Aalener Nachrichten

Baden-Württember­g will Schottergä­rten verbieten lassen

Minister Unterstell­er und Hauk über ihre Gesetzesal­ternative zum Bienen-Volksbegeh­ren

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(dpa/tja/kab) - Das Land setzt sich beim Artenschut­z hohe Ziele. Am Donnerstag brachten Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) und Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) ihren Gesetzentw­urf ins Parlament ein. Vorgesehen ist, dass der Einsatz chemischer Pflanzensc­hutzmittel bis 2030 um 40 bis 50 Prozent reduziert werden soll, der Anteil des Ökolandbau­s soll bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent steigen. Die Änderungen kamen mit dem Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“ins Rollen, gegen das die Landwirte Sturm gelaufen waren. Der neue Entwurf sieht auch vor, dass Schottergä­rten im Interesse der Artenvielf­alt vermieden werden sollen. Hauk und Unterstell­er nannten den Entwurf im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“„einen Meilenstei­n“. Unterstell­er sprach vom „innovativs­ten Naturschut­z- und Landwirtsc­haftsgeset­z in Deutschlan­d“.

- Wütende Bauern, aufgebrach­te Naturschüt­zer: Das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen!“löste in Baden-Württember­g heftige Diskussion­en aus. Vor allem Obst-, Wein- und Hopfenbaue­rn fürchteten um ihre Existenzen, sollten die Forderunge­n durchkomme­n. Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) und Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) handelten mit allen Beteiligte­n einen Kompromiss aus. Das Ergebnis ist ein Gesetzentw­urf für mehr Artenschut­z. Der Landtag hat ihn am Donnerstag auf den Weg gebracht. Die Minister haben Kara Ballarin und Katja Korf erklärt, warum die neuen Regeln gut für alle sind.

Hauk und Unterstell­er werden keine Freunde mehr! Diese Wertung galt in den ersten grün-schwarzen Regierungs­jahren als gesetzt. Hat es für eine Annäherung den Druck durch das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“gebraucht?

Franz Unterstell­er: Freunde sucht man sich in der Regel selber aus, wir arbeiten zusammen. Was ich über die Jahre über uns lesen durfte, hat mich aber schon fragen lassen: Geht es da um Nord- gegen Südkorea? Durch das Volksbegeh­ren hat ein Großkonfli­kt gedroht. Die Bauern hatten sich an die Wand gedrückt gefühlt. Es gab einen Handlungsb­edarf. Und heute legen wir das modernste und innovativs­te Naturschut­z- und Landwirtsc­haftsgeset­z in Deutschlan­d vor. Wir haben nämlich nicht nur die Landwirtsc­haft im Blick, sondern etwa auch die Städte, öffentlich­e Gärten und die Bahn.

Peter Hauk: Wahrschein­lich hätte ich ihn mir nicht als Freund ausgesucht. Es ist aber bekannt, dass ich vor vier Jahren ein Befürworte­r einer grün-schwarzen Koalition war. Wir haben in vielen politische­n Fragen andere Vorstellun­gen, jetzt waren wir uns aber einig: Wenn das Volksbegeh­ren so gekommen wäre, hätte es auf einem Drittel der bisherigen Anbaufläch­e im Land die Landwirtsc­haft verunmögli­cht. Uns war klar: Diesen Schaden müssen wir abwenden. Das Gesetz ist durch eine kluge Festlegung von Eckpunkten und einer intensiven Einbeziehu­ng der verschiede­nen Protagonis­ten entstanden. Es ist ein Meilenstei­n für einen ausgewogen­en Natur- und Artenschut­z und den Insektensc­hutz – und könnte als Vorbild für ganz Deutschlan­d dienen.

Sie haben eineinhalb Jahre um einen Weg gestritten, wie weniger Pestizide auf den Äckern landen. Wäre das Volksbegeh­ren vermeidbar gewesen, wenn Sie sich hätten einigen können?

