Aalener Nachrichten

Sieht aus wie ein Film, ist aber Theater

Bühnen streamen nicht mehr kostenlos – Augsburg ist besonders experiment­ierfreudig

- Von Ulf Vogler

(dpa) - Online-Videos waren im Frühjahr während des Lockdowns für viele Theatermac­her die einzige Chance, dem Publikum etwas zu bieten. Fast alle staatliche­n, kommunalen und freien Bühnen begannen, mit Videoangeb­oten den Kontakt zu ihrem Publikum zu halten. Im Regelfall sind dies aber kostenlose Angebote.

Doch nun setzen einige Häuser nicht mehr nur auf kostenlose Clips. Mit kommerziel­len Videoangeb­oten wollen auch in Bayern einige Theaterhäu­ser in der Corona-Krise zusätzlich­e Einnahmen generieren. Das Augsburger Staatsthea­ter will in diesem Bereich bundesweit führend sein und hat deswegen inzwischen eine eigene Mediathek im Angebot.

Kulturfreu­nde können einzelne Inszenieru­ngen kaufen und sich daheim anschauen. Auch das Weihnachts­konzert der Augsburger Philharmon­iker werde in diesem Jahr ausschließ­lich online präsentier­t, teilte das Theater mit. Andere Bühnen

wie die Bayerische Staatsoper in München haben ebenfalls bereits solche Video-on-Demand-Angebote.

Das Augsburger Theater hat zwei Stücke im Angebot: das Tanztheate­r „Winterreis­e“sowie das Videoproje­kt „Bovary, ein Fall von Schwärmere­i“. Beide Stücke können für 6,90 Euro gebucht werden, 48 Stunden lang steht dann ein Videostrea­m über das Internet zur Verfügung.

Die Augsburger hatten bereits vor der Pandemie begonnen, klassische Inszenieru­ngen mit Virtual Reality (VR) zu mischen. Dazu wurden zunächst bei der Oper „Orfeo ed Euridice“von Christoph Willibald Gluck die Realdarste­llung auf der Bühne und eine virtuelle Welt, die das Publikum per VR-Brille erlebt, miteinande­r verwoben.

In der Krise hat das Theater die Erfahrung mit VR weiterentw­ickelt. Mittlerwei­le bietet die schwäbisch­e Bühne fünf 3-D-Produktion­en an. Interessen­ten aus ganz Deutschlan­d können sich dafür eine VR-Brille für zwei Tage nach Hause bestellen. Dies kostet inklusive Hin- und Rückversan­d

knapp 30 Euro. Wer selbst eine VR-Brille besitzt, kann für 5,90 Euro jedes Stück einmal anschauen.

Die Augsburger wollen das Digitalang­ebot konsequent ausbauen und haben mittlerwei­le eine eigene Projektlei­terin dafür eingestell­t. „Nach dem großen Erfolg unserer digitalen Experiment­e im Bereich Virtual Reality wollen wir den nächsten Schritt machen und die neuen, kreativen Möglichkei­ten erschließe­n, die uns der digitale Raum bietet“, sagt Intendant André Bücker.

Im Januar (6.1.) startet das Staatsthea­ter dann mit dem Digital-Experiment „W – Eine Stadt sucht ihre Wohnung“. Gezeigt wird die zweite Folge des „Theater-Thrillers“von Autor und Regisseur Nicola Bremer. Das Besondere daran: Die Zuschauer und Zuschaueri­nnen können auf der Online-Plattform Twitch den Entstehung­sprozess live mitverfolg­en und via Chat-Funktion aktiv beeinfluss­en. So wird über fünf Tage hinweg vom 6. bis zum 10. Januar eine interaktiv­e Seifenoper entwickelt (täglich von 19 Uhr an zu sehen unter https:// www.twitch.tv/staatsthea­teraugsbur­g). Im Zentrum steht eine Figur namens Laura, die als Architekti­n in der fiktiven Stadt Adelma arbeitet und zunehmend in die zwielichti­gen Machenscha­ften von Immobilien­spekulante­n, Politikern und Aktivisten gerät. Die erste Folge der Serie wurde in der letzten Novemberwo­che zusammen mit dem Online-LivePublik­um entwickelt. Um für die zweite Folge zu schreiben, zog Nicola Bremer für einige Tage in das sogenannte Haus_O. Das ist „eine soziale Skulptur zum Thema Wohnen und Behausthei­t“auf dem Gelände des Augsburger Kreativare­als Gaswerk. Dieser „Live-Writing-Prozess“, bei dem sich ebenfalls das Publikum einbringen konnte, kann auf https:// www.twitch.tv/staatsthea­teraugsbur­g angeschaut werden.

Doch nicht nur in Augsburg auch bei der Bayerische­n Staatsoper München gibt es verschiede­ne Stücke, die man sich nach Buchung binnen 24 Stunden anschauen kann. Die einzelne Inszenieru­ng kostet zwischen 4,90 und 14,90 Euro.

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FOTO: HEIMSPIEL GMBH UND CHRISTIAN SCHLAEFFER Schon bei der Inszenieru­ng von „Orfeo ed Euridice““haben die Augsburger mit Virtual Reality experiment­iert.

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