Wenn das Virus auf die Seele drückt
Alkoholmissbrauch, häusliche Gewalt oder Depressionen: Die Corona-Krise hat nicht nur gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen
- Nicht nur für die körperliche Gesundheit der Menschen ist die Corona-Krise eine Herausforderung. Einsamkeit und Existenzangst machen sich breit.
Vor allem Menschen, die psychisch vorbelastet sind, leiden unter der Einsamkeit. Bei der Telefonseelsorge dreht sich mittlerweile jeder zweite Anruf um das Thema Corona, wie Stefan Plöger von der Telefonseelsorge Ulm mitteilt.
Einsamkeit und häusliche Isolation kann eine Krisensituation für manche Menschen sein. „Wichtige Themen bei uns sind zum Beispiel der Umgang mit der Angst oder verstärkte Gefühle von Einsamkeit. Das ist natürlich besonders schwer für Menschen, die ohnehin belastet sind“, sagt Stefan Plöger.
Bei den Beratungsstellen der Diakonie sind die Anfragen noch nicht exorbitant gestiegen, sagt Geschäftsführerin Sylvia Caspari. „Wir sind da für Menschen, die einsam zu Hause sitzen“, so Caspari. Konkrete Corona-Nachfragen habe es bislang nicht gegeben, sie rechnet aber damit, dass in den kommenden Wochen der Gesprächsbedarf bei den Menschen wachsen werde. „Das wird vermutlich kommen, wenn Themen wie Schuldnerberatung, Arbeitslosigkeit oder Alkoholmissbrauch ,bedingt durch die Einsamkeit, aufkommen“, erklärt die Diakonin. Allerdings merkten die Berater, dass bei vielen Gesprächen, Angst der Anrufer mitschwinge. „Die Beratungen dauern im Großen und Ganzen länger. Viele Menschen machen sich zum Beispiel Sorgen, ob sie in Zukunft noch genug zum Leben haben werden.“
Auf die Situation von Frauen und Mädchen macht Solwodi, eine Menschenrechtsund Hilfsorganisation für Frauen und Mädchen, in einer Pressemitteilung aufmerksam. „Gewalt nimmt in Krisen oft zu. Wir müssen davon ausgehen, dass bei Familien und Paaren, die in Isolation oder Quarantäne mehr Zeit miteinander verbringen müssen als sonst, sehr angespannte Situationen entstehen und Aggressionen zunehmen können. Hinzu kommen vielleicht noch finanzielle Sorgen“, wird der deutsche Frauenrat dort zitiert. Man befürchte einen rapiden Anstieg von häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder.
Auch Uta Steybe, Beauftragte für Chancengleichheit und demografischen Wandel bei der Stadt Aalen, kann sich vorstellen, dass Frauen und Kinder in den kommenden Woche zum Opfer werden könnten. „Wenn in der häuslichen Isolation Alkohol eine Rolle spielt, ist häusliche Gewalt nicht mehr weit“, so die Beraterin. Bislang sei es aber im Zuge der Corona-Krise noch nicht zu vermehrter Gewalt gekommen. Diesen Eindruck bestätigt auch Rudolf Biehlmaier, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen. Einen Anstieg der Straftaten im Bereich der häuslichen Gewalt spüre man derzeit noch nicht. Allerdings sei der Betrachungszeitraum hier noch zu kurz.
Bei der Stadt Aalen hat man in den vergangenen Tagen viele neue Hilfsangebote initiiert. Eine davon ist eine Hotline, bei der Hilfe in unterschiedlichen zehn Sprachen, nämlich Türkisch, Russisch, Englisch, Französisch, Urdu, Tamil, Albanisch, Persisch, Arabisch und Kurdisch, angeboten wird.
Die Telefonberater sind zum Einen Mitarbeiter von Uta Steybe, zum Anderen Flüchtlinge, die von sich aus ihre Hilfe angeboten hatten. „Dadurch dass diese sich gemeldet und gefragt haben, wie sie helfen können, sind wir überhaupt auf die Idee gekommen, diese Hotline anzubieten“, so Steybe. Die Berater sitzen, räumlich getrennt, in den Räumen der Volkshochschule. Dabei ist sicher gestellt, dass immer ein sozialpädagogischer Mitarbeiter dabei ist, um im Problemfall entsprechend handeln zu können.
Die Anrufer bewegt zum Teil die Krankheit, aber auch die Folgen. So wollten viele wissen, wann man in Quarantäne muss oder wie das Testverfahren ablaufe, so Steybe. Eine Anruferin sei stark depressiv gewesen, mit ihr habe man direkt einen Arzttermin vereinbart. Menschen mit Fluchterfahrung seien zum Teil über die einschneidenden Änderungen, die die Corona-Krise im Alltag mit sich bringe, re-traumatisiert. „Der neuralgische Punkt war hier die Schließung des Rathauses“, so Steybe. Bis jetzt sei geplant, die Hotlines bis Ostern zu schalten und dann zu evaluieren.