Ist der Ostalbkreis ein Corona-Brennpunkt?
Offenbar gibt es Pläne für ein Notfallkrankenhaus in einer Turnhalle. Wie die aktuelle Situation im Kreis aussieht.
Von Anja Lutz und Viktor Turad
- „Wird der Ostalbkreis das neue Heinsberg?“, titelte das Nachrichtenportal ntv am gestrigen Mittwoch im Hinblick auf die Stadt in Nordrhein-Westfalen, die zum Corona-Brennpunkt geworden ist. Auch weitere Medien, darunter sueddeutsche.de oder tagesschau.de, berichten im Zusammenhang mit dem Coronavirus über den Ostalbkreis. Der Grund: die Skiausfahrt von etwa 200 Ostälblern vor etwa zwei Wochen nach Ischgl. Aber sind die Fallzahlen im Kreis wirklich überdurchschnittlich hoch?
Als die Skifahrer von der Ostalb nach Ischgl aufbrachen, hatte Island den österreichischen Skiort bereits zum Corona-Krisengebiet erklärt, was aber den Urlaubern nicht bekannt und für die Behörden in Tirol kein Anlass zum Handeln war. Obwohl ein Barkeeper infiziert war, hatten sie noch verlautbart, eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der fraglichen Bar sei aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich. Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich nun zeigt.
Die Skisaison wurde erst am Samstag, 14. März, für beendet erklärt. An diesem Tag waren in Aalen und Schwäbisch Gmünd wegen der Vorfälle in Ischgl bereits Drive-InTestzentren eingerichtet. Erst am Sonntag, 15. März, wurden alle Tiroler Skigebiete geschlossen.
Wie viele der 123 mit dem CoronaVirus infizierten Ostälbler (Stand: 19. März) sich in Ischgl angesteckt haben, lässt sich nicht mehr feststellen. Denn, teilt die Sprecherin des Landratsamts, Susanne Dietterle, mit, diese werden bei den Tests nicht gesondert erfasst.
In häuslicher Isolation dürften sich im Ostalbkreis derzeit etwa 1300 Personen befinden. Von einem Corona-Hotspot könne man laut Dietterle nicht sprechen, denn „hinsichtlich der Erkrankten-Zahlen liegen wir als einer der bevölkerungsreicheren Landkreise in Baden-Württemberg im Mittelfeld. Andere Kreise haben bereits mehr als doppelt so viele Fälle.“
Landrat Klaus Pavel ergänzte im Interview mit Radio 7: „Wir sind kein Krisengebiet, sondern ein Gebiet wie jedes andere auch, mit Sorgen, die im Moment alle haben.“
„Wir sind ein Gebiet wie jedes andere auch, mit Sorgen, die im Moment alle haben“,
(an) - Die Stadt Aalen mobilisiert angesichts der sich rasch ausbreitenden Coronavirusinfektionen bürgerschaftliches Engagement und setzt auf wirksame Hilfe für die Schwachen und von den Einschränkungen stark betroffenen Menschen. „Trotz der negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Einschnitte ins tägliche Leben wollen wir zuversichtlich nach vorne blicken und den Schaden für unsere Stadtgesellschaft begrenzen“, sagt OB Thilo Rentschler.
Dazu hat die Stadt Anregungen und Initiativen von Bürgern aufgenommen. Als erfreuliche und Mut machende Antwort auf das Coronavirus haben sich ehrenamtliche Einkaufsund Besorgungsdienste gebildet. Die Stadt Aalen begrüßt dieses bürgerschaftliche Engagement und unterstützt die Initiativen. Beim Amt für Soziales, Jugend und Familie ist unter 07361 / 52 1054 eine Hotline geschaltet. Dort können ab sofort Senioren sowie Menschen in häuslicher Isolation anrufen, wenn sie Unterstützung benötigen oder Fragen haben.
Die Hotline ist bis auf weiteres besetzt von Montag bis Sonntag von 9 bis 12 Uhr. Darüber hinaus können Anliegen auch per Mail unter aalen-haelt-zusammen@aalen.de
Diese Sorgen sind aktuell auch die Kapazitäten in den Krankenhäusern. Der Chef des Robert-Koch-Institutes, Lothar Wieler, hat am Mittwoch an die Krankenhäuser im Land appelliert, die Intensiv- und Beatmungskapazitäten zu erhöhen, mindestens zu verdoppeln.
