Corona-Zahlen im Ostalbkreis lassen derzeit aufatmen
Statistik des Landratsamts zeigt: Das Infektionsgeschehen ebbt ab – Vorsorgliche Tests in allen Pflegeeinrichtungen des Kreises
– Die Zahlen geben Sicherheit. Nur einen neuen Coronafall hat es im gesamten Ostalbkreis am Dienstag gegeben. Wer die Daten, die das Gesundheitsamt unter www.ostalbkreis.de veröffentlicht, regelmäßig verfolgt, erkennt einen guten Trend: Das Infektionsgeschehen ebbt ab. Doch wie verlässlich sind diese Zahlen? Und wie rasant könnten sie sich wieder ändern? Susanne Dietterle, die Pressesprecherin des Landratsamts, berichtet von der aufwendigen Verfolgungsjagd.
Rund 11 000 Coronatests hat das Gesundheitsamt des Ostalbkreises seit dem Ausbruch der Pandemie Anfang März vornehmen lassen, schätzt Dietterle. Bis zum 22. Mai waren 1543 Fälle positiv. Jeder bestätigte Krankheitsfall werde erfasst, die aktuellen Zahlen erscheinen jeden Tag gegen 17 Uhr auf der Website des Landkreises, so die Sprecherin. „Da unser Gesundheitsamt seit Beginn der Corona-Pandemie nahezu durchgehend auch an den Wochenenden gearbeitet hat, sind keine signifikanten Schwankungen entstanden“, versichert Dietterle. Nur ganz selten, wie etwa an Ostern, „haben wir uns einmal erlaubt, nicht zu melden, da gab es die Zahlen vom Vortag.“
Bei ihrer Bewertung ist trotzdem einiges zu berücksichtigen. Das Gesundheitsamt, das den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) folgt, testete anfangs „ausschließlich Menschen mit Symptomen, die aus einem Risikogebiet zurückkamen oder engen Kontakt mit Infizierten hatten“, erklärt Susanne Dietterle. Bald kam die erste große Welle: Skiurlauber, die aus Ischgl oder Südtirol zurückkehrten. Das Gesundheitsamt richtete Drive-in-Zentren in Aalen auf dem Greutplatz und in Schwäbisch Gmünd im Schießtal ein und nahm Abstriche im Akkord. Allerdings müssen immer alle Abstriche zur Analyse erst einmal ans Landesgesundheitsamt oder an ein anderers Labor geschickt werden. Der Rücklauf der Testergebnisse hänge davon ab, wie schnell die Labore die eingereichten Abstriche analysieren und ob sie auch am Wochenende arbeiten, so Dietterle. Deshalb: „Den Anstieg in der Kurve der Ischgl-Infizierten sieht man am 13. und 14. März, den ihrer Kontaktpersonen wenig später“, sagt die Sprecherin.
Nach dem 7. April gab es einen weiteren sprunghaften Anstieg im Ostalbkreis, und das trotz des inzwischen verhängten Lockdowns nahezu des gesamten gesellschaftlichen Lebens: „Das war der LEA-Effekt“, erklärt Dietterle. Nachdem ein 32jähriger Bewohner positiv getestet worden war, hatte sich das Virus schnell in der Landeserstaufnahmestelle ausgebreitet. „Zwischen dem 6. und 8. April war die erste Testung, zwischen dem 7. und 14. April waren die Ergebnisse da. Es gab einen rasanten Anstieg, 400 bis 450 Leute waren positiv.“Und diesmal wurden alle, Bewohner und Beschäftigte, wegen ihres engen Zusammenlebens auch unabhängig von Symptomen getestet.
Den bisher letzten großen Sprung bei der Zahl der aktiv Erkrankten, zwischen dem 18. und 20. April, führt Dietterle auf eine zweite Testung in der LEA und einen Corona-Ausbruch im Wasseralfinger Altenpflegeheim Marienhöhe zurück.
Ihren Spitzenwert erreichte die Statistik kurz darauf zwischen dem 25. und 27. April mit 665 aktiven Fällen. Tags darauf wurden in der LEA mit einem Schlage 200 Menschen, die genesen waren, aus der Isolation entlassen, erklärt die Sprecherin des Landratsamts. Auch der Lockdown tat seine Wirkung. Nun sinken die Zahlen beständig. Am Dienstag gab es nur noch 53 aktive Fälle. Freilich: Über die Dunkelziffer gebe es „keine validen Zahlen“, macht Dietterle klar. Wie viele Menschen ohne Symptome die Krankheit durchmachen oder trotz Symptomen keinen Test erhalten, weiß niemand.
