Diskussion um Doktortitel von Jill Biden
„Wall Street Journal“empört mit frauenfeindlicher Kolumne über künftige First Lady
- Joseph Epstein hat in seiner jüngsten Kolumne für das Flaggschiff der Murdoch-Presse ein scheinbar fundamentales Problem aufgespießt. Es geht darin um den Doktortitel, den die künftige First Lady 2007 an der Universität von Delaware im Fachbereich Pädagogik erworben hat. Später in ihrer Karriere, nachdem ihre Kinder das Erwachsenenalter erreicht hatten.
Epstein ist der Ansicht, dass Jill Bidens Insistieren darauf, den Doktor in ihrem Namen zu führen, „kindisch” sei. „Besteht die Chance, den ,Dr.’ vor ihrem Namen zu streichen?”, fragt Epstein. Seine Begründung: Normalerweise trügen nur Ärzte einen Doktor im Namen. „Dr. Jill Biden klingt und fühlt sich ein wenig irreführend an, um nicht zu sagen komisch.”
Epsteins Kritiker finden dagegen eher seinen Beitrag komisch, der wie aus dem Nichts in den Spalten des
„Wall Street Journal” landete – als hätten die USA derzeit keine anderen Probleme. „Dass sie später im Leben, nachdem sie drei Kinder großgezogen hat, an einer anderen Karriere arbeitete, ist bewundernswert”, hält die Kolumnistin der „Washington Post“, Monica Hesse, den als „sexistisch” kritisierten Zeilen des Kollegen entgegen.
Nicht ohne Grund. Zum einen sah sich Dr. Biden schon 2009 als Frau des Vizepräsidenten massiver Kritik ausgesetzt, weil sie sich entschlossen hatte, weiter zu arbeiten. Wie sie auch diesmal ihre Aufgaben als First Lady mit denen einer aktiven College-Professorin für Englisch in Einklang bringen will. Das entspricht nicht dem konservativen Rollenbild, das im republikanischen Lager noch weit verbreitet ist.
Zum anderen hat es solche Kritik noch nie an einem Mann gegeben, der darauf bestand, für die USA untypisch, den akademischen Titel im Namen zu führen. Eine solche Kolumne
über Dr. Henry Kissinger gab es ebensowenig wie Kritik an Dr. Martin Luther King oder an dem rechtsradikalen Berater Donald Trumps, Dr. Sebastian Gorka.
Neben breiter Unterstützung aus dem akademischen Raum, von Frauen im US-Kongress und auf den Meinungsseiten der übrigen US-Medien meldete sich auch Michelle Obama zu Wort. Sie sei stolz darauf, eine brillante Frau wie Dr. Biden zu kennen, „die sich in ihrem Beruf und ihrem Alltag ausgezeichnet hat”.
Andere hinterfragen, was Epstein, der über drei Jahrzehnte selbst Englischkurse am Northwestern College gab, dazu veranlasste, so viel Sexismus in so wenige Zeilen zu verpacken. Die Universität distanzierte sich umgehend von ihrem ehemaligen Mitarbeiter und betonte, dieser habe „hier seit fast 20 Jahren nicht mehr gelehrt”.
Der Chefredakteur der konservativen Meinungsseiten des „Journal”, Paul Gigot, erkennt hinter der massiven Kritik an dem Beitrag Epsteins die Agenten der „Cancel Culture” am Werk. „Warum halten sie sich so lange an einem einzelnen Kommentar zu einem relativ kleinen Thema auf ”, beanstandet Gigot die Kritik an dem Stück. Er vermutet, das Team Biden habe „darin die Gelegenheit gesehen, vor der Übernahme der Macht mit der großen Kanone der Identitätspolitik einen Warnschuss an ihre Kritiker abzufeuern”.
Biden-Sprecher Michael LaRosa wies das als absurd zurück. Das Journal sollte sich schämen, „eine so widerliche und sexistische Attacke zu drucken”. Hätte das Blatt Respekt vor Frauen, würde es diese Form des Chauvinismus nicht erlauben.
Autor Epstein schreibt, er selbst würde seinen Doktortitel nicht gebrauchen. Warum auch? Handelt es sich doch um nicht mehr als einen Ehrendoktor, der tatsächlich ein wenig komisch für einen anmutete, der akademisch nicht mehr als einen Bachelor vorzuweisen hat.