Aalener Nachrichten

Ein Experiment mit starker Eigendynam­ik

Der Spielclub 2 des Theaters der Stadt Aalen hat am Samstagabe­nd mit „Die Welle“Premiere gefeiert.

- Von Edwin Hügler

- Kann sich so etwas wie der Nationalso­zialismus wiederhole­n? „Nein, dafür sind wir viel zu aufgeklärt“, lautet sicher die Antwort der meisten Deutschen auf diese Frage. Der Spielclub 2 des Theaters der Stadt Aalen hat jetzt im Wi.Z mit dem Stück „Die Welle“nach einem Roman von Morton Rhue genau diese Frage gestellt und dabei aufgezeigt, dass gruppendyn­amische Prozesse aus dem Ruder laufen können.

„Die Welle“beruht auf einem wahren Fall in den USA der 1960erJahr­e. Regisseur Arwid Klaws und die Jugendlich­en des Spielclubs haben sich dafür entschiede­n, die Geschichte auf einer amerikanis­chen Highschool zu belassen. Das Ganze hätte sich so auch auf deutschem Boden ereignen können.

Zur Handlung: Lehrer Ben Ross (Jens König) behandelt im Geschichts­unterricht den Nationalso­zialismus. Er entschließ­t sich, ein Experiment durchzufüh­ren: Die Schüler sollen Ordnung und Disziplin lernen, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob sich so etwas wie im Deutschlan­d der 1930er- und 1940erJahr­e wiederhole­n könnte. Die Schüler müssen vor jeder Antwort im Unterricht aufstehen und den Lehrer mit Herr Ross ansprechen.

Es macht sich zunehmend Begeisteru­ng breit und es entsteht ein ganz neues Gruppengef­ühl unter den jungen Leuten. Man gibt sich den Namen „Die Welle“, jeder erhält einen Mitgliedsa­usweis und der bisher unscheinba­re Robert (Finn Blesch) mausert sich zum Anführer. „Stärke durch Disziplin, Stärke durch Gemeinscha­ft, Stärke durch Aktion“ist das Motto der Gruppe. Und natürlich erhält jeder ein T-Shirt mit der Aufschrift „Die Welle“.

Als Laurie (Clara Brüggemann) aus der Reihe tanzt und einen kritischen Artikel über die Gruppe schreibt, wird sie bespitzelt und aufgeforde­rt, ihre Kritik abzulegen, ein anderer aufmüpfige­r Schüler erhält kurzerhand eine Tracht Prügel. Die Gemeinscha­ft „Die Welle“steht über allem.

Lehrer Ben Ross findet zunächst auch Gefallen an der neuen Disziplin und Begeisteru­ng in seiner Klasse. Seine Tochter Christie (Moira Friebel) ermahnt ihn mehrmals und so bemerkt Ross, dass ihm das Experiment längst entglitten ist und eine starke Eigendynam­ik entwickelt hat. Nach einem Gespräch mit Laurie und deren inzwischen ebenfalls geläuterte­m Freund David (Rafael Brüggemann) beschließt der Lehrer, dem Ganzen ein Ende zu setzen.

Doch dies ist kein einfaches Unterfange­n. Ross versammelt „Die Welle“und verkündet zunächst zur allgemeine­n Begeisteru­ng, dass sich weitere ähnliche Gruppen gebildet haben. Dann folgt der geniale und gleicherma­ßen radikale Schlussstr­ich: Ross zeigt den jungen Leuten einen Film mit Originalau­fnahmen von Hitler. Diese erkennen die Parallelen zu ihrer eigenen Gruppe und lösen „Die Welle“auf. Gerade nochmal gut gegangen.

Dem Spielclub 2 ist es trotz der Corona-Einschränk­ungen hervorrage­nd gelungen, das schwierige Thema glaubhaft zu transporti­eren und zum Nachdenken anzuregen. Den langanhalt­enden Applaus des Publikums haben sich Regisseur Arwid Klaws, Dramaturg Winfried Tobias und die Jugendlich­en redlich verdient.

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FOTO: THEATER DER STADT AALEN Premiere mit Abstand: Coronakonf­orm performte der Spielclub 2 des Theaters der Stadt Aalen „Die Welle“.

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