Aalener Nachrichten

Harte Kritik an Corona-Verordnung

Existenzän­gste treiben Gaby Barth um – Mehrere Briefe hat sie an Ministerie­n und das Regierungs­präsidium geschickt

- Von Verena Schiegl

(an) - Zweieinhal­b Monate lang musste wegen des Lockdowns das Studio Pilates Plus Fitness & Yoga von Gaby Barth geschlosse­n bleiben. Seit über drei Wochen darf sie wieder Kurse anbieten. Die Auflagen stoßen ihr allerdings sauer auf.

- Zweieinhal­b Monate lang musste wegen des Lockdowns das Studio Pilates Plus Fitness & Yoga von Gaby Barth geschlosse­n bleiben. Seit über drei Wochen darf sie wieder Kurse anbieten. Die Auflagen der Landesregi­erung stoßen ihr allerdings sauer auf. Die Regelung, dass die Matten so drapiert werden müssen, dass jeder Person mindestens zehn Quadratmet­er zur Verfügung stehen, sei wirtschaft­lich eine Katastroph­e. Die 53jährige Aalenerin ärgert sich auch darüber, dass kleine Studios mit Fitnesscen­tern über einen Kamm geschoren werden. Im Gegensatz zu den großen Playern auf dem Markt müssten Selbststän­dige wie sie ums Überleben kämpfen.

Die Zeiten, in denen zwischen acht und neun Teilnehmer in einem Raum des Studios von Gaby Barth im Geierweg in Hofherrnwe­iler auf der Matte lagen, sind seit Corona vorbei. Während des Lockdowns trainierte nur sie hier. Mit der Nachricht, schließen zu müssen, sei Barth in eine Schockstar­re verfallen. Um sich über Wasser zu halten, bot sie während dieser Zeit Onlinekurs­e an. Für die 53-Jährige, die sich selbst als nicht technisch-versiert und als nicht online-affin beschreibt, sei dies ein großer Schritt gewesen, den sie allerdings mit Hilfe ihrer Tochter gemeistert habe. Die Nachricht, nach einer langen Durststrec­ke endlich wieder ihr Studio öffnen zu dürfen, sei ein Silberstre­if am Horizont gewesen. Doch die damit verbundene­n Auflagen vonseiten der Landesregi­erung sind existenzge­fährdend, sagt Barth, die ihr Studio seit 2017 betreibt.

Angesichts der Regelung, die Matten so drapieren zu müssen, dass jedem Teilnehmer zehn Quadratmet­er zur Verfügung stehen, kann sie in ihrem Raum nur noch vier Personen unterricht­en. Zwei weitere Kursteilne­hmer hat sie in einen anderen Raum verlegt, in dem sie vormittags ihre medizinisc­he Fußpflege anbietet und den sie am Abend für die Kurse umgestalte­n muss. Sie selbst stehe bei den Übungsstun­den im Flur. Von dort aus können sie die in einen extra Raum verlegten beiden Teilnehmer sehen. Die anderen vier verfolgen die Übungen, die Gaby Barth vorführt oder ansagt per Kameraüber­tragung über den im Raum installier­ten Fernseher. „Diese Kunden kann ich auf diese Weise nicht korrigiere­n“, sagt Barth. Deshalb gebe es Woche für Woche ein rollierend­es System, in dem die einzelnen Teilnehmer die Räumlichke­iten wechseln.

Um die Auflagen einhalten zu können, habe sie viel Geld investiert. Nicht nur in die Technik in Form der Webcam und des Fernsehers, sondern auch in die Abtrennwän­de, die sie zum Schutz zusätzlich in beiden Räumen aufstellte. Entsprunge­n sind diese der Kreativitä­t ihres Mannes, der die angeschaff­ten Kleiderstä­nder mit gekauften Duschvorhä­ngen versehen hat. Diese sind nicht nur leicht hinund herzuschie­ben, sondern können auch auf einfache Weise abgewasche­n und desinfizie­rt werden, sagt Barth.

Die Aalenerin nimmt das Thema Corona nicht auf die leichte Schulter. Und sie nimmt auch die Abstandsun­d Hygienereg­eln mehr als ernst. Neben den Trennwände­n setzt sie bereits am Eingang auf Sicherheit. Sowohl hier als auf der Toilette ist ein Desinfekti­onsständer angebracht. Die Teilnehmer kommen mit Mund-Nasen-Maske herein und legen diese nur während der Übungsstun­de ab. Die Matten werden nach jeder Stunde gründlich gereinigt. Zum Teil bringen die Teilnehmer, deren Daten im Falle einer Infektion alle vorliegen, sogar ihre eigenen Matten mit. Diese werden so drapiert, dass die Köpfe in einem Abstand von 1,5 Meter auseinande­rliegen. Mit diesen Vorkehrung­en sei es durchaus möglich, mit sieben Personen in einem Raum, der überdies ständig gelüftet werde, zu üben, sagt Barth.

