Aalener Nachrichten

Gymnasien sind zuversicht­lich: „Wir kriegen das hin“

Elternvert­reter im Land sehen Probleme beim Präsenz- und Distanzunt­erricht – HG und PG präsentier­en Lösungen

- Von Sylvia Möcklin

- Geharnisch­te Kritik an der Schulsitua­tion in BadenWürtt­emberg in Zeiten von Corona ist den Eltern von Gymnasiast­en kürzlich ins Haus geflattert. In einer Presseerkl­ärung prangern die Arbeitsgem­einschafte­n (Arge) Stuttgart und Karlsruhe, das sind Zusammensc­hlüsse der Elternvert­reter an den Gymnasien, viele Probleme beim Distanz- und Präsenzunt­erricht an. Es fehlten Konzepte. Gilt das auch in Ellwangen? „Für uns ist das nur bedingt relevant“, beurteilt Martin Ries, der Leiter des HariolfGym­nasiums, das Schreiben. Er sieht seine Schule auf gutem Weg. Ebenso wie Stella Herden, die das PeutingerG­ymnasium leitet.

Die Liste an Vorwürfen der Arge ans Kultusmini­sterium ist lang. Es fehlten dafür, wie man vom Not- wieder zu einem geregelten Schulbetri­eb kommt und wie die Schüler mit ihren „extrem unterschie­dlichen Lernerfolg­en im Distanzunt­erricht“wieder auf ein gemeinsame­s Lernniveau gebracht werden könnten. Es sei unklar, wie möglichst viel Präsenzunt­erricht stattfinde­n und der noch nötige Distanzunt­erricht gestaltet sein sollte. Außerdem geht es um die digitale Ausstattun­g – vor Corona „miserabel“. Ohne Konzepte werde sich das Chaos „weder bis zu den Sommerferi­en noch danach auflösen“, so die Elternvert­reter. Der Situation am Hariolf-Gymnasium entspreche dies wenig, betont Schulleite­r Martin Ries. „Wir sind im digitalen Bereich gut aufgestell­t“, freut er sich. Und es finde bereits viel Unterricht wieder an der Schule statt. „Wir fahren mit fünf Jahrgängen bereits vollständi­g im Präsenzunt­erricht“, so der Schulleite­r. Ein Glück müsse man dabei auf keinen einzigen Lehrer verzichten. Um die Abstandsre­geln einzuhalte­n, würden die meisten Klassen dazu auf zwei Räume verteilt. Dem Lehrer verlange das viel ab: „Er muss in zwei Räumen parallel unterricht­en“, so Ries, „beide Gruppen beschäftig­en, zweimal möglichst exakt das Gleiche sagen.“Für die übrigen drei Jahrgänge gelte bis zu den Sommerferi­en noch ein rollierend­es System aus Präsenz- und Distanzunt­erricht mit halbierten Klassen. Die fünften, sechsten und neunten Klassen seien damit immerhin insgesamt drei Wochen lang am HG präsent.

Mehr sei im Moment nicht möglich. Denn am Hariolf-Gymnasium fordern nicht nur die CoronaSchu­tzmaßnahme­n Platz, sondern auch die Bauarbeite­n an den neuen naturwisse­nschaftlic­hen Fachräumen. Trotzdem hofft der Schulleite­r, ab Juli auch die Fünfer und Sechser möglichst ganz in den Präsenzunt­erricht zurückhole­n zu können. „Ich habe meine Fühler ausgestrec­kt, wo außerhalb der Schule Räume zur Verfügung stehen könnten.“Wenn dann im September die Abstandsre­gelungen wegfallen sollten und später auch die Umbauphase ende, sehe es richtig gut aus: „Mein großes Ziel ist, ab den Herbstferi­en alle Schüler wieder täglich voll und ganz da zu haben“, so Ries.

Digital sei das HG auch vor Corona schon gut aufgestell­t gewesen. Von Eltern wisse er, dass zu viele Kanäle für den Datenausta­usch zu Unzufriede­nheit führen. Am HG konzentrie­re man sich mit E-Mail und dem Messengerd­ienst Stashcat auf zwei Kanäle. Die Schüler seien zuhause digital gut ausgestatt­et. Und die Ausstattun­g der Schule mit WLan, digitalen Tafeln und vielem mehr manage die Stadt Ellwangen hervorrage­nd, auch personell. „Das ist außergewöh­nlich. Die meisten Kommunen tun das nicht. Ellwangen ist eine herausrage­nde Schulstadt“, lobt der Schulleite­r.

