Trunkenheitsfahrt wird zur Tragödie
Geständiger Unfallfahrer geht für 22 Monate ins Gefängnis
- Am Dienstag ist vor der Schwurgerichtskammer am Ellwanger Landgericht ein Fall verhandelt worden, der für Aufsehen gesorgt hat: Am 1. Mai 2019 hatte ein junger Mann auf einer Gemeindeverbindungsstraße bei Böbingen zwei am Straßenrand entgegenkommende Fußgänger angefahren. Er beging Fahrerflucht und setzte wenig später sein Fahrzeug in Brand. Das ältere Ehepaar wurde ins Gebüsch geschleudert und schwer verletzt. Die Kammer verurteilte den Unfallfahrer wegen fahrlässiger Körperverletzung, unerlaubten Entfernens vom Unfallort und Brandstiftung zu einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung.
Der 29-Jährige war geständig. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Martin Lang, verlas eine Erklärung, die den Sachverhalt einräumte. Sein Mandant sei betrunken gewesen und habe Cannabis konsumiert. Er könne sich nur an eine weibliche Person erinnern, die er angefahren habe. Von einer zweiten Person habe er „nichts mitbekommen.“Eine Fahrerlaubnis habe er nie gehabt. Es sei nie seine Absicht gewesen, dem Ehepaar Leid zuzufügen.
Wie Rechtsanwalt Peter Hubel als Vertreter der Nebenkläger ausführte, habe sich das Leben des heute 85-jährigen Mannes und seiner 80-jährigen Ehefrau durch den Unfall von einer Sekunde zur anderen verändert. Aufgrund
von Knochenbrüchen sei ihre Mobilität stark eingeschränkt. Hubel bat um eine angemessene Strafe, zumal das Verhalten des Angeklagten nach dem Zusammenstoß zu denken gebe. Er habe den Wagen in Brand gesetzt, um Spuren zu verwischen: „So weit hat er noch funktioniert.“Und doch habe der Fahrer Glück gehabt: Die Schwerverletzten hätten auch sterben können. Offensichtlich sei er „außer Rand und Band“gewesen. Dafür spreche auch, dass er die Polizeibeamten,
die ihn festnahmen, beleidigte und bedrohte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch immer fast zwei Promille Alkohol im Blut.
Sein Freund, der als Beifahrer im Auto saß und als Zeuge gehört wurde, sagte wenig Erhellendes: Sie hätten einen Knall gespürt und beschlossen, das Fahrzeug stehen zu lassen. Er habe das Auto nicht angezündet und wisse nicht, ob der Angeklagte das getan habe. Sinnlos sei es ohnehin gewesen, wie eine Polizeihauptmeisterin
ausführte, denn das Kennzeichen sei erhalten geblieben. Beide verschwendeten keinen Gedanken daran, wie schwer die angefahrene Person verletzt sei, und nahmen ihren möglichen Tod billigend in Kauf. Der Besitzer eines nahen Aussiedlerhofs kam dem Ehepaar zu Hilfe und rief den Notarzt.
Staatsanwalt Michael Schwartz sprach von „charakterlicher Verrohung.“Allerdings sei die zunächst auf versuchten Mord lautende Anklage nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Er plädierte auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
„Straftaten wie diese werden zur Tragödie für die Opfer“, begründete der Vorsitzende Richter Bernhard Fritsch das Urteil. Obwohl es Zweifel am Vorwurf des versuchten Mords gegeben habe, habe man die Umstände klären müssen. Der Unfall habe sich am Tag auf einer befahrenen Straße ereignet, nicht bei Dunkelheit an einem einsamen Ort. Eine positive Kriminalprognose sei jedoch nicht möglich. Obwohl wegen Fahrens ohne Führerschein vorbestraft, habe er sich wieder ans Steuer gesetzt, zudem betrunken. Er müsse sich im Vollzug bewähren und sich seinen Suchtproblemen stellen, wenn er einen bedeutenden Wandel im Leben erreichen wolle. Dann könne der Übergang in die Bewährung folgen: „Das Geschehene bleibt Teil Ihrer Biografie“, so Fritsch. „Sie entscheiden, ob es sich positiv auswirkt.“