Ein gewisses Kontrollprogramm
Die Arbeit der Anti-Doping-Agenturen wird in Zeiten des Coronavirus national wie weltweit schwieriger – auch mangels Wettkampftests
(dpa) - Rund um den Globus werden die Dopingtests reduziert, Kontrolllabore geschlossen und die Arbeit der nationalen Anti-Doping-Agenturen eingeschränkt. Das Coronavirus schwächt auch den Kampf gegen den Sportbetrug massiv und gefährdet die Chancengleichheit bei den Olympischen Spielen in Tokio – sofern sie stattfinden. Die deutsche NADA-Chefin hält dies noch nicht für vorhersehbar. „Das ist schwer zu sagen, und hier müsste man spekulieren“, sagt Andrea Gotzmann. „Der Sport an sich ist in der Krise.“
Man wisse, dass die überwiegende Anzahl der Athleten sauber ihren Sport betreibe und in einer schwierigen Lage sei. Dass Doper die CoronaKrise für Betrug nutzen könnten, erwartet die NADA-Chefin eher nicht: „Ich glaube, dass wir in der augenblicklichen Situation diese Art von Schummeleien wenig erleben werden. Gerade, weil es um massive gesundheitliche Probleme gehen kann.“
Die Coronavirus-Pandemie wirkt sich allerdings auf das Kontrollsystem der deutschen Nationalen AntiDoping-Agentur (NADA) aus. Nach den Absagen vieler Sportereignisse fallen die Wettkampftests weg. „Wir haben noch das Trainingskontrollsystem“, betonte Andrea Gotzmann. Da allerdings „haben wir aber reduziert und konzentrieren uns weiter auf eine wichtige Gruppe: Das sind die Perspektivathleten, die sich auf die Olympischen Spiele in Tokio vorbereiten.“Die NADA müsse zumindest „ein gewisses Kontrollprogramm“aufrechterhalten.
Die Zahl der vorgenommenen Wettkampfkontrollen – 2018: 5605 – wird in diesem Jahr ebenso rapide sinken wie die der Dopingtests im Training. Dies gilt nicht nur für Deutschland. Die NADA Austria hat ihr Büro geschlossen und die AntiDoping-Maßnahmen eingeschränkt. Auch die Agenturen in Großbritannien (Ukad) und den USA (Usada) verkündeten, „signifikante Reduzierungen“vornehmen zu müssen und den Fokus auf die „Mission Critical“– also auf Olympiastarter und -kandidaten zu legen.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) bemüht sich, die Integrität der Dopingkontrollprogramme, insbesondere vor den Sommerspielen und Paralympics in Tokio, zu gewährleisten. Dazu teilte sie mit: „Die WADA überwacht das wichtige Gleichgewicht der Testaktivitäten in allen von Covid-19 betroffenen Regionen genau, um mögliche Kontrolllücken zu ermitteln und möglichst zu beheben.“Bei rund 345 000 Kontrollen, die in der WADA-Statistik für 2018 ausgewiesen sind, dürfte das Vorhaben wenig Erfolg versprechen.
Besonders beeinträchtigt dürften die Tests auf Blutdoping vor allem bei Ausdauersportlern sein. „Blutkontrollen werden von Ärzten oder Heilpraktikern durchgeführt“, erklärte Gotzmann. „Das sind Personen, die im Augenblick im medizinischen System übermäßig beansprucht sind. Daher verzichten wir weitgehend auf ihren Einsatz.“
Zudem werden die NADA-Kontrolleure zu ihrem Schutz nicht mehr ins Ausland geschickt – angesichts vieler abgesagter Trainingslager sei auch die Notwendigkeit reduziert. Hinzu kommt die Schließung von Analyselaboren in Barcelona, Madrid, in Italien oder in Montreal. „Es fehlen Kapazitäten. Das gleiche gilt auch für Kontrollen“, stellte Gotzmann fest. „Die allgemeine Situation ist weltweit äußerst schwierig und kritisch.“So ist noch nicht vorhersehbar, ob der geplante Start der vorolympischen Kontrollen am 12. Mai überhaupt erfolgen kann. Geplant sind von der International Testing Agency, die vom Internationalen Olympischen Komitee beauftragt wurde, rund 6000 Kontrollen bis zum 9. August.