Aalener Nachrichten

Auch in Ellwangen klagen Verbrauche­r gegen VW

Welche Arbeit der Dieselskan­dal dem Landgerich­t macht und wie es meistens entscheide­t

- Von Alexander Gässler

- Tausende Dieselfahr­er blicken gespannt nach Karlsruhe. Denn ab diesem Dienstag befasst sich der Bundesgeri­chtshof mit dem VW-Abgasskand­al. Der Rechtsstre­it über die Entschädig­ung Hunderttau­sender Kunden ist sozusagen in der höchsten Instanz angekommen. Was viele nicht wissen: Auch am Landgerich­t Ellwangen sind zahlreiche Klagen gegen Volkswagen anhängig.

Konkret geht es in Karlsruhe um den Fall eines Klägers aus Rheinland-Pfalz. Er will das 2014 gekaufte Familienau­to an Volkswagen zurückgebe­n und den damals bezahlten Preis in Höhe von 31 490 Euro voll erstattet haben.

Das Landgerich­t Bad Kreuznach hatte die Klage zunächst abgewiesen, das Oberlandes­gericht Koblenz dem Mann dagegen einen Teil des Geldes zugesproch­en – rund 25 600 Euro. VW und Kläger legten Einspruch ein.

Die spannende Frage ist nun, ob der Bundesgeri­chtshof zugunsten der Verbrauche­r entscheide­t. Jürgen Nagel erläutert, worum es konkret geht – nämlich um die Frage, ob die Nutzung des Fahrzeugs vom Kaufpreis in Abzug zu bringen ist oder ob Verbrauche­r ihr gebrauchte­s Auto zurückgebe­n dürfen, ohne dass die gefahrenen Kilometer angerechne­t werden.

Nagel ist Vizepräsid­ent des Ellwanger Landgerich­ts und Vorsitzend­er der 5. Zivilkamme­r. Ihm zufolge sind im Zeitraum von 2017 bis heute im Zusammenha­ng mit dem sogenannte­n Dieselskan­dal gegen die Volkswagen AG gerichtete Klagen beim Landgerich­t Ellwangen in der Größenordn­ung von 1200 eingegange­n.

1200 VW-Klagen allein in Ellwangen: 15 Richterinn­en und Richter am Landgerich­t sind damit befasst. Auch Nagel. In seiner erstinstan­zlichen Zivilkamme­r sind im Jahr 2019 rund 145 Klagen gegen die VW AG eingegange­n. „Das entspricht in etwa einem Viertel der in meiner Kammer im Jahr neu eingehende­n Sachen.“

VW macht dem Landgerich­t viel Arbeit. Aber wie laufen die Verhandlun­gen ab? Die sind, wie Nagel sagt, mündlich, was in Corona-Zeiten natürlich nicht so leicht zu bewerkstel­ligen ist. Ihm zufolge haben die großen Wirtschaft­skanzleien im Vorfeld jede Menge Schriftsät­ze produziert. Vor Gericht erscheinen dann zwei Anwälte, um Anträge zu stellen – einer pro Partei.

Entscheide­nd ist der Kilometers­tand des betreffend­en Dieselauto­s. Die Zivilkamme­rn in Ellwangen ziehen – zumindest bislang – immer einen Vorteilsau­sgleich für die gefahrenen Kilometer ab.

Außerdem muss das Gericht herausfind­en, wann der Kunde davon gewusst hat, dass VW eine Software verbaut hat, um Abgaswerte zu manipulier­en. Auf gut Deutsch: Wann hat der Kunde mitbekomme­n, dass die Sache stinkt. Die Dieselaffä­re ist bekanntlic­h 2015 in den USA aufgefloge­n.

Wie Nagel auf Nachfrage sagt, gibt das Landgerich­t Ellwangen dem Verbrauche­r im Grundsatz nach meistens recht. Dennoch geht das Verfahren dann in aller Regel in die Verlängeru­ng – sprich in Berufung am Oberlandes­gericht Stuttgart.

Dort vergleiche­n sich die Parteien dann zumeist, wie Nagel weiß.

Dass am Ellwanger Landgerich­t Hunderte VW-Prozesse geführt werden, hat einen einfachen Grund: Die meisten Verhandlun­gen finden am Wohnsitz des Klägers statt. Liegt der im Landgerich­tsbezirk, wird in Ellwangen verhandelt.

Manchmal hängt es auch mit dem Ort zusammen, an dem das Fahrzeug verkauft worden ist. Einfaches Beispiel: Aalen gehört zum Landgerich­tsbezirk. Wurde das Auto dort gekauft, kann in Ellwangen geklagt werden. Übrigens befasst sich das Landgerich­t auch mit Klagen gegen Porsche und Daimler.

Bundesweit verlangen Zehntausen­de Verbrauche­r Schadeners­atz von VW. Am Musterverf­ahren des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen hatten sich mehr als 200 000 Dieselbesi­tzer beteiligt. Nachdem sich beide Seiten auf einen Vergleich geeinigt haben, soll ab 5. Mai Geld fließen. Damit sind alle Ansprüche abgegolten.

Die Verbrauche­r, die sich der Musterfest­stellungsk­lage angeschlos­sen haben, können also keinen Nachschlag verlangen, wie Nagel sagt. Egal wie der Bundesgeri­chtshof entscheide­t.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE / DPA Ein Kfz-Meister lädt im Rahmen der Rückrufakt­ion zum Abgasskand­al ein Software-Update auf einen Golf mit einem 2,0-Liter-Dieselmoto­r. Auch am Landgerich­t Ellwangen klagen VW-Kunden auf Schadeners­atz.

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