Daheimbleiben ohne Zuhause
In der Wohnungslosenhilfe der Caritas sind während der Krise die Plätze knapp.
- Die Tür des orangefarbenen Hauses an der Düsseldorfer Straße steht weit offen. Es herrscht reges Treiben. In wenigen Minuten dürfen die Wohnungslosen von außerhalb ihr Geld abholen. 14,40 Euro stehen ihnen pro Tag zu. Doch während der Corona-Krise wird der Hartz-IV-Betrag nur einmal wöchentlich herausgegeben - montags an die, die im Haus untergebracht sind, und donnerstags an alle anderen. „Es geht einfach darum, den Kontakt so gering wie möglich zu halten“, erklärt Wolfgang Lohner, der die Caritas-Wohnungslosenhilfe in Aalen leitet.
Diese soziale Distanz, die es während der Corona-Krise zu wahren gilt, bekommen natürlich auch Obdachlose zu spüren. Zuhause zu bleiben, wenn man doch gar kein Zuhause hat, ist für sie kein leichtes Unterfangen, doch dank der Notübernachtung und des Aufnahmehauses der Caritas-Ostwürttemberg sowie der Notunterkunft der Stadt Aalen nicht unmöglich. „Unsere Kapazitätsgrenze haben wir noch nicht erreicht, aber es war schon ziemlich voll in letzter Zeit“, weiß Lohner.
Insgesamt stehen den alleinstehenden Wohnungslosen ab 18 Jahren, die zur Caritas kommen, rund 30 Plätze zur Verfügung. „In den ersten zwei bis drei Wochen nehmen wir die Leute in der Notübernachtung auf. Wer danach hier bleiben möchte, kann ins Aufnahmehaus.“Dort werden die Wohnsitzlosen sozialpädagogisch begleitet, mit dem Ziel, das Leben ohne festen Wohnsitz zu verlassen. „Aber wer die Regeln verletzt, also zum Beispiel mehrfach das Alkoholverbot bricht oder gegenüber Bewohnern oder Mitarbeitern gewalttätig ist, der muss gehen“, betont Lohner.
Vor allem während der CoronaPandemie ist es dem Einrichtungsleiter aber ein Anliegen, den Wohnungslosen einen Rückzugsort zu bieten, „wo sie duschen, Wäsche waschen und kochen können und einfach sicher sind“. Einmal die Woche sei zudem eine Ärztin vor Ort. „Normalerweise bieten wir auch viele Tagesangebote, aber die finden momentan nicht statt. Und auch die ehrenamtliche Mitarbeit haben wir bis auf Weiteres eingestellt“. Vor allem für die, die mittlerweile eine Wohnung gefunden haben, aber trotzdem ins Haus der Wohnungslosenhilfe kommen, um ihre sozialen Kontakte zu pflegen und sich auszutauschen, sei dies sehr hart.
Auch die Wärmestube ist derzeit geschlossen - bis auf zwei Ausnahmen, wie Lohner verrät: „Ein Wohnungsloser, der für andere einkauft und einer, der bewusst draußen schläft, aber ab und an vorbeikommt. Die dürfen da sein.“Allgemein will Lohner während Corona niemanden wegschicken. „Wir hatten im März zum Beispiel zeitweise zwölf statt zehn Leute im Aufnahmehaus. Das geht alles irgendwie.“Andererseits habe sich die Notunterbringung auch wieder etwas geleert. „Wir haben Mehrbettzimmer und wenn man sich mit Fremden arrangieren muss, ist das doch nochmal schwieriger und der ,Corona-Koller’ packt einen vielleicht schneller“, mutmaßt Lohner. Umso mehr freue er sich, wenn der Neubau im Herbst fertig wird, „dann haben wir endlich mehr Platz“.
Besonders froh ist der Leiter der Wohnungslosenhilfe auch darüber, dass es bisher noch keine CoronaVerdachtsfälle, geschweige denn -Infektionen gegeben hat. „Die Sorge, dass sich jemand ansteckt, ist groß. Zumal wir es hier mit einer Risikogruppe zu tun haben.“Viele Wohnungslose
haben Vorerkrankungen, sind gesundheitlich angeschlagen aber dieses Problem kenne man schon seit jeher. „Wir achten hier sehr auf die Sicherheitsmaßnahmen, den Abstand, haben überall im Haus Desinfektionsstationen eingerichtet und auch die Bewohner sind sensibilisiert und verhalten sich sehr angemessen - sie sind es ja eher gewohnt, mit Krisen umzugehen“, so Lohner.
„Ich befürchte fast mehr, dass sich die Mitarbeiter irgendwo anstecken.“Doch auch hier wurden Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die
Teams in zwei Schichten eingeteilt, sodass im Notfall die Infektionskette besser nachvollzogen werden könnte. Denn bei fünf Sozialarbeitern in Teilzeit, zwei Verwaltungsangestellten, einem hauswirtschaftlichen Mitarbeiter sowie drei FSJlern sei das ansonsten eher schwierig.
Im Fall einer Quarantäne „müssten wir baulich schauen, wie wir die Leute separieren“. Je nach dem, wo die infizierte Person untergebracht ist oder auch, wie viele Personen betroffen sind, gebe es Lösungen. Und natürlich stehe man auch in regem Austausch mit Ordnungs- und Gesundheitsamt und könne im Notfall eventuell gemeinsam mit der Stadt über eine Quarantäne-Unterkunft sprechen.
Seit Einführung der Maskenpflicht im Supermarkt und öffentlichen Verkehrsmitteln erhält außerdem jeder Wohnungslose, der danach fragt, einen Mund-NasenSchutz. Beratungsgespräche, insbesondere die Notberatung finden weiterhin statt - sei es persönlich, im Freien mit genügend Abstand oder telefonisch. Ohnehin wird laut Lohner viel per E-Mail erledigt und mit den Einsatzplänen auf Sicht gefahren. „Wir müssen einfach sehen, wie es weitergeht.“