Lufthansa-Aktionäre billigen Staatshilfe
Aktionäre der Airline schaffen Voraussetzung für das milliardenschwere Rettungspaket des Bundes
(AFP) - Die Aktionäre der Lufthansa haben dem staatlichen Rettungspaket für den schwer von der Corona-Krise getroffenen Luftfahrtkonzern zugestimmt. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung lag die Zustimmung am Donnerstag bei 98 Prozent. Konzernchef Carsten Spohr erklärte, die Entscheidung sichere für den Konzern eine „Zukunftsperspektive“. Zuvor hatten bereits die EU-Wettbewerbshüter den deutschen Rettungsmaßnahmen final zugestimmt.
(dpa) - Die Lufthansa kann mit deutscher Staatshilfe weiterfliegen. Die Aktionäre des MDaxKonzerns stimmten am Donnerstag einer 20-prozentigen Kapitalbeteiligung der Bundesrepublik mit einer Mehrheit von 98,04 Prozent zu. Das damit verbundene Hilfspaket über neun Milliarden Euro kann nun umgesetzt werden. Bereits am Morgen hatten die Wettbewerbshüter der EU den deutschen Rettungsmaßnahmen final genehmigt.
Im Ringen um das staatliche Rettungspaket hatte die Lufthansa-Spitze den Druck auf die Aktionäre noch einmal erhöht. „Wir haben kein Geld mehr“, sagte Aufsichtsratschef KarlLudwig Kley bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Konzerns. Ohne das Unterstützungspaket von neun Milliarden Euro hätte die Airline Kley zufolge „in den nächsten Tagen“die Insolvenz anmelden müssen. Nach der Annahme des Rettungsplans sagte Kley: „Wir schaffen das!“
Vorstandschef Carsten Spohr dankte der Bundesregierung und erklärte: „Wir Lufthanseaten sind uns unserer Verantwortung bewusst, die bis zu neun Milliarden so schnell wie möglich an die Steuerzahler zurückzuzahlen.“Während der Versammlung hatte er Zuversicht ausgedrückt, die Einlagen und Kredite fristgerecht bedienen zu können. Man sei auch nicht verpflichtet, Kredit und Einlagen mit später hohen Zinscoupons in voller Höhe abzurufen.
Bei der im Internet übertragenen außerordentlichen Hauptversammlung verzichtete Großaktionär Heinz Hermann Thiele darauf, das Rettungspaket zu blockieren. Wegen der schwachen Beteiligung der übrigen Stimmrechtsinhaber mit einer Präsenz von 39,3 Prozent hätte er mit seinem Aktienanteil von mindestens 15,5 Prozent Gelegenheit zu einer Blockade gehabt. Im Vorfeld hatte sich der Selfmade-Milliardär kritisch über den seiner Meinung nach zu starken Staatseinfluss geäußert.
Am Morgen hatte bereits die EUKommission dem Rettungsplan zugestimmt. Als Bedingung setzten die Wettbewerbshüter durch, dass Lufthansa in München und Frankfurt jeweils 24 Start- und Landerechte an Wettbewerber abgeben muss. Die zuständige Kommissionsvizepräsidentin
Margrethe Vestager erklärte dazu: „Dadurch erhalten konkurrierende Luftverkehrsunternehmen die Möglichkeit, in diese Märkte einzutreten, wodurch faire Preise und eine größere Auswahl für die europäischen Verbraucher gewährleistet werden.“Konkurrent Ryanair kündigte dennoch eine Klage gegen die Beihilfe an.
Der Lufthansa-Vorstand verteidigte vor der Abstimmung das mit der Bundesregierung verhandelte Paket aus Beteiligung, stillen Einlagen und Kredit als alternativlos. Mehr sei nicht durchsetzbar gewesen. Das Konzept bedeute für Lufthansa in den kommenden Jahren erhebliche finanzielle und strukturelle Belastungen, sagte Aufsichtsratschef Kley. „Für den Staat ist es ein durchaus lukratives Geschäft.“Dennoch gebe die Vereinbarung dem Unternehmen Raum und Zeit, um die Krise zu überwinden. Davon profitierten letztlich auch die Aktionäre.
Lufthansa hatte für den Fall eines Scheiterns angekündigt, schnell ein sogenanntes Schutzschirmverfahren zu beantragen. Diese mildeste Form einer Insolvenz nach deutschem Recht wird bereits beim Ferienflieger Condor angewendet und gibt dem
Management weitgehend freie Hand, bestehende Verträge auch mit dem eigenen Personal zu kündigen. Das ist nun nicht mehr nötig. Den rechnerischen Überhang in der Corona-Krise hatte der Konzern mit weltweit 138 000 Beschäftigten auf 22 000 Vollzeitstellen beziffert, davon die Hälfte in Deutschland.
Mit den Gewerkschaften ist das Unternehmen in weit fortgeschrittenen Verhandlungen zu umfangreichen Kostensenkungen. Als erste hat ausgerechnet die streitbare Kabinengewerkschaft Ufo einem Krisenpaket zugestimmt, das Lufthansa auch ohne
Kündigungen bis Ende 2023 mehr als eine halbe Milliarde Euro einsparen hilft. Neben verkürzten Arbeitszeiten, dem Verzicht auf bereits vereinbarte Lohnsteigerungen und Betriebsrentenzahlungen gibt es eine Vielzahl freiwilliger Maßnahmen, um Lohnkosten zu reduzieren. Am Morgen demonstrierten Hunderte UfoFlugbegleiter vor der Lufthansa-Zentrale für die Annahme der staatlichen Rettung.
Nach den drei bislang erfolgreichsten Geschäftsjahren war Lufthansa im März wegen der CoronaPandemie geschäftlich abgestürzt. Die Barreserven der größten deutschen Airline verringerten sich zuletzt monatlich um 800 Millionen Euro, sodass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Unternehmen bereits einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro ein. Nach eigenen Angaben hat Lufthansa bereits eine Milliarde Euro an Kunden für abgesagte Flüge zurückgezahlt. Eine weitere Milliarde stehe noch aus.
Lufthansa-Chef Spohr erwartet, dass sich die Nachfrage im Luftverkehr nur langsam erholt und über Jahre unter dem Vor-Corona-Niveau bleibt. Folge ist eine deutliche Schrumpfung der Flotte. Beim Gewinn traut sich der Konzern nach Worten des Personalvorstands Michael Niggemann allerdings bereits für 2022 zu, das Vorkrisenniveau zu erreichen.
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit bezeichnete den geplanten Rettungsweg als schwierigen, aber alternativlosen Kompromiss. Das Unternehmen müsse sich nun auf die dringenden operativen Herausforderungen konzentrieren, sagte VC-Präsident Markus Wahl. Die Piloten wollten dazu mit einem weitreichenden Einsparangebot ihren Beitrag leisten.
Das Rettungspaket sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Zuge einer Kapitalerhöhung für rund 300 Millionen Euro Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Airline aufzubauen. Er zahlt dafür nur 2,56 Euro, rund ein Viertel des aktuellen Aktienkurses. Zudem sind stille Einlagen von 5,7 Milliarden sowie ein KfW-Kredit von drei Milliarden Euro geplant.