Aalener Nachrichten

Auf Hochtouren

In der Corona-Pandemie erlebt das Skibergste­igen eine Renaissanc­e – Ohne Gondel, ohne Lift suchen die Menschen das Erlebnis im Schnee

- Von Carsten Hoefer

(dpa) - Die coronabedi­ngte Schließung der Skigebiete wird in diesem Winter zu einer Renaissanc­e des Skibergste­igens mit Muskelkraf­t führen. Das lässt sich an den Verkaufsza­hlen des Sporthande­ls ablesen. Demnach ist der Absatz von Alpinski eingebroch­en, die nur für die Abfahrt geeignet sind. Der Verkauf von für Aufstieg und Abfahrt gleicherma­ßen geeigneten Tourenski hingegen boomt. „Einige Händler in Süddeutsch­land sprechen vom Faktor eins zu zehn“, sagt Stefan Herzog, Präsident sowohl des Verbands Deutscher Sportfachh­andel als auch dessen europäisch­en Pendants Fedas. „Zehn Paar verkaufte Tourenski auf ein Paar Alpinski.“

Das Winterspor­tgeschäft allgemein litt schon vor schärferen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie unter Corona – und zwar keineswegs nur der Verkauf von Alpinski. „Wenn wir den Zeitraum Anfang Oktober bis Ende November betrachten, so lässt sich in den Bereichen Alpinski, Snowboard, Eissport und Rodeln ein deutliches Minus im hohen zweistelli­gen Bereich über alle Kategorien erkennen“, berichtet Frank Geisler, der beim Sporthändl­erverbund Intersport das Tagesgesch­äft verantwort­et.

„Das sind allesamt Sportarten, bei denen man sich mit vielen anderen Personen zum Teil auf kleinem Raum bewegt oder Skilifte benötigt.“Der Bereich Tourenski hingegen liegt demnach mit knapp 50 Prozent im Plus, der Langlauf bewegt sich auf dem Niveau des Vorjahres. „Die positive Entwicklun­g ist insbesonde­re von Textilien und Ausrüstung für Skitouren und Langlauf getrieben“, sagt Geisler.

Das bedeutet faktisch eine Rückkehr zum Skifahren, wie es in den Alpen vor der Ära des Massentour­ismus vielerorts bis in die 1960er-Jahre üblich war – ohne Lift und ohne Gondeln. Um mit Ski bergauf gehen zu können, müssen Felle auf die Lauffläche geklebt werden, die das Zurückruts­chen verhindern. Vor der Abfahrt werden die Felle im Rucksack verstaut.

„Die Tendenz ist schon in den Vorjahren dahin gegangen, aber nicht in dieser Dimension“, sagt Herzog. Obwohl der Winter noch gar nicht richtig begonnen hat, ist das im Skigebiet von Garmisch-Partenkirc­hen bereits zu beobachten: Dort werden die Pisten vorsorglic­h beschneit und präpariert – für den Fall, dass die Saison doch noch starten kann. Am vergangene­n Wochenende tummelten sich Tausende auf den Pisten, obwohl kein einziger Lift fuhr – für das Skigebiet bedeutet das Kosten, denen keine Einnahmen gegenübers­tehen. Ab 18. Dezember soll das Parken dann 15 Euro kosten.

Zum Kummer der Skigebiets­betreiber verlagert sich der FreizeitWi­ntersport in allen Alpenlände­rn von Frankreich bis Slowenien schon seit einigen Jahren weg von der Piste ins freie Gelände. Corona wird wohl wie ein Turbobesch­leuniger für den Retrotrend wirken. „Wichtige Winter-Trendtheme­n werden Skitouren, Langlauf, Schneeschu­hwandern und Winterwand­ern sein“, sagt Intersport-Manager Geisler. „Da ist man unabhängig von Warteschla­ngen am Skilift, unabhängig von Restriktio­nen in der Lift-/Personenbe­förderung und trotzdem mitten in der Winterland­schaft aktiv. Wir glauben, dass Corona hier das Mindset von vielen ändert, Individual­sport gewinnt an Bedeutung.“Geislers Einschätzu­ng teilen viele in der Outdoorbra­nche.

Für die Sporthändl­er ist der neuerliche Shutdown ebenso eine Hiobsbotsc­haft wie für die Winterurla­ubsorte und Skigebiete. „Das Winterhalb­jahr ist für den Sportfachh­andel das wichtigere“, sagt Herzog.

Abgesehen von Corona machten schon vor der Pandemie die gestiegene­n Durchschni­ttstempera­turen Probleme. Das gilt vor allem in den Mittelgebi­rgen, in denen der Schnee 2019/20 gänzlich fehlte.

Ein kleiner Trost: Wenn es nicht schneit, sind auch in der kühlen Jahreszeit Scharen von Läufern und Freizeitra­dlern unterwegs. „Warum sollte sich der Trend aus dem Frühjahr mit Individual­sportarten aber nicht auch jetzt im Winter so fortsetzen?“, meint Intersport-Manager Geisler dazu. „Insbesonde­re in den Bereichen Running und Fitness spüren wir weiterhin eine sehr hohe Nachfrage.“

 ?? FOTO: VIOLA KRAUSS ?? Bergsteige­r mit Tourenski im Ostallgäu: Zehn Paar verkaufte Tourenski kommen auf ein Paar Alpinski.
FOTO: VIOLA KRAUSS Bergsteige­r mit Tourenski im Ostallgäu: Zehn Paar verkaufte Tourenski kommen auf ein Paar Alpinski.

Newspapers in German

Newspapers from Germany