Auch in Ellwangen klagen Verbraucher gegen VW
Welche Arbeit der Dieselskandal dem Landgericht macht und wie es meistens entscheidet
- Tausende Dieselfahrer blicken gespannt nach Karlsruhe. Denn ab diesem Dienstag befasst sich der Bundesgerichtshof mit dem VW-Abgasskandal. Der Rechtsstreit über die Entschädigung Hunderttausender Kunden ist sozusagen in der höchsten Instanz angekommen. Was viele nicht wissen: Auch am Landgericht Ellwangen sind zahlreiche Klagen gegen Volkswagen anhängig.
Konkret geht es in Karlsruhe um den Fall eines Klägers aus Rheinland-Pfalz. Er will das 2014 gekaufte Familienauto an Volkswagen zurückgeben und den damals bezahlten Preis in Höhe von 31 490 Euro voll erstattet haben.
Das Landgericht Bad Kreuznach hatte die Klage zunächst abgewiesen, das Oberlandesgericht Koblenz dem Mann dagegen einen Teil des Geldes zugesprochen – rund 25 600 Euro. VW und Kläger legten Einspruch ein.
Die spannende Frage ist nun, ob der Bundesgerichtshof zugunsten der Verbraucher entscheidet. Jürgen Nagel erläutert, worum es konkret geht – nämlich um die Frage, ob die Nutzung des Fahrzeugs vom Kaufpreis in Abzug zu bringen ist oder ob Verbraucher ihr gebrauchtes Auto zurückgeben dürfen, ohne dass die gefahrenen Kilometer angerechnet werden.
Nagel ist Vizepräsident des Ellwanger Landgerichts und Vorsitzender der 5. Zivilkammer. Ihm zufolge sind im Zeitraum von 2017 bis heute im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal gegen die Volkswagen AG gerichtete Klagen beim Landgericht Ellwangen in der Größenordnung von 1200 eingegangen.
1200 VW-Klagen allein in Ellwangen: 15 Richterinnen und Richter am Landgericht sind damit befasst. Auch Nagel. In seiner erstinstanzlichen Zivilkammer sind im Jahr 2019 rund 145 Klagen gegen die VW AG eingegangen. „Das entspricht in etwa einem Viertel der in meiner Kammer im Jahr neu eingehenden Sachen.“
VW macht dem Landgericht viel Arbeit. Aber wie laufen die Verhandlungen ab? Die sind, wie Nagel sagt, mündlich, was in Corona-Zeiten natürlich nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Ihm zufolge haben die großen Wirtschaftskanzleien im Vorfeld jede Menge Schriftsätze produziert. Vor Gericht erscheinen dann zwei Anwälte, um Anträge zu stellen – einer pro Partei.
Entscheidend ist der Kilometerstand des betreffenden Dieselautos. Die Zivilkammern in Ellwangen ziehen – zumindest bislang – immer einen Vorteilsausgleich für die gefahrenen Kilometer ab.
Außerdem muss das Gericht herausfinden, wann der Kunde davon gewusst hat, dass VW eine Software verbaut hat, um Abgaswerte zu manipulieren. Auf gut Deutsch: Wann hat der Kunde mitbekommen, dass die Sache stinkt. Die Dieselaffäre ist bekanntlich 2015 in den USA aufgeflogen.
Wie Nagel auf Nachfrage sagt, gibt das Landgericht Ellwangen dem Verbraucher im Grundsatz nach meistens recht. Dennoch geht das Verfahren dann in aller Regel in die Verlängerung – sprich in Berufung am Oberlandesgericht Stuttgart.
Dort vergleichen sich die Parteien dann zumeist, wie Nagel weiß.
Dass am Ellwanger Landgericht Hunderte VW-Prozesse geführt werden, hat einen einfachen Grund: Die meisten Verhandlungen finden am Wohnsitz des Klägers statt. Liegt der im Landgerichtsbezirk, wird in Ellwangen verhandelt.
Manchmal hängt es auch mit dem Ort zusammen, an dem das Fahrzeug verkauft worden ist. Einfaches Beispiel: Aalen gehört zum Landgerichtsbezirk. Wurde das Auto dort gekauft, kann in Ellwangen geklagt werden. Übrigens befasst sich das Landgericht auch mit Klagen gegen Porsche und Daimler.
Bundesweit verlangen Zehntausende Verbraucher Schadenersatz von VW. Am Musterverfahren des Bundesverbands der Verbraucherzentralen hatten sich mehr als 200 000 Dieselbesitzer beteiligt. Nachdem sich beide Seiten auf einen Vergleich geeinigt haben, soll ab 5. Mai Geld fließen. Damit sind alle Ansprüche abgegolten.
Die Verbraucher, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, können also keinen Nachschlag verlangen, wie Nagel sagt. Egal wie der Bundesgerichtshof entscheidet.