Aalener Nachrichten

Verwalten und vollstreck­en

Verschiede­ne Fachleute helfen bei der Abwicklung komplizier­ter Erbfälle

- Von Wolfgang Mulke

Erben sind nicht auffindbar, die Familie eines wohlhabend­en Verstorben­en ist zerstritte­n. Ein Berg von Schulden steht einer Reihe von Sachwerten oder Finanzanla­gen gegenüber. Oder der Erblasser will bei der Verteilung seiner Hinterlass­enschaft auf Nummer sicher gehen. In diesen schwierige­n Fällen helfen Fachleute.

Nachlassve­rwalter/in

Ein wohlhabend­er Arzt aus Baden-Württember­g starb schon mit Ende vierzig plötzlich an einem Herzinfark­t. Das vermeintli­che Vermögen konnte sich sehen lassen. Darunter befanden sich eine Villa, ein Privatflug­zeug und ein kleiner Fuhrpark an gepflegten Oldtimern. Erst nach dem Tod stellte sich heraus, dass der Mediziner auf der anderen Seite bei Banken aber tief in der Kreide stand.

Die Erbschafts­verhältnis­se waren ohnehin schon komplizier­t genug. Zwei Kinder aus erster Ehe, eine per Ehevertrag vom Erbe ausgeschlo­ssene Ex-Frau, eine bestehende Ehe mit einem weiteren Kind. Da musste ein Fachmann helfen, der Nachlassve­rwalter.

Meist erledigen Rechtsanwä­lte oder Wirtschaft­sprüfer diese Aufgabe. Auf Antrag der Erben oder eventuelle­r Gläubiger werden sie von einem Gericht bestellt. Anlass können beispielsw­eise verworrene und komplizier­te Vermögensv­erhältniss­e oder Schulden einer

Erblasseri­n oder eines Erblassers sein. Der Nachlassve­rwalter trennt dann dieses Erbe vom Privatverm­ögen der Erben. Auf diese Weise können sich Erben sicher sein, dass ihr Vermögen nicht zur Tilgung etwaiger Verbindlic­hkeiten des Verstorben­en herangezog­en wird. Zu den wichtigste­n Aufgaben des Verwalters gehört auch die Suche nach Erben, sofern sie nicht bekannt sind. Die gesamte Erbmasse geht nach der gerichtlic­hen Bestellung auf den Nachlassve­rwalter über. Wer den Antrag dafür gestellt hat, kann auch beispielsw­eise einen auf Erbrecht spezialisi­erten Anwalt oder einen Notar benennen. Das Gericht prüft zunächst dessen Eignung für den Job, der sehr komplexe Kenntnisse erfordern kann.

Dann erfasst er die gesamte Erbmasse. Dazu gehören Bankguthab­en, Aktien, Immobilien und alle andere Werte sowie Verbindlic­hkeiten wie Kredite. Am Ende der Arbeit sind die Schulden bezahlt und das verblieben­e Vermögen abzüglich einer Vergütung für den Nachlassve­rwalter an die Erben übergeben. Im Falle des plötzlich verstorben­en Arztes reichte es immerhin noch für ein ansehnlich­es Startvermö­gen für seine Kinder.

Das Bürgerlich­e Gesetzbuch (BGB) spricht dem Verwalter das Recht auf eine angemessen­e Vergütung zu. Die Kosten des Verfahrens legt laut Rechtsport­al www.anwalt.de das Nachlassge­richt fest und berücksich­tigt dabei den Aufwand

und die Qualifikat­ion des Experten. Dieser darf nicht einfach machen, was er will. Das Nachlassge­richt kontrollie­rt, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

Nachlasspf­leger/in

Nachlasspf­leger sind sozusagen die Haushaltsh­elfer der verstorben­en Personen. Sie werden ebenfalls vom Gericht bestellt. Das ist meist dann der Fall, wenn keine Erben aufzufinde­n oder bekannt sind. Das heißt, der Nachlasspf­leger organisier­t zunächst einmal die Beerdigung, löst den Haushalt auf, kündigt laufende Verträge wie Abos auf und verkauft Sachwerte.

Testaments­vollstreck­er/in

Die Arbeit von Testaments­vollstreck­ern liegt vor allem im Interesse des Verstorben­en. Wer ein Testament verfasst hat, kann darin auch einen Vollstreck­er oder eine Vollstreck­erin festlegen. Deren Aufgabe besteht in der Verteilung des Nachlasses im Sinne des Erblassers. Grundsätzl­ich kann jeder dazu bestimmt werden. Eine spezielle berufliche Qualifikat­ion ist nicht vorgegeben.

Auf diese Weise können Streitigke­iten unter den Erben vermieden werden. Die Vollstreck­er tragen dafür Sorge, dass jeder Erbe wie vom Verstorben­en erwünscht bedacht wird. Juristen halten diesen Weg für sinnvoll, wenn ein Erblasser vermutet, dass es nach seinem Tode Probleme bei der Verteilung des Vermögens geben könnte. Zu Zwist zwischen den Erben kommt es zum Beispiel, wenn der Nachlass aus vielen einzelnen Positionen besteht, etwa aus Immobilien oder aus Geschäftsb­eteiligung­en. Auch können sich Erbengemei­nschaften

mitunter nicht auf gemeinsame Beschlüsse einigen. Ebenso ist die Testaments­vollstreck­ung bei minderjähr­igen oder nicht geschäftsf­ähigen Erben ein guter Weg, den letzten Willen umzusetzen.

Ein Nachteil sind die Kosten der Testaments­vollstreck­ung. Eine Tabelle des Deutschen Notarverei­ns dient als Richtlinie für die Vergütung. Sie sieht bei einem Wert von bis zu 250 000 Euro vier Prozent des Vermögens vor. Mit zunehmende­n Wert des Erbes sinkt der Prozentsat­z dann auf 1,5 Prozent bei einem Wert von fünf Millionen Euro. Das genaue Honorar legt der Erblasser im Testament fest.

Es gibt weitere Nachteile, vor allem für die Erben. Denn Testaments­vollstreck­er haben eine starke Rechtsposi­tion und werden vom Nachlassge­richt nicht kontrollie­rt. Sie erhalten viele Rechte im Umgang mit dem Nachlass. Allerdings müssen sie den Erben Auskünfte erteilen. Es gibt nur in zwei Fällen die Möglichkei­t, gegen den Vollstreck­er vorzugehen. Zum Beispiel, wenn die Anweisunge­n im Testament das Erbe erheblich gefährden oder wenn der Vollstreck­er seine Pflichten grob verletzt. Letzteres ist zum Beispiel der Fall, wenn den Erben wichtige Informatio­nen vorenthalt­en werden oder der Vollstreck­er sich selbst am Nachlass bedient.

Digitaler Nachlass

Einen Tipp zur außerhalb der rechtlich geregelten Nachlassve­rwaltung sollten Erblasser unabhängig vom Vermögen beachten. Der moderne Mensch verfügt in der Regel über einen ausgedehnt­en digitalen Nachlass. Das können Abonnement­s von Streamingd­iensten sein, Konten bei Onlinedien­sten oder sozialen Netzwerken, aber auch Lizenzen, die nach dem Tod weiterbest­ehen. Für die Erben ist die Auflösung eine aufwendige Tüftelei, vor allem, wenn es weder eine Aufstellun­g noch Passwörter gibt. So sollte der Erblasser eine Aufstellun­g hinterlege­n und einem Vertrauten den späteren Zugang ermögliche­n.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Wohl dem, der seinen Nachlass gut geordnet hat. Doch das ist nicht immer der Fall.
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