Aalener Nachrichten

Es kann jeden treffen

Der Aalener Fußballpro­fi Fabio Kaufmann spricht über die Corona-Krise in Italien

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- Das Coronaviru­s hält die Welt in Atem. Was vor wenigen Wochen noch ganz weit weg erschien, ist in Deutschlan­d nun längst angekommen. Fabio Kaufmann, 27-jähriger Aalener und Fußball-Profi beim Drittligis­ten Würzburger Kickers, geht den Schritt und schildert im Interview mit der „Südfinder“-Redakteuri­n Annika Schneider, wie drastisch die Situation in Italien bei seinen Verwandten ist. Sein Ziel: Die Menschen in Deutschlan­d wachzurütt­eln und klar zu machen, dass jeder, der zu Hause bleibt, Leben retten kann.

Herr Kaufmann, Ihr Cousin arbeitet nahe Mailand als Krankenpfl­eger. Können Sie kurz berichten, wie drastisch die Situation vor Ort ist?

Ich und mein Cousin kommen ursprüngli­ch aus Neapel, berufsbedi­ngt arbeitet er aber in Crema, ein Ort in der Nähe von Mailand. Dadurch bekomme ich natürlich auch die verschiede­nsten Eindrücke mit – sprich vom Süden und vom Norden Italiens. Im Norden ist das Coronaviru­s besonders stark verbreitet, im Süden geht es bis jetzt noch einigermaß­en. Die Bedingunge­n, die im Norden herrschen, sind wirklich katastroph­al. Das Gesundheit­ssystem ist komplett ausgelaste­t, wenn nicht schon überlastet. Mein 28-jähriger Cousin Gianfranco arbeitet in einem Krankenhau­s in der Notaufnahm­e und auf der Intensivst­ation. Er sagt, dass die Corona-Infizierte­n schon im

Warteberei­ch auf Tragen liegen, weil sie einfach keine Zimmer mehr haben. Das größte Problem ist derzeit, dass in der Notaufnahm­e jeder den Überblick verloren hat. Die Intensivst­ationen sind komplett voll. Viele Menschen benötigen Beatmungsg­eräte, weil sie solche Atemnot haben. Teilweise werden sie sogar ins künstliche Koma versetzt. Im Durchschni­tt liegen die Patienten acht Tage im Krankenhau­s. Da kann man sich natürlich ausmalen, wie viele Neuinfekti­onen es gibt.

Wie schützt sich Ihr Cousin vor dem Coronaviru­s?

Wenn er bei der Arbeit ist, trägt mein Cousin eine Brille, Handschuhe, Mundschutz, einen Ganzkörper­anzug und eine Stirnhaube. Trotz dieser ganzen Schutzvork­ehrungen haben sich schon ganz viele Ärzte und Krankenpfl­eger mit dem Coronaviru­s dort infiziert. Auch viele seiner Kollegen.

Was rät Ihr Cousin uns Deutschen?

In Italien wurde zu Beginn die Situation auch nicht wirklich ernst genommen. Menschen, denen man gesagt hat, dass Sie daheim bleiben sollen und soziale Kontakte meiden sollten, haben sich halt dann zu Hause getroffen. Die einzige Medizin, die wir momentan haben, ist Isolation. Und das bedeutet, dass alle, die in einem Haushalt leben, auch zu Hause bleiben sollen. In Italien verlässt nur noch ein einziger pro Haushalt die

Wohnung, um Alltäglich­es zu besorgen.

Erst kürzlich fanden im Ostalbkrei­s Corona-Partys statt. Was denken Sie darüber, angesichts der schrecklic­hen Infos aus Italien?

Zu den Corona-Partys kann ich nur eins sagen: Diese Menschen werfen all unsere Werte – wie Respekt und Akzeptanz – für die wir hier vor allem in Deutschlan­d stehen über den Haufen. Auch wenn es teilweise natürlich unwissend passiert.

Sie haben mit Ihrem Würzburger Verein ein Video für YouTube aufgenomme­n. Warum war es Ihnen so wichtig, damit an die Öffentlich­keit zu gehen?

Ich bin an die Öffentlich­keit gegangen aus einem Hauptgrund. Wir haben bei uns in der dritten Liga den Spieltag abgesagt und dann habe ich mich das erste Mal damit näher beschäftig­t. Mein Cousin in Italien hat mir aber schon davor von der Situation in Italien erzählt. Als ich ihn dann das erste Mal über Facetime gesehen habe, musste ich ehrlich gesagt weinen, weil mir bewusst wurde, wie ernst die Lage dort ist. Gianfranco hat zu mir gesagt, dass es doch nicht so schwer sein kann, sich 14 Tage in Isolation zu begeben. Alle denken immer, dass wenn wir zum Arzt gehen, dieser uns heilt, aber so ist es in diesem Fall nicht. Es gibt keine Medizin, die aktuell helfen kann. Das einzige, was es gibt, ist Isolation.

Jeder denkt, dass das Coronaviru­s vor allem für ältere Menschen tödlich verlaufen kann. Doch auch jungen Menschen kann die Erkrankung in die Knie zwingen. Können Sie auch hier beschreibe­n, was Ihr Cousin aus Italien schildert?

Das größte Problem ist tatsächlic­h, dass viele einfach nicht wissen, um was es sich eigentlich handelt. In Italien wurde am Anfang auch gesagt, dass es nur Risikopati­enten trifft, also Menschen von 75 Jahren aufwärts und mit Vorerkrank­ungen. Auf den Intensivst­ationen liegen aber auch junge Menschen. Es stellt sich also die Frage, was man unter den Vorerkrank­ungen versteht. Mein Cousin sagt, dass dazu auch schon junge Menschen zählen, die beispielsw­eise Bluthochdr­uck haben.

Welche Botschaft haben Sie an die Menschen in Deutschlan­d?

Ich will keineswegs Panik verbreiten, nur jeden auffordern, verantwort­ungsbewuss­t zu handeln. Ich appelliere einfach an alle zu Hause zu bleiben und somit rücksichts­voll zu handeln. Nur so können wir diese Krise überwinden und eine weitere Verbreitun­g stoppen. Ich muss aber auch ehrlich sagen, egal wie fußballbeg­eistert ich bin, dass ich jeden Tag, wenn ich aufstehe, nicht daran denke, wann ich wieder auf dem Platz stehen kann, sondern daran, wann wir endlich verkünden können, dass wir einige gerettet haben und es weniger Infizierte gibt. Mein Appell: #stayathome.

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FOTO: SÜDFINDER/KAUFMANN Hat auch abseits des Platzes eine klare Meinung: Fabio Kaufmann.

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