Sanierung kontra Neubau
Der alte Röttinger Kindergarten soll abgerissen werden – Das findet nicht jeder gut
- Der mehr als 100 Jahre alte, denkmalgeschützte Kindergarten in Röttingen soll abgerissen und dann durch einen Neubau ersetzt werden. Das Vorhaben der ansässigen Kirchengemeinde und der Stadt Lauchheim gefällt jedoch längst nicht jedem. Röttingens früherer Ortsvorsteher Alois Diemer nennt das Projekt „ärgerlich“und schlägt eine erneute Kostenschätzung vor. Sein Nachfolger Gunther Ziegelbauer hingegen sieht keine Alternative zu einem Neubau.
Die Röttinger scheinen sich einig zu sein. Während einer Bürgerversammlung stimmten 99 Prozent der Anwesenden für den Abriss des 1904 erbauten „Klösterles“. Grund für den Abriss sollen durch Senkungen eingetretene Rissbildungen im Hauptgebäude sowie im etwa 60 Jahre später entstandenen Anbau sein. Die Kirchengemeinde Röttingen als Träger und Eigentümer sowie die Stadt Lauchheim sind sich daher einig: Der alte Kindergarten muss weg, ein neuer soll her – eine Idee, die offenbar nicht nur Freunde hat.
Dass das Gebäude abgerissen werden solle, sei ein Schlag ins Gesicht vieler Röttinger, findet Alois Diemer. Röttingen würde seiner Seele beraubt, ist sich der frühere Ortsvorsteher des Teilorts sicher. Zudem sei er erschüttert, dass man den in den 1960er-Jahren entstandenen Anbau des Kindergartens ebenfalls abreißen will.
Dass ein Neubau günstiger ist als die Sanierung des alten Kindergartens, glaubt Diemer, der etwa 30 Jahre lang im Lauchheimer Gemeinderat saß, nicht. Er müsse halt technisch und energetisch erneuert werden, betont er. Die festgestellten Setzungsrisse gebe es zudem nur an der Nordseite des Baus an einer Ecke. Solche Risse seien bei einem Gebäude dieses Alters jedoch ganz normal, erläutert Diemer.
Kindergartenleiterin Christine Schmid hatte jüngst erklärt, dass durch die Risse gegenwärtig keine Gefahr für die Kinder bestehe. Die Sanierung des Gebäudes sei aber mit enormen Kosten verbunden und entspräche nicht dem, was zur Führung eines Kindergartens mit zwei Gruppen und der Betreuung von Kindern ab dem zweiten Lebensjahr nach heutigen Erkenntnissen vorgeschrieben sei, erläuterte sie. Alois Diemer ist jedoch anderer Ansicht. Man solle eine zweite Kostenschätzung in Auftrag geben, fordert er.
Alois Diemer hat den Kindergarten Anfang der 1950er-Jahre selbst besucht. Er habe viele schöne Erinnerungen an diese Zeit. Daher sei der Abriss umso ärgerlicher, betont er.
Von weitaus gravierenderen Mängeln spricht jedoch der amtierende Ortsvorsteher Gunther Ziegelbauer. Der alte Gebäudeteil habe sich so stark gesenkt, dass große Risse vor allem im Keller entstanden seien, sodass der Putz abbröckele. Zudem seien die Fenster total verzogen. Eine hinzugezogene Architektin hat laut Ziegelbauer in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung ermittelt, dass eine Sanierung weitaus teurer komme als ein Neubau. Und wenn man renoviere, habe man trotzdem immer noch einen alten Kindergarten, so der Ortsvorsteher. Und wo solle man die Kinder während der Sanierungsphase unterbringen, fragt er sich.
Zu den Maßnahmen, die bei einer Sanierung nötig wären, gehört laut Ziegelbauer die Unterfangung der Grundmauer, wodurch das Fundament nachträglich stabilisiert wird. Allein das sei schon sehr teuer und aufwendig, erläutert der Ortsvorsteher. Man müsse hierbei wirklich Sinn und Nutzen des Ganzen betrachten.
Der Ortschaftsrat, der Gemeinderat und der Kirchengemeinderat stehen nach Angaben Ziegelbauers geschlossen hinter dem Projekt. Die Kosten für den Neubau sollen sich auf rund zwei Millionen Euro belaufen, wovon die Stadt Lauchheim 80 Prozent tragen wird. Gebaut werden soll auf dem Gelände des jetzigen Spielplatzes und auf einem Nachbargrundstück. Die Verhandlungen über den anteiligen oder gesamten Verkauf würden jedoch derzeit noch laufen, sagt Ziegelbauer. Man hoffe, das ganze Grundstück bekommen zu können. Sei der Neubau errichtet, könne der alte Kindergarten abgerissen werden. Hier solle dann ein neuer Spielplatz entstehen.
Der Röttinger Kindergarten entstand im Jahre 1904. Der damalige Pfarrer habe sich stark dafür eingesetzt, in Röttingen eine Schwesternstation zu errichten. Daher sei das Gebäude unter dem Namen „Klösterle“bekannt, erklärt Lauchheims Alt-Bürgermeister Werner Kowarsch.
Gebaut wurde das Haus aus Dopfersteinen. Diese Steine waren im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ein Recycling-Produkt vom Hochofen der Wasseralfinger Hüttenwerke. Den Grundstoff bildete die Schlacke. In und um Wasseralfingen gebe es mehrere solcher Häuser. In Lauchheim sei es der einzige Bau dieser Art, so Kowarsch.
Wie es mit dem Projekt Kindergarten Röttingen weitergeht und wann mit dem Neubau begonnen werden kann, soll während einer
im Januar erörtert werden.