Nach Medienberichten gibt es im Ostalbkreis „Hintergrundpläne“, eine Turnhalle in Aalen in ein Notkrankenhaus zu verwandeln, wo 150 Patienten Platz finden könnten, falls die Zahl der Corona-Kranken stark ansteigen sollte. Bestätigen wollte Dietterle diese Berichte auf Nachfrage der „Aalener Nachrichten / Ipf- und Jagst-Zeitung“noch nicht; Informationen dazu soll es jedoch im Laufe des Freitags geben. Auch zu den Kapazitäten von Intensiv- und Beatmungskapazitäten gab es noch keine sagt Landrat Klaus Pavel
Stellungnahme. Allerdings sagte Ulrich Solzbach, Leiter des Ostalbklinikums, im Gespräch mit tagesschau.de: „Wir können vielleicht eine Erhöhung um zehn Prozent schaffen.“Wenn er „alles hochschraube", komme er in den drei Kliniken des Ostalbkreises „auf 40 bis 45 Beatmungsplätze“.
Auch bei der Untersuchung der Abstriche, mit denen Patienten auf das Virus getestet werden, stößt das Landesgesundheitsamt an seine Grenzen. Aufgrund der Vielzahl der Abstrichnahmen kann die Analyse allerdings nicht mehr nur dort erfolgen. „Deshalb haben wir inzwischen zwei weitere Labore hinzugezogen. Eines davon lässt in Leverkusen analysieren. Ergebnisse von dort erhalten wir binnen Tagesfrist“, so Dietterle.
Für Fragen zu Corona hat der Kreis eine Hotline eingerichtet. Diese ist laut Dietterle nach wie vor gut frequentiert. Allerdings ändern sich die Inhalte der Anfragen. Anfangs ging es laut der Sprecherin um die Erkrankung
selbst, wie man sich bei Symptomen oder Reisen verhalten solle. „Weiterhin melden sich auf der Hotline natürlich Kontaktpersonen ersten Grades von Corona-Erkrankten, wenn sie während ihrer 14-tägigen häuslichen Isolation Symptome bekommen sollten. Zunehmend erreichen uns aber auch Anfragen von Betrieben, die jetzt aufgrund der Verordnung des Landes schließen müssen, wegen wirtschaftlicher Probleme“, so Dietterle weiter.
In Tirol sind am Donnerstagmorgen 474 Corona-Infektionen bestätigt gewesen. Dazu kommen Hunderte Skifahrer aus anderen Ländern und Regionen wie etwa der Ostalb, wo sich nachträglich eine Ansteckung in Ischgl bestätigt hat. In Tirol gilt seit 18. März um Mitternacht eine Quarantäne aller 279 Gemeinden.
Immerhin hatte der Ausflug der Skifahrer von der Ostalb für ihre Heimat keine so dramatischen Folgen wie für das Universitätsklinikum in Salzburg. Ein Anästhesist hatte sich im Skiurlaub in Ischgl mit dem Coronavirus
angesteckt. Nichtsahnend ging er nach seiner Rückkehr seiner normalen Arbeit am Uniklinikum nach. Als immer öfter Coronafälle gemeldet wurden, die sich in Ischgl angesteckt hatten, wollte der Arzt auf Nummer sicher gehen und ließ sich testen. Das Ergebnis: positiv. Alle Kollegen, mit denen er Kontakt gehabt hatte, wurden daraufhin ebenfalls isoliert. Betroffen waren die Anästhesie, Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie, HNO-Abteilung, Intensivstation der Chirurgie und ein Team der Flugrettung. Die Lebensgefährtin des Arztes hatte sich ebenfalls angesteckt und über sie war auch die Neonatologie, also die Neugeborenen-Station, betroffen. Insgesamt wurden 84 Personen in häusliche Quarantäne geschickt.
Die des Landkreises zum Coronavirus ist unter 07361 5031900 oder -1901 von 8 bis 18 Uhr erreichbar. E-Mail: corona@ostalbkreis.de