Claas trotz Corona mit Umsatzrekord
Landmaschinenhersteller Claas erzielt trotz Corona Umsatzrekord – Standort Bad Saulgau steht besonders gut da
(hego) - Trotz eines zeitweiligen Produktionsstopps im Frühjahr konnte der Landmaschinenhersteller Claas einen Umsatzrekord im Geschäftsjahr 2019/20 erzielen. Erstmals übersprang die Firma die Marke von vier Milliarden Euro Erlös. Auch die Sparte für Futtererntetechnik am Standort in Bad Saulgau legte bei Umsatz und Profitabilität zu. Claas-Chef Thomas Böck lobte das Krisenmanagement der Mitarbeiter vor Ort.
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Wohl weniger bekannt, aber nach dem gleichen Prinzip funktioniert diese Zusammenstellung bei Landmaschinen. Bei dem Landmaschinenhersteller Claas bauen sich Landwirte online ihre Wunschmaschine zusammen, also welches Mähwerk beispielsweise wie breit sein soll – bis hin zum Radio des Traktors. Claas mit Hauptsitz im nordrhein-westfälischen Harsewinkel und unter anderem einem Standort im oberschwäbischen Bad Saulgau hat den Produktkonfigurator im vergangenen Mai an den Start gebracht und es auch dank dieser Funktion geschafft, gut durch die Corona-Krise zu kommen.
„Durch den Kundenkonfigurator konnten wir sehr viele Verkaufsgespräche und die Verkaufsabwicklung auf das digitale Format übertragen und die Kunden sehr früh und intensiv bedienen“, sagte Claas-Chef Thomas Böck am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz des Unternehmens. Dem Produzenten von Mähdreschern, Traktoren und Feldhäckslern gelang es sogar einen Umsatzrekord zu erzielen. Erstmals übersprang das Unternehmen, das weltweit knapp 11 400 Mitarbeiter beschäftigt, die Marke von vier Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum legte der Umsatz im Geschäftsjahr 2019/20 bis Ende September damit um 3,7 Prozent zu. Unter dem Strich verbuchte Claas einen Gewinn von 107,1 Millionen Euro – was einem Plus von 11,2 Prozent im Vergleich zum vorherigen Geschäftsjahr entspricht, in dem das Unternehmen vor allem wegen Dürreperioden Rückgänge hinnehmen musste.
Im Geschäftsjahr 2019/20 sei der Umsatz in Westeuropa nun aber stabil geblieben. Im Heimatmarkt Deutschland beispielsweise lag der Umsatz bei 806 Millionen Euro, was ein sehr leichtes Plus von 0,6 Prozent im Vergleich zum vorherigen
Geschäftsjahr ist. Auf den anderen Märkten gab es ein Plus von 20 Prozent. Besonders Osteuropa und Russland, aber auch Nordamerika trugen zum Wachstum bei. Die breite internationale Aufstellung habe sich ausgezahlt, sagte Böck. Weltweit hat Claas im abgelaufenen Geschäftsjahr 7000 Mähdrescher und 10 000 Traktoren ausgeliefert.
Dabei hatte die Pandemie auch Claas im Frühjahr zunächst kräftig aus der Bahn geworfen. Drei Wochen lang musste das Unternehmen die Produktion in vielen Werken stoppen. Die weltweiten Lieferketten waren wegen der Pandemie zusammengebrochen. Claas ordnete für die Belegschaft in Frankreich und Deutschland zum Teil Kurzarbeit an.
Schnell habe das Unternehmen einen weltweit agierenden Krisenstab eingerichtet, Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt, die Lieferketten
genau analysiert, um die Produktionsmöglichkeiten besser einschätzen zu können, und eben auf digitale Anwendungen wie den Produktkonfigurator gesetzt. All das habe am Ende gewirkt, sagte Böck.
Nur ein Standort des Konzerns brauchte wenig Nachhilfe. Während andere Claas-Werke im FrühjahrsLockdown geschlossen waren, wurde in Bad Saulgau im Landkreis Sigmaringen, wo Claas Futtererntemaschinen
herstellt, weiter produziert. „Die Produktions- und Logistikmitarbeiter in Bad Saulgau haben sehr früh vorgedacht und die Lieferketten, die zum Beispiel über die Alpen nach Italien verlaufen mit zusätzlichen Lieferfahrten abgesichert“, sagte Böck im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Auch habe es keine Infektionen im Werk und keine Ausbreitung gegeben, sagte Böck. Einzelne Ansteckungen seien ausschließlich im Privaten passiert.
Für seine Niederlassungen veröffentlicht das Unternehmen keine Zahlen. Böck sagte nur: „Wir hatten im Vorjahr auch in Bad Saulgau eine etwas angespannte Marktsituation, das hat sich in diesem Geschäftsjahr 2019/20 dann deutlich besser entwickelt. Saulgau ist im Umsatz gewachsen und auch in der Profitabilität.“Insgesamt habe man rund 15 000 Futtererntemaschinen ausgeliefert. Es sei also ein sehr gutes Jahr für den Standort gewesen – trotz der widrigen Umstände.
Doch dass die Aussichten auch in Zukunft rosig sein werden, darauf will sich Thomas Böck nicht festlegen. Die Herausforderungen, denen die Landwirte und damit auch Unternehmen wie Claas gegenüberstehen, sind zahlreich und verleiteten Böck dazu, diese am Mittwoch gleich in einer Liste vorzustellen: Handelskonflikte, Brexit, die EU-Agrarpolitik, die Corona-Pandemie, die Afrikanische Schweinepest und der Klimawandel. „Es ist eine schwierige Zeit, die sehr viele Veränderungen in den landwirtschaftlichen, vor allem in bäuerlichen Betrieben mit sich bringt“, sagte Böck. Angesichts all dessen seien negative Auswirkungen auf Umsatz und Ergebnis auch bei Claas künftig nicht auszuschließen.
Nichtsdestotrotz habe aber allein die Corona-Krise den Menschen gezeigt, wie wichtig lokal produzierte Nahrungsmittel seien. „Das hat den Landwirten eine bessere Wertschätzung gegeben“, ist Böck überzeugt. Er will also nicht schwarzmalen für die Zukunft, sondern glaubt an den zufriedenen Landwirt, der auf seinem Claas-Traktor auch mal Musik hören möchte. Dafür braucht der Traktor schließlich ein Radio. Und das muss Claas einbauen.