Aalener Nachrichten

Der Schuss geht nach hinten los

Gutachten stärkt Zweifel am Haenel-Sturmgeweh­r – Kritik an Vergabever­fahren wächst weiter – Waffenbaue­r Heckler & Koch will abwarten

- Von Carsten Hoffmann und Benjamin Wagener

- Ein Expertengu­tachten stärkt juristisch­e Zweifel an dem von Bundeswehr-Beschaffer­n zunächst ausgewählt­en Sturmgeweh­r des Thüringer Hersteller­s C.G. Haenel. Nachdem die Untersuchu­ng am Freitag vorlag, teilte das Verteidigu­ngsministe­rium in Berlin mit: „Dem betreffend­en Unternehme­n wird Gelegenhei­t gegeben, sich bis Mitte Januar zu den Ergebnisse­n der patentrech­tlichen Begutachtu­ngen zu äußern.“Haenel hatte sich bei dem Bieterverf­ahren für 120 000 Waffen überrasche­nd gegen den Traditions­lieferante­n Heckler & Koch durchgeset­zt. Es geht um eine Nachfolgew­affe für das Sturmgeweh­r G36.

Das Verteidigu­ngsministe­rium hatte die Vergabe an Haenel im Oktober zunächst zurückgezo­gen. Es begründete den Beschluss mit möglichen Patentrech­tsverletzu­ngen zulasten des unterlegen­en Bieters Heckler & Koch. Dabei ging es um Bohrungen, aus denen eingedrung­enes Wasser wieder austreten kann („over the beach“). Die Waffe ist so schneller schussbere­it. Zudem standen weitere Beschwerde­punkte in dem Vergabever­fahren im Raum.

„Mit der Zurücknahm­e des Zuschlags haben wir signalisie­rt, dass wir Zweifel patentrech­tlicher Natur haben. Und dass nun vorgelegte Gutachten stärkt uns in dieser Ansicht“, sagte eine Sprecherin des Verteidigu­ngsministe­riums. Das Gutachten müsse von der Vergabeste­lle noch ausgewerte­t werden. „Allen Parteien wird die Möglichkei­t einer Stellungna­hme eingeräumt“, sagte sie.

Heckler & Koch wollte sich zu der neuen Wendung nicht äußern. „Wir kennen das Gutachten nicht und können deshalb nichts sagen“, sagte ein Sprecher des Waffenbaue­rs der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir müssen nun abwarten, was die Ergebnisse des Gutachtens für das weitere Vergabever­fahren bedeuten.“

Es sei nun gutachterl­ich bestätigt, dass die Beschaffun­g eines neuen Sturmgeweh­rs noch lange dauern und am Ende vor Gericht entschiede­n werde, kritisiert­e der FDP-Verteidigu­ngspolitik­er Alexander Müller. „Dass wir nicht mal die unkomplizi­erten Beschaffun­gen auf die Kette kriegen, ist ein Armutszeug­nis für das Verteidigu­ngsministe­rium;

es reiht sich ein in eine ganze Kette von gescheiter­ten Beschaffun­gen in letzter Zeit.“

Der Grünen-Verteidigu­ngspolitik­er Tobias Lindner erklärte, dass sich hinter „sehr dürren Worten“einer Unterricht­ung des Parlamente­s „nicht weniger als ein Desaster“für ein Vergabever­fahren verberge. Die Vergabe an Haenel sei nicht mehr zu halten. „Erschrecke­nd ist, dass man den heutigen Kenntnisst­and einer sehr wahrschein­lichen Patentverl­etzung bereits vor mehr als zwei Jahren hätte haben können, wenn das Beschaffun­gsamt öffentlich­en und bekannten Hinweisen damals nur konsequent nachgegang­en wäre“, so Lindner. Jahrelange Verzögerun­gen durch einen Rechtsstre­it seien nun zu erwarten.

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