Dieselskandal: Ellwanger Richter voll auf BGH-Linie
Landgericht verfährt in den VW-Prozessen schon immer so, wie es der Bundesgerichtshof festgestellt hat
- VW-Kunden haben ein grundsätzliches Recht auf Entschädigung. Sie dürfen ihren gebrauchten Diesel zurückgeben und bekommen den Kaufpreis erstattet – nach Abzug einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer.
Mit seinem Urteil gibt der Bundesgerichtshof einem VW-Kunden aus Rheinland-Pfalz recht. Er darf sein 2014 gekauftes Familienauto zurückgeben und wird entsprechend entschädigt. Der BGH geht mit Volkswagen hart ins Gericht. Die Abgasmanipulationen des Autobauers seien sittenwidrig und verwerflich, die Kunden seien arglistig getäuscht worden.
Das Urteil ist in Ellwangen mit Spannung erwartet worden. Denn auch am hiesigen Landgericht befassen sich die Richterinnen und Richter mit den Klagen der VW-Fahrer. Rund 1200 Klagen sind im Zusammenhang mit dem Dieselskandal bis heute eingegangen.
Die Ellwanger Richter dürfen sich bestätigt fühlen. Sie urteilen nämlich meistens bisher schon so, wie es der BGH nun höchstrichterlich festgestellt hat – Rückabwicklung des Verkaufs unter Abzug der Nutzungsentschädigung.
„Das ist die Linie, die wir auch haben“, sagt Jürgen Nagel, Vizepräsident des Ellwanger Landgerichts und Vorsitzender der 5. Zivilkammer. Wie er auf Nachfrage bestätigt, wendet das Landgericht bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung sogar dasselbe Rechenmodell an wie der BGH.
Was bedeutet das BGH-Urteil für die VW-Prozesse in Ellwangen? Nagel geht davon aus, dass VW weiterhin auf die Kläger zugeht, um individuelle Vergleiche zu schließen. Der Autobauer bietet einen „Minderungsbetrag“von zehn oder mehr Prozent auf den Kaufpreis – und der Kunde behält das Fahrzeug. Denn: „VW will die Autos nicht zurück.“
Nagel kann sich vorstellen, dass VW nach dem BGH-Urteil großzügigere Angebote macht. Aber: „Das wissen wir noch nicht.“In jedem Fall könne der Kunde überlegen, ob er das Angebot annehmen oder sein Auto doch lieber loswerden wolle. Er hat wie seither also die Wahl zwischen einem Vergleich oder einer Klage.
Im Fall der vom Bundesverband der Verbraucherzentralen geführten Musterfeststellungsklage ist es übrigens auch so: VW zahlt eine bestimmte Summe und der Kunde behält das Auto. Die spannende Frage ist nun, wie viele Kunden diesen Vergleich nicht angenommen haben, weil sie sich durch das BGH-Urteil vielleicht eine höhere Entschädigung erhofft haben. Sie haben nun bis Oktober Zeit, um selbst gegen VW zu klagen.
Richter Nagel geht jedenfalls von einer zweiten „kleinen Klagewelle“aus. Und überhaupt rechnet er damit, dass sich die Gerichte noch lange mit den Abgasmanipulationen der Autobauer beschäftigen werden.
Denn im BGH-Urteil ging es nur um den Motortyp EA 189. VW hat aber noch mehr Dieselmotoren verbaut. Außerdem wird allgemein erwartet, dass das BGH-Urteil Auswirkungen auf andere Hersteller haben könnte.