Aalener Nachrichten

Ein Pflaster auf die Wunde

- Von Christine Longin politik@schwaebisc­he.de

Das Attentat auf die Satirezeit­ung „Charlie Hebdo“ist eine Wunde, die nicht heilen will. Auch nach dem Urteil gegen die elf Angeklagte­n ist das Kapitel „Charlie“für Frankreich nicht abgeschlos­sen. Zwar wurde der Hauptangek­lagte Ali Riza Polat zu 30 Jahren Haft verurteilt. Auch weitere Komplizen der drei toten Attentäter erhielten ihre gerechte Strafe. Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschma­ck nach den 54 Tagen dieses historisch­en Prozesses. Denn drei Angeklagte, die nach Syrien flohen, werden wohl nie bestraft werden. Gegen sechs weitere Männer war die Beweislage so dünn, dass das Gericht ein terroristi­sches Motiv ausschließ­en musste. Das Wort vom „Stellvertr­eterprozes­s“, das die Anwälte der Verteidigu­ng benutzten, ist tatsächlic­h nicht aus der Luft gegriffen.

Aber die Justiz kann die Aufarbeitu­ng der Attentate, die sich im Januar 2015 ereigneten, ohnehin nicht alleine leisten. Die tödlichen Angriffe auf „Charlie Hebdo“und den jüdischen Supermarkt mit 17 Toten müssen auch von anderen Seiten beleuchtet werden. Das machte dieser Prozess einmal mehr deutlich. Frankreich muss sich mit der Frage beschäftig­en, warum Attentäter wie die Brüder Kouachi oder Amedy Coulibaly, alle drei in Frankreich geboren, zu Islamisten wurden. Das Land muss auf seine Gefängniss­e schauen, wo die Kouachis und Coulibaly sich radikalisi­erten und Komplizen für ihre Anschläge fanden. Der Antisemiti­smus, den Coulibaly offen vertrat, ist ebenfalls ein immer wiederkehr­endes Problem.

Der Kreislauf der Gewalt werde geschlosse­n, schrieb der Chefredakt­eur von „Charlie Hebdo“zu dem Urteil. Doch die Gewalt der Terroriste­n wird Frankreich, das bereits mehr als 260 Opfer zu beklagen hat, wohl weiter begleiten. Auch wenn 2021 ein von Präsident Emmanuel Macron vorangetri­ebenes Gesetz kommt, das den Islamismus stärker bekämpfen soll, ist das Risiko neuer Anschläge hoch. Die Wunden, die die Islamisten im Januar 2015 schlugen, werden immer wieder aufreißen. Das Urteil des Schwurgeri­chts kann nur ein Pflaster sein – mehr nicht.

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