Personalmangel
Den Pflegedienstleistern fehlen die Betreuungskräfte aus Osteuropa.
- Die 24-Stunden-Betreuung ist ohne osteuropäische Helferinnen nicht machbar. Noch sind viele von ihnen im Land. Doch Pflegevermittler auf der Ostalb sorgen sich um den Nachschub.
Die Kunden von Claudia Legner sind gut versorgt. „Zumindest bis nach Ostern“, sagt Legner. Über ihre Agentur „Pflegevermittlung mit Herz“vermittelt sie osteuropäische Kräfte für die 24-Stunden-Betreuung zu Hause, auch im Ostalbkreis, etwa in Stimpfach und Abtsgmünd oder in Oberkochen, wo sie aufgewachsen ist. Ihre Erfahrungen sind durchweg gut, ihre Kunden zufrieden. Doch seit sich das Corona-Virus immer mehr ausbreitet, macht sie sich Sorgen, wie es nach Ostern weitergehen soll. „In Osteuropa wird die Lage in Deutschland als gefährlich wahrgenommen. Das verunsichert viele“, sagt Legner. Die Folge: die Helferinnen wollen schnell nach Hause oder sie kommen erst gar nicht.
Deutlich verschärft werde die Situation durch die Reisebeschränkungen und die nach Ländern unterschiedlichen Vorgaben. „Eine Frau aus Ungarn konnte jetzt nicht einreisen, weil sie an der Grenze einen positiven Test vorweisen muss“, so Legner. An so einen Test komme man in Ungarn aber nur sehr schwer.
Legner vermittelt Kräfte, fast immer Frauen, aus Polen, Ungarn, Rumänien und der Slowakei – für jedes Land gelten andere Bestimmungen: „Die Agenturen brauchen Klarheit, unter welchen Bedingungen Pflegekräfte einreisen dürfen und einheitliche Regeln für alle Länder.“
Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege befürchtet, schon bald könnten in Deutschland ein bis zwei Drittel der ungefähr 300 000 Betreuungskräfte fehlen, die regelmäßig hierher kommen, um alte Menschen in ihren eigenen vier Wänden zu versorgen. Bei der so genannten 24-Stunden-Pflege werden Betreuerinnen aus osteuropäischen Ländern an alte Menschen vermittelt. Sie leben im Haushalt mit, übernehmen neben pflegerischen Aufgaben auch Bügeln, Waschen oder Kochen, gehen Einkaufen oder begleiten bei Arztbesuchen. Die medizinisch angeordnete Pflege übernehmen sie in aller Regel nicht. Angestellt sind sie bei Agenturen in ihren Heimatländern.
Der Aufenthalt erfolgt nach dem Entsendemodell. Meist dauern die Einsätze zwischen zwei und drei Monaten, dann wird gewechselt. Diesen Zeitpunkt versuchen die hiesigen Agenturen nun hinauszuzögern, weil sie nicht wissen, ob überhaupt noch Nachschub kommt.
Alle polnischen Kräfte hätten ihr zugesichert, bis nach Ostern zu verlängern. „Bei einer Rückkehr nach Polen, müssten sie dort 14 Tage in Quarantäne. Das hat sie dazu bewogen, doch noch hier zu bleiben“, sagt Legner erleichtert. Wie es danach weitergehe, wisse sie noch nicht.
„Das Angebot an arbeitswilligen Betreuerinnen ist gerade einfach knapp“, so Legner. Der erste Kunde habe ihr schon gekündigt, weil sie ihm nach Ostern keine Betreuung zusichern konnte.
„Bisher sind noch alle Kunden versorgt“, sagt Armin Geiger, der mit der „Sozialagentur Nordwürttemberg“an knapp 100 Kunden Betreuungskräfte vermittelt, viele davon im Raum Aalen und auch in Ellwangen, wo er mit der Agentur „Handin-Hand“zusammen arbeitet. „Wir haben auf die neue Situation sehr schnell reagiert und mit allen Betreuungskräften gesprochen. Wir setzen alles daran, die Mitarbeiterinnen zum Bleiben zu bewegen“, so Geiger.
