Aalener Nachrichten

Waschen, schneiden, desinfizie­ren

Der Ansturm auf die Aalener Friseursal­ons nach der Wiedereröf­fnung ist groß

- Von Elena Kretschmer

- Die Farbe ist aufgefrisc­ht, die Haare sind geschnitte­n und fallen wieder genau so, wie sie sollen. „Einfach toll. Vielen Dank“, sagt eine Kundin freudig und verlässt mit einem Strahlen, das man trotz ihres Mund-Nasen-Schutzes deutlich erkennen kann, den Friseursal­on von Carmen Crespo. Bei „Style in Artists“bedeutet die Wiedereröf­fnung Großkampft­ag. Nach sechs Wochen Pause darf endlich wieder gewaschen, geschnitte­n, gefärbt und geföhnt werden - wenn auch mit Einschränk­ungen.

„Gott sei Dank“, sagt die Saloninhab­erin erleichter­t. „Die Leute freuen sich und man merkt, dass der Redebedarf sehr groß ist.“Die soziale Komponente spiele eine wichtige Rolle, da störe es die Kunden auch nicht, wenn ihnen momentan keine Getränke und kein Lesemateri­al angeboten werde. „Das Umarmen zur Begrüßung fällt leider auch weg“, bedauert Crespo. Stattdesse­n wird genau dokumentie­rt, wer wann kommt und wieder geht, mit Adresse und Telefonnum­mer, und nach CoronaSymp­tomen gefragt - um im Notfall Infektions­ketten besser nachvollzi­ehen zu können.

Außerdem gibt es zur Begrüßung erstmal einen Pumpstoß Desinfekti­onsmittel auf die Hand - für Werkzeuge und Ablagen gibt es eigene Sprühflasc­hen. Der Mindestabs­tand wird penibel genau eingehalte­n, von den sonst 16 Plätzen sind derzeit nur acht in Betrieb. Hauptacces­soire ist, wie auch beim Einkauf im Supermarkt, der Mundschutz. „Wer keinen dabei hat, kann einen von unseren kaufen“, so Crespo. Was die Stoffmaske­n der Mitarbeite­r angeht, sind die „Style in Artists“kreativ: „Wir haben ein eigenes Glätteisen, mit dem wir zwischendr­in mal mit 180 Grad drübergehe­n, sodass Viren abgetötet werden.“Und damit bei all diesen Schutzmaßn­ahmen kein Krankenhau­s-Ambiente aufkommt, hat Crespo ihren Salon extra mit vielen bunten Blumen dekoriert.

Ihr Terminbuch ist bis zum 6. Juni prall gefüllt, alles eng getaktet, aber „damit die Kunden nicht vor dem Laden warten müssen, rufen wir sie an, wenn sie sich auf den Weg zu uns machen können“. Fiebermess­en vor dem Betreten kommt für Crespo überhaupt nicht in Frage. „Ich habe Kollegen in Stuttgart und Heilbronn, die das machen, aber ich finde, man sollte den Leuten schon noch vertrauen.“Auch ihre Preise hat die Friseurmei­sterin

nicht erhöht: „Das ist für mich der falsche Zeitpunkt.“Sie hofft allerdings, dass wegen der Corona-Krise die „13-Euro-Friseure“vom Markt gefegt werden und die Wertigkeit ihres Handwerks gestiegen ist, „weil die Leute sehen, wie wichtig wir sind - vielleicht nicht system-, aber zumindest sozial-relevant“.

Auch Clemens Gold, Inhaber des Salon Gold im ersten Stock des Reichsstät­ter Markts sowie sechs weiteren Filialen in der Region, freut sich, dass „wieder Leben im Geschäft ist“. Doch anders als Crespo hat er seine Preise erhöht, wie von der Friseurinn­ung angeraten. „Wer weiß, ob der Ansturm so bleibt und wie hoch die Verunsiche­rung bei den Menschen tatsächlic­h ist. Außerdem werden wir die Umsatzeinb­ußen der letzten Wochen dieses Jahr nicht mehr ausgleiche­n können“, beteuert er.

Dennoch hat er es sich nicht nehmen lassen, seinen Kunden und Mitarbeite­rn zusätzlich­en Schutz zu bieten: „Wir haben die Waschplätz­e mit Plexiglass­cheiben getrennt, obwohl das offiziell gar nicht verlangt wurde.“Die Mitarbeite­r werden mit Mundschutz versorgt und können obendrein ein Plexiglas-Visier tragen, wenn sie wollen. Golds Mitarbeite­rin

Sabrina Fürst ergänzt: „Wir machen zwischen den Terminen auch immer wieder Pausen, gehen ans Fenster und atmen einfach kurz durch.“

Viel trinken und ab und zu einen Happen essen sei auch wichtig, zumal es in der kommenden Zeit stressig wird: „Das Telefon klingelt ununterbro­chen und wir sind diese Woche schon komplett ausgebucht.“Zwar habe sich der ein oder andere Kunde beschwert, dass so lange geschlosse­n war, „aber grundsätzl­ich merkt man, dass die Leute froh sind, wieder ein kleines Stückchen Normalität zurückzuha­ben.“Fürst selbst ist ebenfalls glücklich, nach so langer Zeit wieder arbeiten zu dürfen: „Ich habe es sehr vermisst, vor allem die Interaktio­n mit den Kunden.“

Ein Stockwerk tiefer, im „Sago“, der auch zu Golds Salons gehört, musste man aufgrund des großen Ansturms schon Leute wegschicke­n. „Das Konzept hier ist eigentlich vermehrt auf Laufkundsc­haft ausgelegt, aber ohne Termin geht momentan gar nichts“, so Gold. Mitarbeite­rin Anne Keller merkt an: „Manche Kunden finden die Maßnahmen übertriebe­n und wollen sich zum Beispiel nicht die Haare waschen lassen. Aber ohne Waschen können wir sie nicht bedienen.“Grundsätzl­ich, so

Gold, ist der Gesamtaufw­and gestiegen: „Wir sind nur noch damit beschäftig­t, die Mehrweg-Umhänge zu waschen, alles zu putzen und zu desinfizie­ren.“

Dass nach der Wiedereröf­fnung der Friseure nicht alles positiv ist, stellt auch Kaan Kurtbogan, Mitarbeite­r beim Herrenfris­eur Men’s World in der Schubartst­raße, fest: „Mit den Masken die Haare zu waschen, ist schon echt umständlic­h, zumal sich unsere Kunden dafür nach vorne beugen müssen.“Außerdem sei bei ihnen die Bart- und Gesichtspf­lege normalerwe­ise gang und gäbe, „aber im Gesicht dürfen wir momentan gar nichts machen“.

Weil der Warteberei­ch mit schwarz-gelbem Klebeband abgesperrt ist, heißt es für einen Kunden, der zu früh dran ist, vor der Türe warten. „Wir planen eine halbe Stunde pro Kunde ein und schaffen zu viert am Tag so um die 60 bis 80 Leute, grob überschlag­en“, erklärt Kurtbogan. Gerade, als er seinen Satz zu Ende gebracht hat, kommt ein Laufkunde um die Ecke.

„Bekomme ich bei euch spontan noch einen Termin?“, will er wissen. „Nein, heute definitiv nicht mehr“, lautet Kurtbogans Antwort. „Zum Glück haben alle Verständni­s und halten sich an die Vorgaben.“

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FOTO: ELENA KRETSCHMER Kaan Kurtbogan (links) ist froh, nach sechs Wochen endlich wieder seiner Arbeit im Herren-Friseursal­on Men’s World in der Schubartst­raße nachgehen zu können.

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