Zündende Idee: Das Dinner im Wohnmobil
Familie Scherr vom Gasthof Lamm will mit dem Angebot vor allem das treue Personal sichern.
- „Not macht erfinderisch“, lautet eine alte Binsenweisheit. Diese trifft auch auf die Familie Scherr zu, die in der vierten Generation den Landgasthof Lamm in Ebnat betreibt. Wegen der Corona-Pandemie sind das Hotel und Restaurant wie alle gastronomischen Betriebe seit Anfang November geschlossen. Um ihre Mitarbeiter neben dem Außer-Haus-Verkauf am Wochenende weiterbeschäftigen zu können und ihren Gästen trotz Corona eine besinnliche Weihnachtszeit zu bescheren, bieten Wolfgang, Valentin und Franziska Scherr an vier Terminen im Dezember etwas Besonderes an: Mit ihrem Wohnmobil-Dinner folgen sie auch einem Trend, der in Deutschland seit geraumer Zeit boomt und das Restaurant-Feeling in Wohnmobile und Vans bringt.
Nach dem ersten Lockdown im März im November abermals schließen zu müssen, hat die Gastronomen schwer gebeutelt. „Mit dem im Sommer erzielten Umsatz haben wir uns gerade erholt“, sagt Valentin Scherr, der Sohn des Küchenmeisters Wolfgang Scherr, der in normalen Zeiten gemeinsam mit seinem Vater den Service im Ebnater Lamm stemmt. Die Hoffnung, den Verlust schließlich in der Vorweihnachtszeit mit Firmen- und Weihnachtsfeiern wieder aufzuholen, habe sich wegen des Teil-Shutdowns zerschlagen. Ein Glück sei es, dass das Haus mit Restaurant und Hotel seit 1911 im Eigentum der Familie ist und insofern keine Pacht bezahlt werden muss. „Dennoch haben auch wir monatliche Belastungen, die wir tragen müssen und das ist angesichts des fehlenden Umsatzes schwierig.“
Trotz der prekären Situation steckt die Familie Scherr nicht den Kopf in den Sand, sondern versucht wie auch alle anderen Gastronomen, mit kreativen Konzepten und pfiffigen Ideen das Beste aus der Situation zu machen. „Im Gegensatz zu Gastronomiebetrieben in Aalen haben wir uns gegen einen Lieferservice für das Lamm entschieden, da unsere Kundschaft weit über das Härtsfeld und die Region verstreut ist“, sagt Valentin Scherr. Am Wochenende bietet die Familie Scherr seit Anfang November allerdings wieder einen Außer-Haus-Verkauf an.
Dem Familienbetrieb, den Wolfgang Scherr seit 1987 führt, gehe es allerdings nicht in erster Linie darum, Gewinne zu erzielen, sondern vor allem darum, seine Mitarbeiter weiter beschäftigen zu können. „Diese haben bislang jedes Erschwernis mitgetragen und würden dem Lamm nach wie vor mit großem Einsatz die Treue halten“, sagt Valentin Scherr. Der 23-Jährige denkt nicht nur an die fünf Festangestellten, die unter der Kurzarbeit und dem fehlenden Trinkgeld zu knabbern hätten, sondern auch an die 450-Euro-Kräfte, die sich zu ihrem Ausbildungsgehalt oder zu ihrem Studium etwas dazuverdienen möchten. „Die Angst, dass unsere Mitarbeiter als Seele des Lamms abwandern, sich woanders einen Job suchen und uns irgendwann das Personal fehlt, ist groß.“
Um den Angestellten als auch den Gästen eine schöne Vorweihnachtszeit bescheren zu können, sei die Idee entstanden, mit dem Wohnmobil-Dinner andere Wege zu gehen. Auf diese neue Art der Gastronomie sei die Familie Scherr bereits beim ersten Lockdown gestoßen worden, als eine Familie Ende April mit ihrem VW-Bus auf den Parkplatz des Restaurants gefahren sei und das vorher bestellte Essen in dem Fahrzeug genossen habe. Mit der Öffnung des
Lokals Mitte Mai und einem umsatzmäßig relativ guten Sommer sei diese Idee allerdings erst einmal nicht mehr verfolgt worden. Aufgekommen sei der Gedanke daran erst wieder mit dem Teil-Shutdown Anfang November.