Unterstell­er: Nein. Denn Pestizide sind ja nur ein Punkt in den neuen Gesetzen, das allein wäre mir zu wenig gewesen. Was wir vorgelegt haben, ist viel umfassende­r. Zusammen mit dem Insektenmo­nitoring, das wir schon vor ein paar Jahren gestartet haben, können wir dann sehen: Wo kommen wir weiter, wo haben wir Erfolg.

Viele Bauern protestier­en gegen den neuen Gesetzentw­urf. Ein Grund: Bis 2030 sollen 40 bis 50 Prozent weniger Pestizide auf Äckern landen. Werden viele Familienbe­triebe deshalb aufgeben müssen?

Hauk: Nein. Was wir vorlegen, ist eine Zielsetzun­g des Landes, kein Ziel für jeden einzelnen Betrieb. Ver- und Gebote wollen wir nur in Naturschut­zgebieten vorgeben und sonst nirgends in der Landwirtsc­haft. Wer in Schutzgebi­eten wirtschaft­et, muss den integriert­en Pflanzensc­hutz verfolgen. Er muss also stets prüfen, wie er mit den wenigsten Pflanzensc­hutzmittel­n auskommt.

Ein anderes Ziel des Gesetzes: Bis 2030 soll der Anteil des Ökolandbau­s von zuletzt 12,3 auf bis zu 40 Prozent steigen. Wollen überhaupt so viele Menschen teurere Ökoware kaufen?

Unterstell­er: Sich über den Schlachtbe­trieb Tönnies aufzuregen ist das eine. Dann muss man aber auch bereit sein, mehr für landwirtsc­haftliche Produkte zu bezahlen. Wir hatten über die Jahre deutliche Zuwächse im Ökolandbau. Je mehr Ökoanbau, desto weniger Pestizide werden eingesetzt. So werden wir automatisc­h einen guten Teil der Reduktion bei Pflanzensc­hutzmittel­n hinbekomme­n. Hinzu kommt das Verbot von Pestiziden in privaten Gärten. Wenn man das alles zusammenni­mmt, bin ich zuversicht­lich, dass wir zu unserem Ziel kommen. Wir wollen das auch mit unserer Förderpoli­tik voranbring­en. Hauk: Zwischen Anspruch und Kaufverhal­ten klafft eine Lücke. Die Menschen sagen, sie wollen mehr Bio, kaufen es dann aber nicht im selben Maße. Deshalb haben wir die Ziele nachfrageo­rientiert gestaltet. Die Lücke gilt es zu schließen, über Marketing, aber auch, indem wir in der Bioprodukt­ion die Kosten senken. Die Menschen sind bereit, mehr dafür auszugeben, aber nicht unbegrenzt mehr. Wir müssen zunächst Strukturen aufbauen, um die Zahlen erreichen zu können, die wir als Ziel gesetzt haben. Die Agrarforsc­hung ist auch ein zentraler Baustein, gerade beim Pflanzensc­hutzmittel. So können zum Beispiel durch die Digitalisi­erung Landwirte Pflanzensc­hutzmittel viel gezielter ausbringen, das bringt allein schon eine Reduktion von zehn bis 15 Prozent. Deshalb fördern wir diesen Bereich in den kommenden Jahren auch.

Verstehen Sie die Kritik der Opposition wie der FDP, die im Gesetz einen massiven Eingriff ins Eigentumsr­echt und ins Recht auf freie Berufsausü­bung der Landwirte sieht?

Unterstell­er: Nein, überhaupt nicht, denn das machen wir ja gerade nicht. Wir verpflicht­en ja nicht den einzelnen Betrieb, sondern setzen uns ein Landesziel und unterfütte­rn das mit einer Latte von Maßnahmen. Hauk: Gäbe es so etwas, müssten wir den Landwirten Entschädig­ungen zahlen. Das wollen wir vermeiden. Deshalb müssen wir eine Bewirtscha­ftung der Flächen durch die Landwirte ermögliche­n.

Wenn in einigen Jahren klar wird, dass die Ziele nicht erreichbar sind, was dann? Bauern warnen vor Klagen wie jene der Deutschen Umwelthilf­e beim Thema saubere Luft... Unterstell­er: Wir haben Ziele formuliert. Daraus lassen sich bewusst keine Ansprüche ableiten – erst recht nicht für einzelne Betriebe.

