Ein Experiment mit starker Eigendynamik
Der Spielclub 2 des Theaters der Stadt Aalen hat am Samstagabend mit „Die Welle“Premiere gefeiert.
- Kann sich so etwas wie der Nationalsozialismus wiederholen? „Nein, dafür sind wir viel zu aufgeklärt“, lautet sicher die Antwort der meisten Deutschen auf diese Frage. Der Spielclub 2 des Theaters der Stadt Aalen hat jetzt im Wi.Z mit dem Stück „Die Welle“nach einem Roman von Morton Rhue genau diese Frage gestellt und dabei aufgezeigt, dass gruppendynamische Prozesse aus dem Ruder laufen können.
„Die Welle“beruht auf einem wahren Fall in den USA der 1960erJahre. Regisseur Arwid Klaws und die Jugendlichen des Spielclubs haben sich dafür entschieden, die Geschichte auf einer amerikanischen Highschool zu belassen. Das Ganze hätte sich so auch auf deutschem Boden ereignen können.
Zur Handlung: Lehrer Ben Ross (Jens König) behandelt im Geschichtsunterricht den Nationalsozialismus. Er entschließt sich, ein Experiment durchzuführen: Die Schüler sollen Ordnung und Disziplin lernen, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob sich so etwas wie im Deutschland der 1930er- und 1940erJahre wiederholen könnte. Die Schüler müssen vor jeder Antwort im Unterricht aufstehen und den Lehrer mit Herr Ross ansprechen.
Es macht sich zunehmend Begeisterung breit und es entsteht ein ganz neues Gruppengefühl unter den jungen Leuten. Man gibt sich den Namen „Die Welle“, jeder erhält einen Mitgliedsausweis und der bisher unscheinbare Robert (Finn Blesch) mausert sich zum Anführer. „Stärke durch Disziplin, Stärke durch Gemeinschaft, Stärke durch Aktion“ist das Motto der Gruppe. Und natürlich erhält jeder ein T-Shirt mit der Aufschrift „Die Welle“.
Als Laurie (Clara Brüggemann) aus der Reihe tanzt und einen kritischen Artikel über die Gruppe schreibt, wird sie bespitzelt und aufgefordert, ihre Kritik abzulegen, ein anderer aufmüpfiger Schüler erhält kurzerhand eine Tracht Prügel. Die Gemeinschaft „Die Welle“steht über allem.
Lehrer Ben Ross findet zunächst auch Gefallen an der neuen Disziplin und Begeisterung in seiner Klasse. Seine Tochter Christie (Moira Friebel) ermahnt ihn mehrmals und so bemerkt Ross, dass ihm das Experiment längst entglitten ist und eine starke Eigendynamik entwickelt hat. Nach einem Gespräch mit Laurie und deren inzwischen ebenfalls geläutertem Freund David (Rafael Brüggemann) beschließt der Lehrer, dem Ganzen ein Ende zu setzen.
Doch dies ist kein einfaches Unterfangen. Ross versammelt „Die Welle“und verkündet zunächst zur allgemeinen Begeisterung, dass sich weitere ähnliche Gruppen gebildet haben. Dann folgt der geniale und gleichermaßen radikale Schlussstrich: Ross zeigt den jungen Leuten einen Film mit Originalaufnahmen von Hitler. Diese erkennen die Parallelen zu ihrer eigenen Gruppe und lösen „Die Welle“auf. Gerade nochmal gut gegangen.
Dem Spielclub 2 ist es trotz der Corona-Einschränkungen hervorragend gelungen, das schwierige Thema glaubhaft zu transportieren und zum Nachdenken anzuregen. Den langanhaltenden Applaus des Publikums haben sich Regisseur Arwid Klaws, Dramaturg Winfried Tobias und die Jugendlichen redlich verdient.