Konzept des Kreises stößt Ärzten sauer auf
Medizinische Versorgungszentren: Wettbewerbsverzerrung und falsche Anreize befürchtet
- Drei sogenannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) an den Kliniken in Aalen, Schwäbisch Gmünd und Ellwangen sieht die MVZStrategie vor, die am Dienstagabend im Verwaltungsrat der Kliniken und im Kreistagsausschuss für Soziales und Gesundheit vorgestellt worden ist. Diese stieß den Vertretern der Kreisärzteschaften, Sebastian Hock (Ellwangen) und Erhard Bode (Schwäbisch Gmünd), sauer auf und forderte energischen Widerspruch heraus. Sie fürchten eine Wettbewerbsverzerrung und falsche Anreize. Hock zitierte sogar einen Kollegen, der von einer Kriegserklärung an die niedergelassenen Ärzte gesprochen habe. Dies wiederum kam im Gremium nicht gut an. Gunter Bühler (CDU) forderte die Mediziner auf, den, wie er sagte, drohenden Unterton zu unterlassen und in einen Dialog einzutreten.
Hock sagte, mit diesem Konzept würde das Bestreben konterkariert, die ärztliche Versorgung in der Fläche sicherzustellen. Es würde möglicherweise noch schwerer, Nachfolger für niedergelassene Ärzte zu finden, die ja auch Unternehmer und Arbeitgeber seien, weil diese mehr arbeiten müssten als angestellte Mediziner. Auch wäre es Rosinenpickerei, die lukrativen Praxen bei den Kliniken anzusiedeln und die weniger lukrativen den Ärzten und Kommunen zu überlassen. Hock: „Da muss man beinahe sagen: 'Ja geht’s noch?'“
Daraufhin nahm sich Roland Hamm (Linke) die Ärzte zur Brust. Weil sie die Versorgung nicht sicherstellen könnten, sei die Politik gefordert und daher könnten sie sich nicht beklagen. Diesen Vorwurf ließ Hock an sich abprallen: Für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung seien die Krankenkassen verantwortlich, nicht die Kreisärzteschaften.
Die Kliniken sollen zwar auf keinen Fall flächendeckend die Versorgung mit Fachärzten oder gar noch mit Hausärzten übernehmen. Vielmehr sollen nach wie vor in erster Linie die niedergelassenen Ärzte selbst und der freie Markt für die Regelung der Nachfolge in den Arztpraxen zuständig sein. Dies hatte zuvor Thomas Schneider vom Klinik-Vorstand unterstrichen. Aber Kommunen, Kreis, Kreisärzteschaft und Kliniken sollen zusammenwirken, um massiv dem Ärztemangel mit attraktiven und flexiblen Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. Es fehle nicht nur an Fachkräften. Hinzu komme der Wunsch junger Ärzte, ihre Arbeitszeit flexibler gestalten zu können und wirtschaftliche Sicherheit zu haben durch eine Anstellung in Voll- und Teilzeit und im Team zu arbeiten anstatt wie bisher als Einzelkämpfer. Daher sollen die ambulanten Versorgungsstrukturen entsprechend gestaltet werden.
Zum Jahresanfang 2019 wurde das Tochterunternehmen MVZ Ostalb Kliniken der Krankenhäuser des Kreis gegründet als Grundlage für Betriebsstätten in einzelnen Regionen. Gleichzeitig wurde das erste MVZ in Ellwangen in Betrieb genommen mit einem Zweigbetrieb in Bopfingen, der seit 1. April 2019 besteht. Am 1. Oktober 2019 folgte ein MVZ in Westhausen. Zum 1. Januar 2021 wird eine Facharztpraxis
für Innere Medizin zu einer Betriebsstätte in Aalen. Damit soll die Versorgung im Bereich Endoskopie und die Zuweisung an die Innere Medizin I am Ostalb-Klinikum sichergestellt werden.
An den Standorten Aalen und Schwäbisch Gmünd gibt es laut Verwaltung weitere Anfragen und konkretes Interesse zur MVZ-Gründung in den Fachrichtungen Gynäkologie/ Geburtshilfe sowie Innere Medizin.
Geografisch werden die MVZStandorte in drei Bereiche unterteilt: Zum einen gibt es MVZ-Betriebsstätten an den Klinikstandorten mit Facharztpraxen als regionale sektorenübergreifende medizinische Schwerpunkte oder Zentren des Klinikstandorts. Hierbei geht es um die Sicherstellung der Zuweisung in stationäre medizinische Zentren bei gemeinsamer Raum- und Gerätenutzung. Zusätzlich können administrative Tätigkeiten wie IT, Einkauf, Hygiene oder Datenschutz unterstützt werden. Sogenannte Integrierte MVZ sind Schwerpunkt der Strategie Kliniken Ostalb, die auch die Träger sind.
Zum anderen gibt es MVZ-Betriebsstätten geplant in Städten und Gemeinden mit überregionalen, kommunalen Versorgungsaufgaben und entsprechender Infrastruktur für Facharzt- und Hausarztpraxen wie etwa Heubach, Abtsgmünd, Neresheim, Westhausen, Oberkochen oder Spraitbach. Hier stehen die wohnortnahe hausärztliche Versorgung im Verbund sowie die Stärkung regionaler Schwerpunkte im Vordergrund. Als Träger kommen vorrangig die Kreisärzteschaften und die Kommunen in Frage.
Zuletzt gibt es MVZ-Betriebsstätten in Gemeinden zu benachbarten Landkreisen sollen eine Abwanderung von Patienten in Nachbarlandkreise verhindern und die hausärztliche Versorgung in der Fläche sicherstellen. Das Betreibermodell soll in diesem Bereich ebenfalls vorwiegend durch Kreisärzteschaft und die Kommunen realisiert werden. Außerdem ist festgelegt, dass Ärzte bei Verzicht auf den Arztsitz zugunsten des MVZ zu einer mindestens dreijährigen Mitarbeit im MVZ in zeitlich abgestuftem Umfang verpflichtet sind.