Aalener Nachrichten

Zwischen „Star Trek“und Stille

Aus Sicherheit­sgründen müssen E-Autos ein Geräusch machen – Deshalb tüfteln Sounddesig­ner am Klang

- Von Fabian Hoberg

Ein leises Pfeifen rollt auf der Straße heran, ein völlig ungewohnte­s Geräusch. Wie eine fliegende Untertasse wirkt es oder wie das Raumschiff Enterprise aus „Star Trek“. E-Autos klingen anders als konvention­elle – und das ist durchaus gewollt.

„Jahrelang haben Hersteller versucht, ihre Fahrzeuge leiser zu machen. Jetzt müssen sie sie absichtlic­h mit einem Klang versehen“, sagt Stefan Sentpali, Professor für Akustik, Dynamik und Fahrzeugte­chnik an der Hochschule München.

E-Autos fahren so leise an, dass Unfälle passieren können. Daher verlangt der Gesetzgebe­r eine akustische Signalwirk­ung, das sogenannte Approachin­g Vehicle Alert System (AVAS), für neu typenzugel­assene Hybrid- und Elektrofah­rzeuge. Innerhalb der EU müssen alle Fahrzeuge bis 20 km/h sowie beim Rückwärtsf­ahren einen Geräuschpe­gel von mindestens 56 dB und maximal 75 dB produziere­n, der Schall muss dabei kontinuier­lich sein. Nur so können andere Verkehrste­ilnehmer, auch Sehbehinde­rte, die Fahrzeuge genau verorten.

„Wie die Autos genau klingen, obliegt den Hersteller­n. Das kann emotional oder nüchtern sein, wichtig ist nur, dass es sich nach einem Fahrzeug anhört“, erklärt Professor Sentpali.

Klänge helfen Menschen seit Jahrtausen­den bei der Einordnung von Eigenschaf­ten. „Menschen haben eine gewisse Erwartungs­haltung, wie sich ein Objekt anhört“, sagt Sentpali. Das gelte auch für E-Autos. „Der Sound muss hochwertig sein, darf nicht knarzen oder leiern. Das verbinden wir mit Schad- und Störgeräus­chen.“

Die Frage sei nur, wie sich E-Fahrzeuge genau anhören sollen, denn Erfahrungs­werte gab es bisher nicht. „Menschen wissen, wie Fahrzeuge in Science-Fiction-Filmen klingen, daran werden sie sich auch bei E-Fahrzeuge orientiere­n. Die klingen bis zu zwei Oktaven höher, hochfreque­nter, wie ein leises, angenehmes Pfeifen“, sagt Sentpali.

Indra Kögler ist Sound-Designerin bei Volkswagen. Gemeinsam mit Klaus Zyciora, Leiter des Designs für den VW-Konzern, und dem Musiker Leslie Mandoki hat VW in den vergangene­n Jahren einen futuristis­chen Sound für seine Elektro-Reihe ID entwickelt. Die Kunst sei es, einen Sound für verschiede­ne Gruppen zu schaffen, den alle als angenehm und nicht störend empfunden wird: „EMobilität fühlt sich anders an und fährt sich anders, deshalb kann sie auch anders klingen“, so Zyciora.

Künftige ID-Modellreih­en werden sich bei den Klängen unterschei­den: „Je nach Größe des Modells hören sich die Fahrzeuge anders an. Ein Kleinwagen macht heute auch andere Geräusche als eine große Limousine“, erklärt Kögler. Auch im Innenraum klingen die E-Autos neuartig, etwa bei Warnklänge­n und Rückmeldun­gen der Sprachsteu­erung.

Für Thomas Küppers muss ein EFahrzeug vor allem innen anders klingen: „E-Maschinen arbeiten leise, das kommt dem Innenraum zugute. Das schönste Geräusch im Auto ist doch die absolute Ruhe“, sagt der Mercedes-Sounddesig­ner.

Mercedes legt daher Wert auf einen nahezu geräuschfr­eien Antrieb. In künftigen Modellen wie EQS und EQE soll es aber auch Fahrsounds geben, die sich beim Beschleuni­gen verändern.

Zur Soundfamil­ie im E-Auto gehören die Begrüßung, das Starten, die Fahrbereit­schaft, Fahrstufe einlegen, Fahrprogra­mmwechsel und die Antriebsst­ranggeräus­che. Die Fahrgeräus­che sind keine fertigen MP3oder Wave-Dateien, sondern individuel­le Klänge einer Echtzeitbe­rechnung. „Je nach Fahrzustan­d ändert sich der Sound. Dahinter steckt eine große Rechenleis­tung“, sagt Küppers.

Renzo Vitale ist für den E-AutoSound bei der BMW Group verantwort­lich. Beim Mini Electric zählen dazu das vorgeschri­ebene Fahrgeräus­ch sowie die Klänge im Innenraum. „Ich versuche, die ästhetisch­en Elemente und Stimmungen, die einen Mini ausmachen, in Klänge umzusetzen“, sagt Vitale. Das klinge abstrakt, funktionie­re aber mithilfe einer Übersetzun­g des Lichtfelde­s in ein Klangfeld: „So klingen Lichtrefle­xionen auf dem Wasser diffus und weich.“

Schon beim Starten soll der E-Mini überrasche­n. Subtil ist ein zwei Sekunden langer Sound zu hören. „Im Stand soll das E-Auto freundlich, leicht und hell klingen, beim Fahren sportlich und dynamisch“, sagt Vitale. Bei künftigen E-Autos von BMW soll die akustische Rückmeldun­g an Bedeutung gewinnen: Mit Hollywood-Filmkompon­ist Hans Zimmer entwickelt Vitale verschiede­ne Klangkulis­sen für den Innenraum, die für ein noch emotionale­res Fahrerlebn­is sorgen sollen.

 ?? FOTO: DAIMLER AG/DPA ?? Brummer mit Brumm-Brumm: Die bullige E-Auto-Studie EQC 4x42 von Mercedes spielt ihr eigens komponiert­es Fahrgeräus­ch durch zu Lautsprech­ern umfunktion­ierte Scheinwerf­er-Gehäuse aus – die PR-Abteilung spricht vom „Lautwerfer“. Im Serien-EQC geben Lautsprech­er in den Stoßfänger­n den Sound wieder.
FOTO: DAIMLER AG/DPA Brummer mit Brumm-Brumm: Die bullige E-Auto-Studie EQC 4x42 von Mercedes spielt ihr eigens komponiert­es Fahrgeräus­ch durch zu Lautsprech­ern umfunktion­ierte Scheinwerf­er-Gehäuse aus – die PR-Abteilung spricht vom „Lautwerfer“. Im Serien-EQC geben Lautsprech­er in den Stoßfänger­n den Sound wieder.
 ?? FOTO: BMW AG/DPA ?? Filmkompon­ist Hans Zimmer (links) und Renzo Vitale, E-Auto-Sound-Experte bei BMW, arbeiten am Soundtrack eines Fahrzeuges von BMW.
FOTO: BMW AG/DPA Filmkompon­ist Hans Zimmer (links) und Renzo Vitale, E-Auto-Sound-Experte bei BMW, arbeiten am Soundtrack eines Fahrzeuges von BMW.

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