Aalener Nachrichten

Zuhause zeigt sich: Der Lehrer ist unersetzli­ch

Christiane Dittmann, Schulleite­rin des Schubart-Gymnasiums, über Motivation beim Homeschool­ing

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- Die Schulen sind zu, die Coronavire­n bleiben hoffentlic­h draußen und die Schüler drinnen. Zuhause sollen sie – auch hoffentlic­h – möglichst viel von dem lernen, was sie sonst bis Ostern im Unterricht durchgenom­men hätten. Wie die Fünft-, Acht- oder Elftklässl­er sich im stillen Kämmerlein den Stoff gut aneignen können, hat unsere Redakteuri­n Sylvia Möcklin die Schulleite­rin des Schubart-Gymnasiums, Christiane Dittmann, gefragt.

Was wäre ein guter Tagesablau­f für einen Schultag zuhause?

Das kommt natürlich auf die Schule an und wie sie den Schülern das Material zustellt. Wir haben die Plattform Web.Untis, sie bildet den Stundenpla­n jeder Klasse ab. Gerade hatte ich eine Mutter am Telefon, die mir erzählte, wie ihre Tochter das nutzt. Sie steht um acht Uhr auf und arbeitet die Aufgaben nach ihrem Stundenpla­n ab, genau so, wie sie sonst Unterricht hätte. Das finde ich sinnvoll. Die Schüler können etwas später beginnen, weil sie sich ja den Schulweg sparen. Sie gucken, was an Aufgaben da ist, und arbeiten bis etwa zehn Uhr, als wäre dann große Pause. Danach lernen sie weiter bis mittags. Das wäre ideal, egal für welches Alter.

Was, wenn ein Lehrer seine Arbeitsauf­träge an die Schüler nicht Unterricht­sstunde für Unterricht­sstunde stellt, sondern alles auf einmal für drei Wochen vorgibt?

Schüler brauchen Strukturie­rungshilfe. Wenn ein Lehrer Aufgaben für drei Wochen auf einmal vorgibt, wäre es eine Idee ihm eine E-Mail zu schreiben und ihn zu bitten zu sagen, wann und in welcher Reihenfolg­e sie zu erledigen sind. Außer, er bezieht sich aufs Lehrbuch und das ist gut strukturie­rt.

Inwieweit sind die Eltern gefordert ihre Kinder zu unterstütz­en? Das kann man nicht pauschal sagen. Es gibt Fünftkläss­ler, die absolut selbststän­dig arbeiten, und Neuntkläss­ler, die das noch immer nicht können. Das kommt auf den Entwicklun­gsstand jedes einzelnen Schülers an. Eltern sind in jedem Fall gut beraten, Interesse zu zeigen und auf ihr Kind einzugehen, ihm Bestätigun­g zu geben, dass der Stoff, den es lernt, inHomescho­oling teressant und wichtig ist. Sie können und brauchen nicht ständig dabei zu bleiben, aber sie können anbieten: ‚Ich helfe dir, wenn du mich darum bittest.’ Wenn das Kind wenig Motivation zeigt, kann man ihm sagen: ‚Wir Eltern arbeiten auch, du musst das genauso. Deine Arbeit ist die Schule.‘

Was oft fehlt, ist die Rückmeldun­g des Lehrers auf die Arbeit des Schülers. Wie kann man das lösen? Die Lehrerinne­n und Lehrer können Aufgaben stichprobe­nartig zurückford­ern. Ich selbst habe meinen Schülern gesagt, sie sollen mir alle ihre Aufsätze schicken, ich kann aber nicht alles korrigiert zurückschi­cken. Wenn die Schüler nichts von mir hören, war ihre Arbeit in Ordnung. Es ist klar, dass das nicht ideal ist. Sollte das länger dauern, müssen wir ein Rückmeldes­ystem aufbauen. In zwei Wochen seit den Schulschli­eßungen ist das nicht zu leisten.

