Haftung für den Corona-Ausbruch
Politiker fordern Schadensersatz vom Fleischbetrieb Tönnies – Die Hürden sind hoch
- Tönnies ist das unbestrittene Zentrum des bislang größten Virusausbruchs in Deutschland. Im Kreis Gütersloh gibt es aktuell knapp 1900 Corona-Infektionen. Die meisten Betroffenen sind Beschäftigte in den Tönnies-Schlachthöfen und Menschen in deren engerem Umkreis. Da liegt nahe, was Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in dieser Woche in der ARD aussprach: „Ich glaube, dass wir prüfen müssen welche zivilrechtlichen Haftungsmöglichkeiten es gibt in diesem Bereich. Weil es sind ja erhebliche Kosten, die da entstehen für die gesundheitliche Behandlung der Menschen, aber auch für das, was da in der Region los ist.“
Allerdings spricht sich das offenbar einfacher aus, als es in Wirklichkeit ist. „Ganz allgemein hängen da die Trauben sehr hoch für so einen Schadensersatzanspruch“, gibt Kai Bodenstedt zu bedenken. Er ist Fachanwalt
für Arbeitsrecht und Leiter des Bereichs deutsches Arbeitsrecht bei DLA Piper – einer der größten Anwaltskanzleien der Welt. „Nun wird diskutiert, ob Herr Tönnies auch persönlich haftbar gemacht werden kann im Unterschied zu seinen Unternehmen. Bei einer persönlichen Haftung müsste ihm erstens der Vorwurf eines vorsätzlichen Handelns gemacht werden; und zweitens müsste eine unmittelbare Kausalität bestehen zwischen seinem Handeln und einem Schaden.“Bodenstedt hält es für sehr unwahrscheinlich, dass beides wirklich möglich ist nachzuweisen.
Einen solchen Nachweis erschwert natürlich die Tatsache, dass auch bei Tönnies viele Beschäftigte arbeiten, die wiederum für andere Firmen und Subunternehmen tätig sind. In der Regel wären nämlich in erster Linie diese Unternehmen dann auch verantwortlich für das Einhalten von Arbeitsschutz- und Hygienevorschriften.
Zwar gibt es auch eine Mitverantwortung seitens desjenigen, der beispielsweise die Hallen der Schlachthöfe und die darin befindlichen Arbeitsplätze betreibt. So muss etwa auch ein Bauunternehmer sicherstellen, dass auf seiner Baustelle auch für die Mitarbeiter fremder Firmen keine Gefahr besteht, wenn sie Teilarbeiten erledigen. Die Hauptverantwortung für die jeweiligen Beschäftigten aber liegt bei der beauftragten Firma. Erscheint ihr eine Baustelle – oder in diesem Fall der Schlachthof – nicht sicher, muss sie ihre Beschäftigten im Zweifel zurückziehen.
Nur weil Kosten für Menschen oder auch Regionen entstehen, heißt das also noch lange nicht, dass diese Schäden auch rechtlich geltend gemacht werden können. Im Übrigen geben Beobachter auch zu bedenken, dass sich dann natürlich auch die Frage stelle, warum dann nicht andernorts ebenfalls Ansprüche auf Schadensersatz geprüft wurden. Denn Tönnies ist nur der letzte, keinesfalls aber der einzige Corona-Herd in der fleischverarbeitenden Industrie.
„Auch da spricht man ja nicht vom Fehlverhalten der Betreiber. Ich wüsste nicht, warum das bei Tönnies nun anders sein sollte“, sagt Kai Bodenstedt. „Wenn man hier wirklich etwas erreichen will, muss zum einen schuldhaftes Handeln vorliegen. Man müsste also in irgendeiner Form Vorsatz nachweisen können, vielleicht auch grobe Fahrlässigkeit. Und dann müsste man auch einen kausalen Zusammenhang herstellen zwischen einem schuldhaften Verhalten und einem konkreten Schaden, den das verursacht hat.“Das aber werde sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein.