Wird bei rechter Gewalt genauer hingeschaut? Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bekräftigte, was er direkt nach Hanau gesagt hatte: „Der Rechtsextremismus, der Rechtsterrorismus, der Antisemitismus sind die höchste Gefährdung unseres freiheitlichen Rechtsstaates.“Seehofer und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) betonten, der Staat sei bereits aktiv im Kampf gegen
Rechtsextremismus. So sollen die Sicherheitsbehörden mehr Personal bekommen, Hass im Netz stärker geahndet und das Waffenrecht verschärft werden. Für enormen Widerspruch sorgte die AfD. Deren Abgeordneter Roland Hartwig sagte, es sei nicht damit getan, Extremismus allein auf der rechten Seite zu suchen. Fraktionskollege Gottfried Curio versuchte, den Täter von Hanau als psychisch Kranken darzustellen, der ohne politische Gründe gehandelt habe. Dem entgegnete FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae: „Der Rassismus ist die Krankheit des Geistes.“Hanau sei keine Einzeltat gewesen, sondern reihe sich ein „in eine Blutspur rechtsextremistischer Taten in Deutschland und der Welt“. Die AfD sei nicht frei von politischer Mitverantwortung für das, was geschehe. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf der AfD eine Komplizenschaft bei rechtsextremen Taten vor.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, sprach sich dafür aus, Muslimfeindlichkeit genauso zu begegnen wie Judenhass. Sie erklärte, die Zuschreibung eines Migrationshintergrunds entspreche längst nicht mehr der Realität und dem Selbstverständnis vieler Menschen. „Wir müssen endlich aufhören, unsere Gesellschaft in ‚Wir Deutsche‘ und ‚Ihr Eingewanderte‘ zu trennen“, sagte die CDU-Politikerin. „Es gibt nur ein ‚Wir‘.“(KNA)