Seither laufen die Vorbereitungen für dieses Konzept, das auch der innovative und junge Küchenchef Sven Enßlin mit vorangetrieben habe, auf Hochtouren. Das Marketing dafür haben zwei ehemalige Mitarbeiter des Lamms übernommen, die eigens dafür auch Fotos geschossen und ein Video gedreht haben. Dieses ist auf der Homepage des Landgasthofes ebenso zu finden wie auf Facebook,
sagt Valentin Scherr.
wo das Video über das Wohnmobil-Dinner bereits nach drei Tagen über 23 000 User erreicht hat. Die Resonanz sei riesig, sagt Valentin Scherr. Viel Arbeit habe auch das Tüfteln an den beiden Menüs mit vier unterschiedlichen Hauptgerichten in Anspruch genommen, aus denen die Gäste an den vier Terminen im Dezember auswählen können. Telefonate mussten auch mit dem Ordnungsamt geführt werden, ob das Wohnmobil-Dinner gemäß der aktuellen Corona-Verordnung so ablaufen darf wie geplant.
Das Konzept steht. Auch die Termine im Dezember sind festgezurrt. „Das erste Wohnmobil-Dinner am Samstag, 12. Dezember, ist fast ausgebucht“, sagt Valentin Scherr. Viele Gäste würden auch nachfragen, ob nicht das Lamm selbst Wohnmobile für die Events bereitstellen könnte. Auch bei Durchreisenden, die auf der A7 unterwegs sind, würde das Angebot des Landgasthofs ankommen. Jetzt hofft Valentin Scherr nur, dass er und seine Familie dieses auch durchziehen dürfen. Denn die Angst, dass es angesichts der nach wie vor hohen Infektionszahlen auch im Ostalbkreis zu einem großen Lockdown, verbunden mit Ausgangsbeschränkungen, kommt, sei groß.
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Sollte es im Dezember zu keinen Verschärfungen kommen, können die Gäste ihr Dinner im eigenen Wohnmobil auf dem Parkplatz des Lamms genießen. Für rund 25 Fahrzeuge sei hier Platz, sagt Valentin Scherr. Auf der Homepage des Restaurants können die Gäste ihre Menüs vorbestellen. „Bei der Ankunft auf dem Parkplatz
des Lamms wird ihnen nach der Begrüßung ein Stellplatz zugewiesen“, sagt Valentin Scherr. „Dort bekommen sie vom Servicepersonal weihnachtliche Dekoration sowie Teller und Besteck ausgehändigt und werden auch mit Getränken versorgt.“Das bestellte Menü werde dann nach und nach am Wohnmobil übergeben. Am Ende des Abends würden das benutzte Geschirr, Servietten und die Dekoration wieder abgeholt. Bezahlt werden könne per EC-Karte oder bar.
„An allen vier Terminen werden drei bis vier Mitarbeiter in der Küche die Menüs zaubern“, sagt Valentin Scherr. Ebenso viele werden im Service im Einsatz sein. Darunter er selbst und seine Schwester Franziska. Ihre Aufgabe sei es auch, die Corona-Auflagen im Auge zu behalten, also darauf zu achten, dass nur Menschen aus zwei Haushalten im Wohnmobil oder Van zusammenkommen. Die Erfahrung habe allerdings gezeigt, dass die Gäste sehr eigenverantwortlich mit Corona umgehen und bereits bei der Bestellung die Anzahl der Personen und Haushalte samt Kontaktdaten angeben würden, sagt Valentin Scherr. Das Erfolg versprechende Konzept wollen die Scherrs auch im neuen Jahr fortführen. Unabhängig von einer regulären Öffnung des Restaurants.
Die Angst, dass unsere Mitarbeiter sich woanders einen Job suchen, ist groß“,