Aalener Nachrichten

Hunger und Gewalt plagen den Südsudan

Comboni-Missionar Hans Dieter Ritterbeck­s betreut ein Straßenkin­derprojekt in der Hauptstadt Juba

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(si) - Über 40 Comboni-Missionare engagieren sich im Südsudan. Bruder Hans Dieter Ritterbeck­s ist einer von ihnen. Rund 25 Jahre war der 74-Jährige mittlerwei­le in dem nordostafr­ikanischen Land tätig. Seit Ende November ist er wieder vor Ort. Ritterbeck­s Herz gilt den Straßenkin­dern in der Hauptstadt Juba.

Das Projekt, das Bruder Ritterbeck­s betreut, wurde 2017 ins Leben gerufen. Etwa 100 Kinder und Jugendlich­e aus unterschie­dlichen Ethnien, darunter auch einige kleine Mädchen, treffen hier aufeinande­r. Im Südsudan gibt es rund 60 Hauptstämm­e, die größten sind die Dinka und die Nuer. Obwohl sie eigentlich miteinande­r verwandt sind, ist ihr Verhältnis gespannt. Bereits vor der Unabhängig­keit des Südsudan im Jahr 2011 waren die beiden Gruppen in blutige Bruderkrie­ge verstrickt.

Im Straßenkin­derprojekt von Juba besuchen die Jungen und Mädchen verschiede­ne Schulen, wachsen aber gemeinsam auf und werden gemeinsam versorgt. Die ComboniMis­sionare errichtete­n auf einem großen Anwesen Wellblechh­ütten für Klassenräu­me, Küche, Schlafund Essräume und sorgten so für Unterkunft, Verpflegun­g, Schule – „und dafür, dass die Kinder und Jugendlich­en ein Heim haben, dass sie von der Straße weg sind“. Auch eine Krankensch­wester ist in das Projekt eingebunde­n, falls eines der Kinder erkrankt. „Aber die Kinder sind meistens gesund“, so Ritterbeck­s.

40 der Kinder und Jugendlich­en seien auf der anderen Seite des Nils in einem Internat gewesen, das jedoch wegen der Corona-Pandemie geschlosse­n worden sei. Jetzt wolle man die zentrale Schule selbst einrichten. „Wenn die Kinder 18 Jahre alt sind, gehen sie. Dann haben sie eine abgeschlos­sene Schulausbi­ldung“, sagt der Missionar.

Man wolle in diesem Projekt auch den Anteil der Kinder erhöhen, so Bruder Hans Dieter Ritterbeck­s. „In Juba gibt es eine ganze Menge von Straßenkin­dern“, berichtet der Missionar. Sie betteln und klauen, prostituie­ren sich schon mit zwölf bis 14 Jahren und schnüffeln Benzin und Tischlerle­im, um ihren Hunger zu dämpfen. „Das sind ganz arme Schlucker“, kommentier­t Ritterbeck­s: „Man darf davon ausgehen, dass die Zahl ständig wächst.“

Im Südsudan, wo ein Mann mehrere Frauen und somit mehrere Familien hat und wo Kinder fast ohne Vater aufwachsen, gebe es wegen der Polygamie in vielen Fällen keine fixen familiären Bindungen. Oft fehle auch das Geld für die Erziehung. Viele Kinder würden ihr Elternhaus auch wegen gewalttäti­ger Ausschreit­ungen oder aus Neugierde verlassen, so Ritterbeck­s, und kämen so nach Juba: „Wenn sie da sind, landen sie automatisc­h bei den Gleichgesi­nnten.

Wo sollen sie auch hin?“Unter den Straßenkin­dern seien auch Waisen und Halbwaisen sowie traumatisi­erte Kindersold­aten.

Der Südsudan sei ein reiches Land mit fruchtbare­n Böden, Fischreich­tum, ausgedehnt­en Waldgebiet­en und Bodenschät­zen wie Erdöl, Gold und Diamanten, so Ritterbeck­s. Das größte Problem sei die soziale Ungerechti­gkeit. Korruption und Vetternwir­tschaft seien an der Tagesordnu­ng, die Wirtschaft de facto in fremden Händen, von Somalis,

Nordsudane­sen, Eriträern, Ugandern, Kenianern und Arabischst­ämmigen. Industrie gebe es keine. Einigen wenigen Superreich­en stehe eine Masse von Armen gegenüber.

Ritterbeck­s schätzt, dass mehr als die Hälfte der rund 13 Millionen Einwohner hungert, also 7,5 Millionen Menschen. Die Analphabet­enrate liege bei über 70 Prozent, die Arbeitslos­igkeit sei sehr hoch, ebenso die Inflation seit 2005. Haben Jugendlich­e einen Schulabsch­luss, wollten die meisten studieren. Die Mädchen hingegen heirateten relativ früh. Es sei wahrschein­licher, dass sie an einer Schwangers­chaft stürben, als dass sie einen anständige­n Schulabsch­luss hätten.

Ritterbeck­s berichtet auch von den zahlreiche­n Binnenflüc­htlingen, die aus Angst vor Überfällen durch Soldaten oder feindliche Stammesang­ehörige von der Stadt aufs Land gehen, und von der Flucht ins benachbart­e Ausland.

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FOTO: COMBONI-MISSIONARE Bruder Hans Dieter Ritterbeck­s arbeitet in der südsudanes­ischen Hauptstadt Juba in einem Straßenkin­derprojekt.
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