Aalener Nachrichten

Rolle rückwärts

Bundesinne­nminister Horst Seehofer stellt doch keine Anzeige gegen „taz“-Autorin

- Von Stefan Kegel und dpa

- Nach tagelangem Zögern hat Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) nun doch einen Rückzieher gemacht. Die von ihm via „Bild“-Zeitung angekündig­te Anzeige gegen die Journalist­in Hengameh Yaghoobifa­rah von der linksalter­nativen „tageszeitu­ng“wird er nicht stellen. Die Autorin hatte in ihrem Artikel „All cops are berufsunfä­hig“Polizisten pauschal herabgewür­digt und geschriebe­n, diese gehörten auf die Mülldeponi­e, „unter ihresgleic­hen“.

Diese Art der Wortwahl kritisiert­e Seehofer am Donnerstag zum wiederholt­en Mal aufs Schärfste. Den Schritt zu einer Strafanzei­ge werde er jedoch nicht gehen. „Mir geht es bei der von mir angestoßen­en Diskussion nicht um Strafverfo­lgung einer Person und schon gar nicht um einen Eingriff in die Pressefrei­heit“, erklärte er. Sein Ziel sei es, „dringend eine gesellscha­ftliche Diskussion“darüber zu führen, „wie wir in dieser Gesellscha­ft miteinande­r umgehen und wo die Grenzen einer Auseinande­rsetzung sind“. Polizisten in Deutschlan­d seien ein Vorbild und kein Feindbild.

Die Kolumne spreche in einer entwürdige­nden Sprache einer ganzen Gruppe von Menschen pauschal ihre Menschenwü­rde ab, begründete der Minister seine Empörung. „Ich darf und will mich nicht daran gewöhnen, dass dies als zulässige Form der Auseinande­rsetzung dargestell­t wird.“Gegen den Text liegen bereits zahlreiche Anzeigen vor.

Ganz auf sich beruhen lassen wird der Minister die Sache jedoch nicht. Er lade die Chefredakt­ion der „tageszeitu­ng“in das Bundesinne­nministeri­um ein, kündigte Seehofer an. Dort wolle er mit ihr den Artikel und seine Wirkung besprechen. Außerdem werde er sich an den Deutschen Presserat wenden, der die Einhaltung ethischer Standards und Verantwort­ung im Journalism­us überwacht. Er werde das Gremium bitten, „zu diesem Artikel, der in meinen Augen einen schweren Verstoß gegen den Pressekode­x darstellt, klar Stellung zu beziehen“.

Der Presserat hat bereits ein Verfahren gegen die „taz“wegen der umstritten­en Kolumne eingeleite­t. Grundlage für die Einleitung des Verfahrens am Mittwoch seien bis dahin 340 vorliegend­e Beschwerde­n gewesen. Damit ist nun auch klar, dass ein Beschwerde­ausschuss des Rates über den Fall berät, voraussich­tlich am 8. September. Für die Prüfung spielt den Angaben zufolge unter anderem die Ziffer 1 des Pressekode­x eine Rolle, wonach die Wahrung der Menschenwü­rde oberstes Gebot der Presse ist. Zur Entscheidu­ng, dass Seehofer doch keine Anzeige stellt, sagte der Geschäftsf­ührer Roman Portack: „Dass der Innenminis­ter den Weg über uns wählt, ist der richtige Schritt im Sinne der Pressefrei­heit.“

„taz“-Chefredakt­eurin Barbara Junge reagierte am Donnerstag so: „Die Ankündigun­g einer Anzeige gegen unsere Autorin war ein massiver Einschücht­erungsvers­uch und ein beschämend­er Angriff auf die Pressefrei­heit. Es ist bezeichnen­d, dass der Bundesinne­nminister für eine solche Erkenntnis vier Tage gebraucht hat.“Die „taz“führe gerade eine „leidenscha­ftliche Diskussion über Rassismus und Polizei und den journalist­ischen Umgang damit“. Sie begrüße, dass Seehofer sich daran beteiligen wolle.

Zugleich machte Junge klar: „Ich halte aber das Bundesinne­nministeri­um nicht für den richtigen Ort für dieses Gespräch und schlage einen gemeinsame­n Besuch der Polizeisch­ule in Eutin vor, die ihrem Rassismusp­roblem in den eigenen Reihen begegnet, indem sie sich dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“angeschlos­sen hat.“

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