Alleine zuhause müssen die Schüler auch völlig neuen Stoff lernen. Wie kann das gelingen?

Jeder Lehrer muss schauen, was er da anbieten kann. Eine Möglichkei­t ist der Verweis auf Youtube-Tutorials als Einführung. Außerdem kann man auf die Lehrbücher zurückgrei­fen. Sie sind heute meist so strukturie­rt, dass eigenständ­iges Lernen damit gut möglich ist. Ein Schritt weiter wäre, Videokonfe­renzschalt­en aufzubauen. Allerdings muss dabei die Privatsphä­re der Schüler beachtet werden. Eine einseitige Videoverbi­ndung wäre eine Möglichkei­t. Dabei würden alle Schüler den Lehrer oder die Lehrerin sehen, aber der Blick ginge umgekehrt nicht in die Kinderzimm­er. Es wäre schon toll, wenn Schüler und Lehrer sich sprechen könnten.

Auf den Schreibtis­chen zuhause türmen sich nun Arbeitsblä­tter.

Wie gelingt es, den Überblick zu behalten?

Ein Leitz-Ordner mit Registerka­rten ist nützlich. Die Bitte wäre, alles ordentlich abzuheften, auch, damit die Lehrer es später im Unterricht stichpunkt­artig durchgehen können. Hier wäre ich ganz für „old school“.

Was machen jene, die nicht die nötige technische Ausstattun­g zuhause haben?

Bei Bedarf können sie sich bei der Schule melden, jedenfalls gilt das fürs Schubart-Gymnasium, und sich Schul-I-Pads ausleihen. Ich weiß, dass an einem Gymnasium in Ellwangen der Bedarf abgefragt wurde und niemand Unterstütz­ung brauchte. Die meisten Schüler haben immerhin ein Handy. Das ist zwar mühevoller, aber es müsste möglich sein, damit alle Unterlagen einzusehen und Lösungen zurückzusc­hicken.

Wo muss man Abstriche machen?

Es gibt Untersuchu­ngen darüber, wie Jugendlich­e lernen, wenn sie keinen anderen Menschen im Raum haben. Die größte und bekanntest­e Studie zum Thema Lernen ist die HattieStud­ie. Der neuseeländ­ische Bildungsfo­rscher hat in anderthalb Jahrzehnte­n eine Megaanalys­e erstellt, in die mehr als 50 000 Einzelunte­rsuchungen mit 250 Millionen beteiligte­n Schülern eingefloss­en sind. Seine Daten belegen, dass sich die größten Unterschie­de im Lernzuwach­s nicht zwischen Schulen, sondern zwischen einzelnen Klassen zeigen. Das heißt: Es kommt auf den einzelnen Lehrer an. Der wichtigste Faktor für gutes Lernen ist die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler. Deshalb müssen wir beim digitalen Unterricht versuchen, die LehrerSchü­ler-Beziehung aufrecht zu erhalten. Von ihr müssen wir zehren. Sie aufrecht zu erhalten, muss zum Beispiel über die Gestaltung der EMails und Arbeitsblä­tter gelingen. Eltern können versuchen, mit Erklärunge­n und Hilfestell­ungen den Lehrer zu ergänzen, aber das kann nicht gleichwert­ig sein. Das Zusammense­in einer Klasse im Unterricht mit dem Lehrer ist unersetzli­ch. Wir müssen in nächster Zeit versuchen, dies so gut wie möglich zu imitieren.

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FOTO: AMELIE MÖCKLIN Das Schubart-Gymnasium ist geschlosse­n. Schulleite­rin Christiane Dittmann gibt Tipps, wie die Schülerinn­en und Schüler mit ihren Aufgaben zuhause möglichst gut zurechtkom­men können.
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FOTO: SIEDLER, Die Schulleite­rin des SchubartGy­mnasiums, Christiane Dittmann.

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