Lufthansa-Chef von Einigung überzeugt
Fluggesellschaft sieht sich auf staatliche Hilfe angewiesen, fürchtet aber Überschuldung
(AFP) - Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat sich auf der Hauptversammlung am Dienstag zuversichtlich gezeigt, dass die Verhandlungen mit dem Bund über ein Rettungspaket für die angeschlagene Airline „in Kürze zu einem erfolgreichen Abschluss“führen werden. In den Verhandlungen geht es offenbar um zehn Milliarden Euro. Umstritten ist, ob und wenn ja, welche Mitspracherechte der Staat für die Milliardenhilfe bekommen soll.
- Noch dauern die Verhandlungen der Lufthansa mit der Bundesregierung über Staatshilfen an. „Wir brauchen staatliche Hilfe“, sagte Konzernchef Carsten Spohr auf der virtuellen Hauptversammlung, „aber keine staatliche Geschäftsführung“.
Diese Ansicht teilen viele der Aktionäre, etwa die Fondsgesellschaften Deka und Union Investment. Fragen zur Staatshilfe aber wollte der Vorstand nicht beantworten, immerhin 45 der 246 schriftlich eingereichten Aktionärsfragen drehten sich darum. Denn man habe Vertraulichkeit mit der Bundesregierung über den Fortgang der Gespräche vereinbart. Immerhin: „Auch die Bundesregierung will keine staatlich gelenkte Lufthansa“, versicherte der Lufthansa-Chef den Aktionären. Spekulationen zufolge könnte der Staat für eine Milliarde Euro ein Aktienpaket von gut 25 Prozent erwerben, dann stünden ihm ein oder zwei Sitze im Aufsichtsrat zu. Der Rest der Hilfen könnte über eine stille Beteiligung fließen als auch über einen Kredit der staatseigenen KfW.
In Antwort auf die zuvor schriftlich eingereichten Aktionärsfragen sagte Spohr, niemand im Unternehmen habe ein Interesse daran, dass die Gespräche scheiterten. Nur für den Fall, dass dies doch geschehe, habe man die Möglichkeit eines Schutzschirmverfahrens, also einer Insolvenz in Eigenverwaltung, aufgebracht. Der Lufthansa-Chef bemühte sich also darum, die Wogen zu glätten – denn diese Überlegung war offenbar auch in Regierungskreisen als Drohung aufgefasst worden. Lufthansa stelle keine Bedingungen, versicherte auch Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley.
Neben den Gesprächen in Berlin verhandelt die Lufthansa auch für ihre Tochtergesellschaften in Österreich und Belgien über staatliche Hilfen. Zumindest in der Schweiz sind dem Unternehmen Liquiditätshilfen für die Töchter Swiss und Edelweiss sicher, das Schweizer Parlament billigte gestern die Kreditgarantien des Bundes in Höhe von umgerechnet 1,2 Milliarden Euro.
Zu viele Kredite dürfe die Lufthansa nicht aufnehmen, man dürfe sich nicht überschulden, sagte Spohr: „Das würde uns über Jahre lähmen.“Lufthansa müsse jetzt schon an einem Plan arbeiten, wie sie staatliche Kredite und Beteiligungen so schnell wie möglich wieder zurückführen könne. Und die Politik müsse darauf achten, dass Hilfen nicht zu einer Schieflage im internationalen Wettbewerb führten. Dabei denkt der Lufthansa-Chef vor allem an die USA oder China, die sich jetzt „mit staatlicher Hilfe gesund sanieren“.
Aktuell aber benötigt die Lufthansa 800 Millionen Euro im Monat, um die Kosten zu decken, die Liquidität von aktuell noch vier Milliarden Euro wäre also ohne Hilfe schnell aufgebraucht. Deshalb wäre dem Vorstand auch daran gelegen, dass die Kunden Gutscheine für die Tickets annähmen, die sie bis Ende Mai gebucht hatten – Erstattungen, wie die EU sie bisher fordert, würden das Unternehmen ansonsten weitere 1,8 Milliarden Euro kosten. Die Aktionäre leisten ihren Beitrag, sie stimmten dem Ausfall der Dividende für das Jahr 2019 zu, ein Jahr, in dem die Lufthansa noch einen Milliardengewinn geschrieben hatte. Auch für 2020 werden sie wahrscheinlich leer ausgehen. Vorstand und Aufsichtsrat verzichten auf einen Teil ihrer Vergütung, mehr als 80 000 der 135 000 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf bis zu 90 Prozent könnte das Unternehmen aber nur eine begrenzte Zeit schaffen, deshalb sei man schon in Verhandlungen mit den Gewerkschaften.
Immerhin: Im Juni werde die Lufthansa beginnen, ihren Flugplan wieder spürbar zu erweitern, aber erst 2023 dürfte die globale Nachfrage ein neues Gleichgewicht gefunden haben – auf niedrigerem Niveau. Lufthansa wird die Flotte um 100 Flugzeuge verkleinern, rechnerisch seien das 10 000 Beschäftigte weniger.