Orientierungslos
Führungschaos erschüttert Bodenseebank in Lindau
- Große Aufregung herrscht kurz vor Weihnachten in der kleinen Bodenseebank in Lindau: Die Mitglieder sollen kurz vor Weihnachten das Führungschaos beenden. Aber es scheint, als würde das nur größer.
Die Bodenseebank ist eine der verbliebenen kleinen Genossenschaftsbanken. Die Bilanzsumme von 364 Millionen Euro im vergangenen Jahr nimmt sich bescheiden aus im Vergleich zum Beispiel zu den 2,5 Milliarden Euro der Volksbank Allgäu-Oberschwaben. Doch die etwa 5200 Mitglieder sind stolz auf ihre Eigenständigkeit. Ebenso stolz ist Joachim Hettler, der seit Februar 2003 einer von zwei Vorständen der Bodenseebank ist.
Dieser Stolz wird jetzt möglicherweise zum Problem für Hettler und die Bank. Denn seit Jahren ist klar, dass die Bodenseebank wohl allein nicht überlebensfähig ist. Die Niedrigzinspolitik der EZB schmälert die Erträge aller Banken, die traditionell vom Zinsüberschuss leben. Hinzu kommen immer strengere Auflagen der Bankenaufsicht, die kleine Banken härter treffen als große.
Vorstand und Aufsichtsrat der Bodenseebank begaben sich also auf Brautsuche. Dabei war klar, dass eine Fusion mit einem übergroßen Partner ausgeschlossen ist, der die Bodenseebank nur schlucken würde. Einen ersten ernsthaften Versuch machte die Bodenseebank im Sommer 2017, als sie Fusionspläne mit der Allgäuer Volksbank mit Sitz in Kempten und Sonthofen bekannt gab. Doch ein halbes Jahr später galten die als gescheitert.
Vielversprechender war der zweite Anlauf mit der Volksbank Lindenberg. Beide Institute sind annähernd gleich groß: Die Lindauer haben die etwas größere Bilanzsumme, die Lindenberger haben mehr Mitglieder. Im Frühsommer standen alle Verträge, bei der Mitgliederversammlung stimmten die Lindenberger einhellig zu. Am Tag drauf kam es in Lindau zur Überraschung, als die Versammlung für die meisten Mitglieder völlig unvorhersehbar den Wangener Unternehmer Jörg Bauer in den Aufsichtsrat wählte und auf dessen Appell hin die Fusion mehrheitlich ablehnte. Weil es sich um die erste geheime Abstimmung der Bank seit Jahrzehnten handelte, sind die Hintergründe bis heute unklar.
Hettlers Kritiker, zu denen auch sein langjähriger Vorstandspartner gehört, der inzwischen im Ruhestand ist, werfen ihm nun vor, hinter den Kulissen gegen die Fusion gearbeitet zu haben. Hettler, den Kenner als guten Banker, aber schlechten Teamspieler beschreiben, wolle lieber großer Chef einer kleinen Bank sein als kleiner Chef einer großen Bank, in der Vorstandskollegen mehr zu sagen haben. Hettler selbst äußert sich zu all dem nicht.
In den Folgemonaten versuchte der Aufsichtsrat, die Fusionspläne zu retten. Das führte zum Machtkampf in der Bank, an dessen Ende der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende mit sofortiger Wirkung hinwarf. Drei weitere Aufsichtsräte sind nur noch bis zu einer schnellstmöglich zu organisierenden Neuwahl im Amt. Nur Bauer behält seinen Sitz im Aufsichtsrat. Dass in diesem Führungschaos der erst im Oktober gekommene zweite Vorstand seinen Vertrag zum Jahresende wieder aufgelöst hat, ist schon fast eine Randnotiz.
Eine Neuwahl ist in Corona-Zeiten nicht einfach. Denn eine Generalversammlung, bei der Mitglieder hitzig diskutieren, ist undenkbar. Vor einer Woche haben die Mitglieder einen Brief erhalten, in dem Hettler sie über die Vorgänge informiert, Kandidaten für den Aufsichtsrat vorstellt und zur Briefwahl bittet. Für Aufregung sorgt neben dem Führungschaos vor allem, dass die Mitglieder auf dem Stimmzettel unterschreiben müssen, andernfalls sei die Stimme ungültig. Hettler begründet das mit den Corona-Bestimmungen und dem Genossenschaftsrecht. Kritiker sagen, dass es bei jeder Bundestags-, Landtags- oder Bürgermeisterwahl gelinge, eine Wahl fälschungssicher und geheim zu organisieren.
Am Montag endet die Abgabefrist für die Stimmzettel, dann wird ausgezählt. Aber nicht nur, dass einer der Bewerber bereits öffentlich seine Kandidatur für den Aufsichtsrat zurückgezogen hat, einige Mitglieder kündigen auch an, sie wollten das Verfahren, das in der Geschichte der Genossenschaftsbanken in Deutschland wohl einzigartig ist, hinterher rechtlich prüfen lassen. Genossenschaftsverband und Bankenaufsicht halten sich mit Einschätzungen noch bedeckt. Doch Weihnachtsfrieden wird bei der Bodenseebank wohl nicht einkehren.