Göttlich eben
Die bislang größte Ausstellung über das Kunstgenie Raffael wurde in Rom eröffnet – dem Coronavirus zum Trotz
(dpa/KNA) - Er ist einer der größten Künstler überhaupt. Nun ehrt Italien sein begnadetes Malergenie Raffael zum 500. Todestag mit einer spektakulären Fülle an Meisterwerken in den Scuderie del Quirinale. Auch der Coronavirus hat die Veranstalter des römischen Museums nicht davon abgehalten, die bislang weltweit größte Ausstellung über den Renaissance-Maler am Donnerstag zu eröffnen. Vorsichtsmaßnahmen sollen allerdings die Besucher vor einer Ansteckung schützen.
Die Liste der Leihgeber für die Ausstellung in Rom liest sich wie das Who’s who der internationalen Kunstszene. Die Vatikanischen Museen, die Florentiner Uffizien, der Prado in Madrid, der Pariser Louvre, das MoMA in New York, Königin Elizabeth II. persönlich – sie alle sind an der Schau der Superlative zu Ehren von Raffaello Sanzio da Urbino (1483-1520) beteiligt. Mario De Simoni, Leiter des Museums in den ehemals päpstlichen Stallungen, spricht von einer „Mega-Ausstellung“. Es handele sich um „einen einzigartigen Moment für Italien und die Welt“.
Bevor die Besucher zu anmutigen Raffael-Madonnen und kraftvollen Papstporträts von Leo X. und Julius II. gelangen, erwartet sie zu Beginn der Ausstellung eine düstere Sterbebett-Szene: Der französische Historienmaler Pierre-Nolasque Bergeret zeigt auf dem Bild aus dem 19. Jahrhundert, wie gewaltig die Bestürzung in Rom nach dem Tod Raffaels gewesen sein muss. Kirchenobere, Fürsten, reiche Auftraggeber, alle drängen in den Raum. In der Nacht des 6. April 1520 war der Jungstar vermutlich an den Folgen einer Infektion plötzlich gestorben, gerade mal 37 Jahre alt.
Von da an rollt die Schau, die rund 200 Exponate umfasst, darunter Wandteppiche, Grafiken, Briefe und antike Skulpturen, das Wirken des
Hochrenaissance-Meisters rückwärts auf: Erst wird in großer Breite Raffaels Zeit in Rom ab 1508/09 als Star am päpstlichen Hof gezeigt. Zeitweise war er Baumeister und Gestalter am Petersdom. Er galt zudem als früher Denkmalschützer, der antike Schätze vor Verfall und Missachtung bewahren wollte. Davor lag eine Phase in Florenz. Dort schulte der Anfang Zwanzigjährige sein Können durch die Auseinandersetzung mit den Werken Leonardo da Vincis (1452-1519), der deutlich älter war, und Michelangelos (1475-1564).
„Es gibt eine enorme Entwicklung in seinem Werk von den Anfängen in Umbrien, die anmutig, zart und höfisch kultiviert waren, bis zu seiner römischen Zeit. Da war seine Kunst viel bewegter, dramatischer, rhetorischer, erzählender“, sagt RaffaelSpezialist und Kunstprofessor Michael Rohlmann.
„Er kann eine große Gruppe mit vielen Figuren so gestalten, dass das Ganze eine höhere Ordnung hat, die es zusammenhält. Und dabei gesteht er jeder einzelnen Figur ein größtes Maß an Freiheit und Entwicklung zu“, erläutert Rohlmann. Diese Idee des Ausgleichs, so sagt der Wissenschaftler, habe Raffael in den Alltag übertragen: „Er gilt ja auch in seinem Sozialverhalten als Mann, dem es gelingt, Konflikte zu schlichten und viele für sich einzunehmen.“
Auch aus der Florentiner Periode hat die Ausstellung einiges zu bieten, so das jungenhaft schöne Selbstporträt von 1506-1508. Der Maler blickt den Betrachter mit sanften Augen an. Es hängt am Schluss. Noch davor liegen die frühen Lehrjahre in Umbrien und seine Kindheit in den Marken. Dort wurde Raffael 1483 in Urbino als Künstlersohn geboren. Biografen berichten, dass sein Vater das Talent früh erkannte und Raffael nach dessen Tod als Teenager die väterliche Werkstatt weiterführte.
Freilich darf im Vorfeld einer solch spannenden Inszenierung ein kleiner Skandal nicht fehlen. Für den sorgte das wissenschaftliche Komitee der Uffizien, das vor einigen Tagen aus Protest gegen Direktor Eike Schmidt zurücktrat. Der Vorwurf: Das Porträt von Papst Leo X. hätte Florenz niemals verlassen dürfen. Es stehe auf einer Liste von 24 besonders wertvollen Werken, die unter keinen Umständen zu verleihen seien. Der Museumsleiter steht indes zu seiner Entscheidung. „Das ist die größte Ausstellung, die Raffael jemals gewidmet wurde“, sagt Schmidt. Viele Objekte kämen erstmals nach dessen Tod zurück nach Rom. Dort habe das in Urbino geborene Ausnahmetalent einige der bedeutendsten Kunstwerke der Geschichte geschaffen.
Der Kunstexperte Valerio Vernesi, der in Rom in der Villa Farnesina Führungen zu Raffael macht, sagt:
„Wie sich die wunderbaren und starken Einzelteile eines Werkes in Harmonie zu einem großen Ganzen fügen, das ist das Besondere, die absolute Schönheit.“Göttlich eben. Beim späten Raffael kam pralle Lebenslust dazu, wie nicht nur das weltbekannte Porträt der halbnackten „La Fornarina“(1519/20) zeigt. Es soll eine Geliebte wiedergeben.
In der Schau lässt sich Raffaels Denken und Arbeiten gut durch den
Vergleich der Skizzen mit den Gemälden nachvollziehen. Die Vorarbeiten verdeutlichen, dass er die Körper naturwissenschaftlich studierte. Dann veränderte er die Darstellungen so, dass sie seinem an der Antike geschulten Idealbild näherkamen.
Mit Blick auf seinen frühen Tod sieht Uffizien-Direktor Schmidt Bezüge zum Heute: Raffael soll nach Tagen des Fiebers an einer Infektion gestorben sein. Das Museum Scuderie del Quirinale kündigte zum Start an, dass in Zeiten der CoronavirusVorsorge Gedränge vermieden werden solle. Deshalb dürfe immer nur eine begrenzte Gästezahl in die Schau, die bis 2. Juni läuft.
„Raffaello“im Museum Scuderie del Quirinale. Bis 2. Juni. Info: www.scuderiequirinale.it