Für den Geschäftsbereich Gesundheit des Landratsamts bedeutet die Entwicklung ein Aufatmen. Denn der Aufwand für Corona ist enorm. „Die Krankheit ist meldepflichtig“, sagt Dietterle. Alles muss erfasst werden, sobald ein Testergebnis aus einem Labor da ist. „Vieles kommt über Fax. Es ist stapelweise Papier zu sortieren“, veranschaulicht die Sprecherin des Landratsamts. Ist das Ergebnis negativ, wird dem Getesteten Bescheid gegeben. Ist es positiv, geschieht noch viel mehr. Natürlich werde der Infizierte kontaktiert, er kommt in häusliche Isolation. Gleichzeitig ist dies der Startschuss für die Verfolgungsjagd, um die Infektionskette zu unterbrechen. „Sämtliche Kontaktpersonen muss man ermitteln“, sagt Dietterle. Manchmal habe man Glück und der Betroffene schicke eine „perfekte Liste aller Konktakte per E-Mail“. Manchmal kann die Ermittlung aber auch „sehr schwierig sein“. Inzwischen habe das Gesundheitsamt neben den Erkrankten insgesamt rund 5000 Kontaktpersonen ausfindig gemacht und kontaktiert. „Die muss man alle anrufen, befragen und informieren. Das ist ein Jenseits-Aufwand“, so Dietterle.
Dazu komme die Datenerfassung. Natürlich fließen positive Testergebnisse in die täglich zu veröffentlichende Tabelle des Landratsamts ein. Parallel muss laut Dietterle „jeder COVID-19-Fall über eine spezielle Software mit umfangreichen Angaben an das Landesgesundheitsamt gemeldet werden. Unsere Angaben werden dann dort geprüft und weiter an das Sozialministerium gemeldet.“Für manche dieser Datensätze brauche man bis zu 30 Minuten.
Diesen enormen Aufwand mit eigenem Personal zu stemmen, war dem Gesundheitsamt in Zeiten mit exponentiell hohen Infektionszahlen nicht möglich. „Wir hatten Hilfe von Ärzten im Ruhestand und von Studenten. Quer aus dem ganzen Haus wurde Personal dafür abgestellt, das war ein Riesenapparat“, erzählt die Sprecherin. „Die Hotlines waren im großen Sitzungssaal. Es gab Tausende von Anrufen. Viele Menschen hatten auch einen großen Informationsbedarf.“130 Kollegen vom Gesundheitsamt und an den Hotlines hätten in den Hochzeiten unzählige Überstunden gemacht. Mittlerweile reichten Personal und Räume des Gesundheitsamts aber wieder aus.
Nun läuft eine neue Testwelle an. Nach einer Empfehlung des Landes bietet auch das Gesundheitsamt im Ostalbkreis an, einmalig und flächendeckend alle stationären Pflegeeinrichtungen vorsorglich zu testen, um latente Infektionsherde aufzudecken.
„Wir haben zu diesem Angebot ein Rundschreiben gemacht. Erste Rückmeldungen sind da, erste Heime bereits getestet“, berichtet Susanne Dietterle. Sagen alle ja, wäre am Ende eine Momentaufnahme von rund 7000 Personen in allen Pflegeeinrichtungen des Ostalbkreises gemacht.
Was, wenn dadurch die magische Zahl von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in sieben Tagen überschritten wird und die sogenannte Notbremse greift? „Bei 314 000 Einwohnern wären das bei uns 157 Neuinfektionen in einer Woche“, rechnet Dietterle vor. Wenn diese Zahl wegen eines Hotspots in einer Pflegeeinrichtung überschritten würde, könne man die Notbremse auch auf diese Einrichtung beschränken.
„Wir müssten uns keine Sorgen wegen eines Lockdowns des ganzen Landkreises machen“, beruhigt die Sprecherin. In der vergangenen Woche lag die Zahl der Neuinfektionen im Ostalbkreis bei 14. Gute Nachrichten, die Dietterle aber nicht falsch verstanden wissen will: „Bei allen Lockerungen gelten noch immer Masken-, Abstands- und HygieneGebot. Das Virus grassiert nach wie vor. Das darf man nicht vergessen.“