Weil er für die rund 100 Haushalte etwa doppelt so viele Helferinnen im Einsatz hat – sie wechseln sich ab – kann er bisher noch flexibel reagieren: „Wenn ein alter Mensch kurzfristig ins Krankenhaus muss, dann wird eine Betreuerin frei“. So gelinge es ihm, auch neue Anfragen zu bedienen.
Anreisen von Helferinnen gebe es dagegen kaum noch: „Aus Litauen, Tschechien und der Slowakei sind aktuell überhaupt keine Reisen möglich“, so Geiger. Polen gehe noch, doch der Aufwand und der zeitliche Vorlauf seien erheblich größer geworden. „Vor der Krise konnte ich
„Die Agenturen brauchen Klarheit und einheitliche Regelungen“
innerhalb von sieben Tagen eine Hilfe vermitteln, jetzt dauert es deutlich länger.“
So konnte er einer Familie in Aalen erst in etwa zwei Wochen jemand zusagen. „Bis dahin überbrücken die Angehörigen das selbst“, so Geiger.
Früher, also vor dem Ausbruch der Pandemie, seien die Frauen mit dem Flixbus oder mit Minibussen angereist, jetzt dürften nur noch maximal zwei Personen in einem Fahrzeug transportiert werden, ausgerüstet mit Desinfektionsmitteln und Mundschutz. Schon aus diesem Grund sei es schwierig, genügend neues Personal in die Region zu bringen.
Dabei steigt die Nachfrage nach solchen Hilfen: „In den vergangenen Tagen kommen mehr Anfragen als sonst.“Der Grund: „Die Pflegeheime können nicht so schnell aufnehmen.“Auch Legner sieht hier einen Flaschenhals: „Die Pflegeheime waren schon vor der Coronakrise sehr gut belegt. Derzeit sind Neuaufnahmen problematisch“, so die Erfahrung der Vermittlerin. Die Unsicherheit in den Heimen sei groß - und sie wächst mit steigenden Infektionszahlen. Jeder neue Heimbewohner müsse eigentlich für 14 Tage abgesondert werden.
Auch Viktor Wall, der mit seinem „Pflegedienst Wall“ebenfalls in der
Claudia Legner, „Pflegevermittlung mit Herz“
Region Betreuungskräfte vermittelt, steht vor diesen Problemen. Wie alle Vermittler arbeitet er mit Agenturen in den Heimatländern zusammen und das funktioniere sehr gut. „Man hat mir dort für den 1. April eine neue Kraft zugesichert, aber ich weiß noch nicht, wie die Frau zu uns kommen soll.“
Für ihn sind momentan 15 Betreuerinnen im Einsatz, alle stammen aus Polen und alle haben ihren Aufenthalt auf seine Bitte hin verlängert. So konnte Wall vorerst alle seine Kunden versorgen.
Neben der Vermittlung der häuslichen Betreuung betreibt er auch eine Tagespflege, die er jetzt schließen und die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken musste. Seine Einnahmen sind auf Null gesunken.
Unterstützt werden die osteuropäischen Helferinnen häufig von ambulanten Pflegediensten, die „medizinische angeordnete Pflegemaßnahmen ausführen“, wie Maren Kupka sagt, Presseverantwortliche von den Johannitern im Ostalbkreis - also etwa Spritzen setzen oder Verbände wechseln. „Wir haben die Kapazitäten, Lücken zu füllen, wenn diese Helfer abreisen“. Es gebe jedoch Gespräche, deren Aufenthalt zu verlängern. Außerdem würden viele Angehörige jetzt im Homeoffice arbeiten oder sind in Kurzarbeit und kümmern sich deshalb selbst um die Pflegebedürftigen. „Aktuell haben wir genügend Pflegekräfte“, versichert Kupka: „Wir sehen noch keinen Engpass, jedoch steigenden Bedarf.“Trotz der Schwierigkeiten ist sich
Viktor Wall sicher, dass es eine Lösung geben wird: „Das wird schon weitergehen. Die Agenturen in den Entsendeländern müssen für Nachschub sorgen, sonst eskaliert es hier.“