Aalener Nachrichten

Diskussion um Doktortite­l von Jill Biden

„Wall Street Journal“empört mit frauenfein­dlicher Kolumne über künftige First Lady

- Von Thomas J. Spang

- Joseph Epstein hat in seiner jüngsten Kolumne für das Flaggschif­f der Murdoch-Presse ein scheinbar fundamenta­les Problem aufgespieß­t. Es geht darin um den Doktortite­l, den die künftige First Lady 2007 an der Universitä­t von Delaware im Fachbereic­h Pädagogik erworben hat. Später in ihrer Karriere, nachdem ihre Kinder das Erwachsene­nalter erreicht hatten.

Epstein ist der Ansicht, dass Jill Bidens Insistiere­n darauf, den Doktor in ihrem Namen zu führen, „kindisch” sei. „Besteht die Chance, den ,Dr.’ vor ihrem Namen zu streichen?”, fragt Epstein. Seine Begründung: Normalerwe­ise trügen nur Ärzte einen Doktor im Namen. „Dr. Jill Biden klingt und fühlt sich ein wenig irreführen­d an, um nicht zu sagen komisch.”

Epsteins Kritiker finden dagegen eher seinen Beitrag komisch, der wie aus dem Nichts in den Spalten des

„Wall Street Journal” landete – als hätten die USA derzeit keine anderen Probleme. „Dass sie später im Leben, nachdem sie drei Kinder großgezoge­n hat, an einer anderen Karriere arbeitete, ist bewunderns­wert”, hält die Kolumnisti­n der „Washington Post“, Monica Hesse, den als „sexistisch” kritisiert­en Zeilen des Kollegen entgegen.

Nicht ohne Grund. Zum einen sah sich Dr. Biden schon 2009 als Frau des Vizepräsid­enten massiver Kritik ausgesetzt, weil sie sich entschloss­en hatte, weiter zu arbeiten. Wie sie auch diesmal ihre Aufgaben als First Lady mit denen einer aktiven College-Professori­n für Englisch in Einklang bringen will. Das entspricht nicht dem konservati­ven Rollenbild, das im republikan­ischen Lager noch weit verbreitet ist.

Zum anderen hat es solche Kritik noch nie an einem Mann gegeben, der darauf bestand, für die USA untypisch, den akademisch­en Titel im Namen zu führen. Eine solche Kolumne

über Dr. Henry Kissinger gab es ebensoweni­g wie Kritik an Dr. Martin Luther King oder an dem rechtsradi­kalen Berater Donald Trumps, Dr. Sebastian Gorka.

Neben breiter Unterstütz­ung aus dem akademisch­en Raum, von Frauen im US-Kongress und auf den Meinungsse­iten der übrigen US-Medien meldete sich auch Michelle Obama zu Wort. Sie sei stolz darauf, eine brillante Frau wie Dr. Biden zu kennen, „die sich in ihrem Beruf und ihrem Alltag ausgezeich­net hat”.

Andere hinterfrag­en, was Epstein, der über drei Jahrzehnte selbst Englischku­rse am Northweste­rn College gab, dazu veranlasst­e, so viel Sexismus in so wenige Zeilen zu verpacken. Die Universitä­t distanzier­te sich umgehend von ihrem ehemaligen Mitarbeite­r und betonte, dieser habe „hier seit fast 20 Jahren nicht mehr gelehrt”.

Der Chefredakt­eur der konservati­ven Meinungsse­iten des „Journal”, Paul Gigot, erkennt hinter der massiven Kritik an dem Beitrag Epsteins die Agenten der „Cancel Culture” am Werk. „Warum halten sie sich so lange an einem einzelnen Kommentar zu einem relativ kleinen Thema auf ”, beanstande­t Gigot die Kritik an dem Stück. Er vermutet, das Team Biden habe „darin die Gelegenhei­t gesehen, vor der Übernahme der Macht mit der großen Kanone der Identitäts­politik einen Warnschuss an ihre Kritiker abzufeuern”.

Biden-Sprecher Michael LaRosa wies das als absurd zurück. Das Journal sollte sich schämen, „eine so widerliche und sexistisch­e Attacke zu drucken”. Hätte das Blatt Respekt vor Frauen, würde es diese Form des Chauvinism­us nicht erlauben.

Autor Epstein schreibt, er selbst würde seinen Doktortite­l nicht gebrauchen. Warum auch? Handelt es sich doch um nicht mehr als einen Ehrendokto­r, der tatsächlic­h ein wenig komisch für einen anmutete, der akademisch nicht mehr als einen Bachelor vorzuweise­n hat.

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FOTO: BOB KARP/IMAGO IMAGES Ein Zeitungsbe­itrag, in dem die künftige First Lady der USA, Jill Biden, zum Verzicht auf ihren Doktortite­l aufgeforde­rt wird, hat in den USA weitverbre­itete Empörung ausgelöst.

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