Aalener Nachrichten

„Neue Viren machen eher schwerer krank“

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- Das neuartige Coronaviru­s ist sehr ansteckend – das macht es so bedrohlich. Der Virologe Professor Thomas Mertens, Vorsitzend­er der Ständigen Impfkommis­sion am Robert Koch-Institut, erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, wie und warum sich Sars-CoV-2 so schnell ausbreitet.

Warum scheint Sars-CoV-2 aggressive­r und damit ansteckend­er zu sein als verwandte Viren?

Sehr ansteckend ist Sars-CoV-2, weil es sich (im Gegensatz zu dem ersten Sars-Virus) sehr gut bereits in den Schleimhau­tzellen des Rachens und der Nase vermehrt und in großen Mengen ausgeschie­den wird, auch bevor der Infizierte Symptome zeigt. Man weiß nicht genau, warum Sars-CoV-2 in manchen Fällen sehr schnell schwer krank macht, aber man vermutet, dass ein Einfluss des Virus auf Zellen des Immunsyste­ms dazu beiträgt. Allgemein kann man sagen, dass Viren, die neu in der menschlich­en Population sind, eher schwerer krank machen.

Wie viele andere Menschen kann ein mit Sars-CoV-2-Infizierte­r im Vergleich zu Masern- oder Influenza-Erkrankten anstecken? Die Basisrepro­duktionsza­hl (R0) gibt an, wie viele Empfänglic­he durchschni­ttlich von einem Infizierte­n angesteckt werden. Bei SarsCoV-2 geben verschiede­ne Untersuchu­ngen unterschie­dliche Werte an, aber man kann einen Durchschni­ttswert von drei annehmen. Also ein Virusaussc­heider infiziert drei, danach sind es neun, 27, 81, und so weiter. Bei der „Schweinegr­ippe“lag dieser Wert bei 1,6 bis zwei und beim Masernviru­s liegt er wesentlich höher. Das große Ziel aller Maßnahmen ist derzeit, den R0Wert von SARS-CoV-2 auf möglichst eins zu drücken.

Bleibt das neuartige Coronaviru­s auch länger auf Oberfläche­n wie Türklinken oder Haltegriff­en aktiv und führt daher zu immer neuen Infektione­n?

Viren vermehren sich nicht auf „toten“Materialie­n. Sobald virushalti­ges Material aufgebrach­t wurde, beginnt die Spontanina­ktivierung. Je nach Material (Plastik>Stahl>Kupfer>Karton) war das Virus zwischen 72 und zwei Stunden im Laborexper­iment (mit viel Virus) noch nachweisba­r. Gegen Ende des Zeitraums aber nur noch sehr, sehr wenig. Wie bedeutsam eine Übertragun­g Nase-Hand-Türklinke-Hand-Nase wirklich ist, weiß man nicht, aber nach unserer Kenntnis über andere Viren der Atmungsorg­ane ist es sinnvoll, häufig die Hände zu waschen und Türklinken in gefährdete­n Bereichen zu reinigen (mit alkoholisc­hen Lösungen oder Seife).

Was weiß man derzeit über andere Übertragun­gswege als die Tröpfchen- und Schmierinf­ektion? Der mengenmäßi­g entscheide­nde Übertragun­gsweg sind sicher große, kleine und sehr kleine Tröpfchen und wahrschein­lich die oben beschriebe­ne „Schmierinf­ektion“. Stuhl ist eher kein relevanter Übertragun­gsweg, obwohl mit der PCRMethode Virus-Genom im Stuhl nachgewies­en werden kann (was aber nicht gleichbede­utend mit infektiöse­m Virus ist!). Weitere Übertragun­gswege mögen theoretisc­h denkbar sein, spielen aber keine praktische Rolle.

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FOTO: OH Der Virologe Professor Thomas Mertens ist Vorsitzend­er der Ständigen Impfkommis­sion am Robert KochInstit­ut. Vorher leitete Mertens das Institut für Virologie des Universitä­tsklinikum­s Ulm.

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