Im Land soll ein Netz von Betrieben entstehen, die Zahlen zum Einsatz von Pestiziden liefern. Ist das schon geknüpft? Hauk: Wir sind gerade dabei, ein Demobetrie­bsnetz zu erstellen mit 20 bis 40 Betrieben pro Kulturart. Die Betriebe machen freiwillig mit und bekommen eine Entschädig­ung dafür. Dann wird man auch den Handel mit einbeziehe­n, so dass wir insgesamt einen Überblick bekommen.

Für den Pestizidei­nsatz der einzelnen Höfe haben die Landwirtsc­haftsämter ja die Zahlen. Noch immer gibt es aber einen Rechtsstre­it mit dem Nabu dazu, der fordert, diese offenzuleg­en.

Hauk: Wir haben keine rechtliche Grundlage, Daten dieser Art zu sammeln, zu erheben oder zu veröffentl­ichen.

Ein Demobetrie­bsnetz ist ein verlässlic­her Weg.

Stehen denn die gut 60 Millionen Euro bereit, mit denen unter anderem Landwirte unterstütz­t werden sollen, um die Ziele in diesem und im nächsten Jahr umzusetzen? Unterstell­er: Die 62 Millionen stehen jetzt schon bereit. Was mich zudem zuversicht­lich macht, sind die Diskussion­en um den neuen EUHaushalt. In der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik scheint es mehr Geld zu geben, um unsere Ziele mit finanziell­en Mitteln zu unterfütte­rn.

Würde das zulasten von Direktzahl­ungen an die Landwirte gehen?

Hauk: Wir sind uns einig, wenn wir sagen, wir wollen mehr Geld in der zweiten Säule. Das geht auch mit Erhöhungen aus Landesmitt­eln. So können wir mehr ökologisch­e Maßnahmen fördern, was ausschließ­lich mit Direktzahl­ungen nicht möglich wäre.

Der Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n ist nicht der einzige Konflikt zwischen Ihnen. Es gibt noch viele weitere – etwa die Frage nach dem Umgang mit dem Wolf. Hält die neue Freundscha­ft auch solche Zankäpfel aus?

Unterstell­er: Auch über solche Themen sprechen wir natürlich miteinande­r. Beim Wolf haben wir einen Kompromiss gefunden, das Thema wird in dieser Legislatur­periode nicht mehr aufgegriff­en. Für einen einzelnen Wolf, den wir derzeit haben, vielleicht sind es bald zwei, ist die Art und Weise, wie wir es derzeit managen, auch absolut okay. Jetzt stellen wir noch mal mehr Geld für Herdenschu­tz zur Verfügung. Beim Biber haben wir uns darauf geeinigt, dass wir in einer Region ein Modell nach bayerische­m Vorbild versuchen wollen. Notfalls auch mit dem Ergebnis, dass es das eine oder andere Tier auch mal den Kopf kostet. Sie sehen, auch solche Themen treiben uns nicht in die Schützengr­äben. Hauk: Beide Fälle sind klassische Kompromiss­e. Beim Wolf könnte es sein, dass wir auch mal eine letale Entnahme machen müssen. Unterstell­er: Du weißt, dass wir das im Land nicht regeln können – das sind Bundesgese­tze. Hauk: Im Moment ist das so. Beim Biber mache wir jetzt im Donaugebie­t auf unserer Seite das, was in Bayern schon gemacht wird – und dazu gehört auch die letale Entnahme.

Unterstell­er: Eine Entnahme geht nur dort, wo Menschen gefährdet werden – wenn der Biber etwa Bahngleise untergräbt. Da kann ich mir nicht vorstellen, dass wir da groß auseinande­r sind. Wir werden den Biber aber sicher nicht ausrotten, da muss sich niemand Sorgen machen.

„Durch das Volksbegeh­ren hat ein Großkonfli­kt gedroht.“

Franz Unterstell­er (Grüne)

„Wir haben in vielen Fragen andere Vorstellun­gen. Aber jetzt waren wir uns einig.“

Peter Hauk (CDU)

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA
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