Doch die Landesregi­erung sieht das anders und vergleiche Äpfel mit Birnen. Die Auflagen, die große Fitnessstu­dios und Sporthalle­n mit kleinen Studios gleichsetz­en, seien ungerecht, sagt Barth. Immerhin hätten erstere angesichts ihrer Fläche ganz andere Ausweichmö­glichkeite­n. Die Welt versteht Barth auch nicht vor dem Hintergrun­d, dass sich im privaten Rahmen mittlerwei­le wieder bis zu 20 Personen aus verschiede­nen Haushalten treffen dürfen, in ihrem Studio allerdings die Zehn-Quadratmet­erRegelung eingehalte­n werden muss. „Da stellt sich mir schon die Frage, wer mehr Aerosole ausstößt. Sieben Personen, die statisch und ohne große Atemübunge­n auf einer Matte Yoga und Pilates trainieren, durch Trennwände geschützt sind und so gut wie nicht miteinande­r sprechen, oder 20 Personen beim Kaffeeklat­sch?“

Etliche Briefe hat Barth schon ans Kultusmini­sterium, Wirtschaft­sministeri­um und ans Gesundheit­sministeri­um geschriebe­n. Regelmäßig hake sie auch beim Regierungs­präsidium in Stuttgart nach. Eine Antwort habe sie von allen Institutio­nen bislang nicht erhalten. Die Not kleiner Selbststän­diger interessie­re offenbar nicht. Doch diese sei mittlerwei­le groß. „Wenn es so weitergeht, halte ich kein halbes Jahr mehr durch“, sagt Barth. Das Zeitfenste­r von privaten Trainern, zu denen sie zähle, sei sehr klein, da die Kunden zumeist berufstäti­g seien und deshalb für den Unterricht nur wenige Stunden meist am Abend bleiben würden.

„Wir müssen unseren Lebensunte­rhalt oft in der Hälfte der Zeit wie andere Menschen verdienen. Das heißt allerdings nicht, dass wir nur ein paar Stunden am Tag arbeiten. Alle Stunden müssen geplant und vorbereite­t werden, inklusive der Büroarbeit“, sagt Barth. Angesichts der strikten Vorgaben arbeite Barth gerade einmal kostendeck­end, neue Kunden könne sie nicht annehmen. „Größere Räume anzumieten, kann ich mir nicht leisten und auch Sporthalle­n stehen zu meinen Trainingsz­eiten nicht zur Verfügung.“

„Ich wünsche mir, dass die Landesregi­erung ihre Auflagen überdenkt und uns die Chance gibt, überleben zu können“, sagt Barth. Hätte sie ihre medizinisc­he Fußpflege nicht noch nebenher, wäre sie schon lange pleite. Das Wort systemrele­vant sei für sie das Unwort des Jahres. „Sicherlich halten Pflegekräf­te, Mitarbeite­r im Krankenhau­s und im Supermarkt in Corona-Zeiten die Stellung. Doch jeder, der Steuern bezahlt ist systemrele­vant. Ansonsten würde unser Gesundheit­ssystem so nicht funktionie­ren.“

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Gaby Barth, Inhaberin des Studios Pilates Plus Fitness & Yoga, hat schwer mit den Auflagen der Landesregi­erung zu kämpfen. Sie ärgert sich, dass große Fitnessstu­dios mit kleinen Studios wie ihrem über einen Kamm geschoren werden. Mehrere Briefe hat sie bereits an verschiede­ne Ministerie­n und das Regierungs­präsidium in Stuttgart geschriebe­n. Eine Antwort blieb bislang aus.
FOTO: THOMAS SIEDLER Gaby Barth, Inhaberin des Studios Pilates Plus Fitness & Yoga, hat schwer mit den Auflagen der Landesregi­erung zu kämpfen. Sie ärgert sich, dass große Fitnessstu­dios mit kleinen Studios wie ihrem über einen Kamm geschoren werden. Mehrere Briefe hat sie bereits an verschiede­ne Ministerie­n und das Regierungs­präsidium in Stuttgart geschriebe­n. Eine Antwort blieb bislang aus.

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