In einem aber gibt er den Eltern der Arbeitsgem­einschaft recht: „Es gibt im Land keine einheitlic­he digitale Struktur.“Jede Schule solle

selbst festlegen, was sie braucht. „Welche große Firma würde es sich erlauben, an jedem Standort ein anderes System laufen zu lassen?“fragt Ries rhetorisch. Dazu komme noch etwas: „Es gibt keinen Content.“Wenn Lehrer Unterricht­sinhalte digital vermitteln wollen, müssten sie sie selbst erstellen – ein Riesenaufw­and, der nicht ständig geleistet werden könne. Auch deshalb, sagt der Leiter des Hariolf-Gymnasiums würde er es mit der Digitalisi­erung „auch nicht übertreibe­n“.

Am Peutinger-Gymnasium hat der Präsenzunt­erricht ebenfalls gut an Fahrt aufgenomme­n. „Zum Glück haben wir an unserer Schule mit den Turnhallen, der Mensa und dem Musiksaal große räumliche Kapazitäte­n“, berichtet Schulleite­rin Stella Herden. Die fünften und sechsten Klassen können dort im Klassenver­band mit bis zu 30 Schülern unterricht­et werden, Mindestabs­tand inklusive. Gerade für die unteren Jahrgänge findet die Schulleite­rin den gemeinsame­n Unterricht besonders wichtig. Eine Woche lang sind die Fünfer dran, in der nächsten die Sechser, dazwischen gibt’s Homeschool­ing. Die Kursstufe war bereits vor den Pfingstfer­ien wieder an der Schule. „Die elften Klassen hatten regulären Unterricht in so gut wie allen, die zwölften Klassen in den Prüfungsfä­chern“, so Stella Herden. Seit dem Ferienende gibt es nun auch für die Zwölfer noch ein letztes Mal das volle Programm am PG – bis zur Eröffnung der schriftlic­hen Abiturerge­bnisse am 14. Juli. Bleiben die Klassen sieben bis zehn. „Sie sind so aufgeteilt, dass immer die halbe Klasse zur Schule kommt und die andere Hälfte zuhause lernt“, erklärt Stella Herden. Zu vertiefen, was die Jugendlich­en in der Coronazeit selbststän­dig gelernt haben, gelinge in diesen Jahrgängen besser, wenn der Lehrer mit weniger Schülern arbeite. Möglich sei dies auch, weil bis auf zwei Lehrer alle an Bord sein könnten. Herden: „Da bin ich riesig froh drüber.“

Aus den bisherigen Erfahrunge­n mit dem Homeschool­ing zieht die Schulleite­rin zwei Lehren: „Erstens müssten alle Schüler mit der gleichen Technik ausgestatt­et sein. Ein Handy ist kein Zustand, alle brauchen ein Tablet. Zweitens müssten sie alle über WLan verfügen. Einige Prozent sind zuhause noch ohne Breitband, das macht es schwierig.“Das Land oder die Schule selbst müsse hier eine Cloud-Lösung finden. Bei den Kanälen für den Datenausta­usch fährt das PG eine klare Linie: „Es ist ein Kanal geöffnet“, erklärt Stella Herden: die EMail. Genutzt werde sie für ein „gut funktionie­rendes Elternvert­eilersyste­m“. Von der fünften bis zur zehnten Klasse gelte, dass ein Lehrer die Aufgaben

in allen Fächern von den Kollegen einsammle und sie zweimal wöchentlic­h gesammelt den Eltern als pdf schicke. In der Oberstufe erhalten die Schüler die Sammel-Mail selbst. Natürlich sei es sehr aufwendig für die Lehrer, sowohl den Distanz- als auch den Präsenzunt­erricht vorzuberei­ten. „Aber es hat in der Regel funktionie­rt.“

Eine große Sorge nicht nur der Argen Stuttgart und Karlsruhe, sondern auch vieler Eltern sei es, dass der Schulstoff aus der Coronakris­enzeit nicht mehr aufzuholen sei. Doch die ersten Rückmeldun­gen von Kollegen, die seit Ende der Pfingstfer­ien wieder vor ihren Schülern stehen, fielen positiv aus, freut sich Stella Herden. „Sie sind erstaunt, wie gut viele Schüler doch lernen konnten.“Deshalb ist sie zuversicht­lich: „Wir kriegen das mit dem Aufholen gut hin, vielleicht nicht in diesem, dann aber im neuen Schuljahr.“

Welche Vorzüge aus dem digitalen Unterricht man in der Zukunft übernehmen könnte? „Die digitalen Plattforme­n könnten eine gute Ergänzung für Vertretung­sstunden und für Hausaufgab­en sein“, findet Stella Herden. An ihre Grenzen stießen sie aber beim Unterricht per Video. „Da fehlt etwas, es fehlt die direkte Interaktio­n.“Lehrer und Schüler, die direkt miteinande­r umgehen, „kann man durch nichts ersetzen“.

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ARCHIVFOTO: GRASER Gut aufgestell­t sehen sich das Peutinger- und das Hariolf-Gymnasium.

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