Söder fordert mehr Tempo beim Impfen
Südwest-Regierungschef Kretschmann wirbt um Vertrauen in Corona-Immunisierung
(dpa) - Heute stellt die EU-Behörde EMA ihre Einschätzung des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer vor, am Dienstag soll die EU-Kommission über die Zulassung entscheiden. Zuvor hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärt, dass jedem Bundesbürger, der 2021 geimpft werden wolle, so bald wie möglich ein „Impfangebot“gemacht werde. Deutschland verfüge über „ausreichend Dosen“– rechnerisch für 68,2 Millionen Bürger. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder geht dies dennoch nicht schnell genug. „Es muss alles darauf ausgerichtet werden, mehr Impfstoff zu bekommen, der dann schneller verteilt wird“, sagte der CSU-Chef der „Bild am Sonntag“.
(dpa) - Vor dem geplanten Start von Corona-Impfungen in Deutschland direkt nach Weihnachten laufen die Vorbereitungen unter hohem Zeitdruck. Der Bund sicherte eine zügige Verteilung ankommender Impfdosen zu, Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) mahnte zu mehr Tempo bei der Beschaffung. Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident in Baden-Württemberg, warb derweil für das Impfen.
Von zwei aussichtsreichen Impfstoffen hat Deutschland dem Gesundheitsministerium zufolge jetzt mehr Dosen sicher – damit könnten sich im Laufe des kommenden Jahres rechnerisch ein Großteil aller Bundesbürger impfen lassen. Für eine Zulassung des ersten Präparats des Mainzer Unternehmens Biontech wird an diesem Montag eine wegweisende Beurteilung der EU-Arzneimittelbehörde EMA erwartet.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte am Samstag auf Twitter, es solle jedem, der 2021 geimpft werden wolle, auch so bald wie möglich ein Impfangebot gemacht werden. „Dazu haben wir schon mit den beiden in Zulassung befindlichen Impfstoffen ausreichend Dosen.“Für die beiden Präparate von Biontech sowie des US-Herstellers Moderna sind dem Ministerium zufolge nun insgesamt 136,3 Millionen Dosen gesichert, die nahezu alle 2021 geliefert werden könnten. Mit je zwei nötigen Dosen ließen sich damit rechnerisch 68,2 Millionen Bürger impfen – bei 83 Millionen Einwohnern in Deutschland insgesamt.
„Jede Dose, die Deutschland erreicht, wird unverzüglich zu den Impfzentren zur Impfung weiterverteilt“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Sonntag. Ab dem geplanten Impfbeginn am 27. Dezember werde es „ein kontinuierliches Aufwachsen der täglichen beziehungsweise wöchentlichen Lieferungen geben“. Im Januar wird demnach mit drei bis vier Millionen Dosen gerechnet, bis Ende März sollen es insgesamt 11 bis 13 Millionen Dosen sein.
Einige Länder mahnten schon mehr Tempo an. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) etwa sagte der „Bild am Sonntag“: „Es muss alles darauf ausgerichtet werden, mehr Impfstoff zu bekommen, der dann schneller verteilt wird.“
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach sich gegen Privilegien und Belohnungen für Menschen aus, die sich impfen lassen. „Eine Impfpflicht durch die Hintertür ist nicht geplant“, sagte der Grünen-Politiker. „In der Demokratie gibt es nur den Weg der Überzeugung.“Er könne verstehen, dass einige Menschen unsicher seien. Aber grundsätzlich seien Impfstoffe die mit am besten geprüften Medikamente. Er wolle deshalb mit Nachdruck für das Impfen werben und darüber aufklären.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wies darauf hin, gefordert seien besonders Betreuer und Bevollmächtigte der 1,7 Millionen demenziell erkrankten Pflegebedürftigen. 70 Prozent der Heimbewohner seien größtenteils nicht selbst einwilligungsfähig.
Anlaufen sollen die Impfungen gebündelt in mehr als 400 regionalen Impfzentren der Länder. Mobile Impfteams sollen in Pflegeheime und Kliniken gehen. Erst später sollen Ärzte in der Fläche übernehmen. „Wir gehen derzeit davon aus, dass die Praxen vermutlich im Sommer impfen werden“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der Deutschen Presse-Agentur. Der zuerst zur Verfügung stehende Impfstoff müsse bei minus 70 Grad gelagert werden, was in Praxen so nicht handhabbar sei. Wenn ein Impfstoff da sei, der nicht so extrem gekühlt sein müsse, könne es aber direkt losgehen.
Wegen der anfangs begrenzten Impfstoffmengen gilt eine Reihenfolge, welche schutzbedürftigen Gruppen sich vorrangig impfen lassen können. Nach einer entsprechenden
Bundesverordnung sollen Ältere über 80 Jahre, Bewohner und Personal in Pflegeheimen zuerst zum Zug kommen. „Höchste“Priorität hat daneben auch Gesundheitspersonal mit sehr hohem Infektionsrisiko, etwa in Intensivstationen und Notaufnahmen. Es folgen zwei weitere Gruppen mit „hoher“und „erhöhter“Priorität.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte die Priorisierung. Es sei richtig, zunächst die zu impfen, die Schutz besonders nötig hätten, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, sagte der dpa: „Sobald es die Kapazitäten hergeben, sollten auch Vertreter des öffentlichen Lebens geimpft werden.“CSU-Landesgruppenchef Alexander Dodrindt forderte ebenfalls, die Politik sollte mit Blick auf Impfskepsis in Teilen der Bevölkerung eine Vorbildfunktion übernehmen. „Es geht nicht um ein Impfprivileg, sondern es geht um ein Impfvorbild“, sagte er der dpa.
In der neuen Woche soll es Tag für Tag in Richtung Impfstart gehen: Am Montag stellt die EU-Behörde EMA ihre Beurteilung für den Impfstoff von Biontech und dessen US-Partner Pfizer vor – erwartet wird grünes Licht. Die EU-Kommission will im Laufe der Woche über die formelle Zulassung in der EU entscheiden – es wäre die weltweit zweite reguläre nach der Schweiz. Andere Länder wie Großbritannien haben Notfallzulassungen. Bei Biontech soll laut Vorstandschef Ugur Sahin auch Weihnachten gearbeitet werden, „dass das wirklich möglich ist, dass in jedem Land der Impfstoff ankommt“. Nach Angaben der EU-Kommission soll vom 26. Dezember an geliefert werden. In Deutschland prüft das zuständige Bundesinstitut, ob die Chargen der Zulassung entsprechen. Am 27. Dezember sollen die Impfungen in Deutschland starten.
Am Ende lasse sich die Pandemie nur durch Impfen besiegen, sagt baden-württembergs Ministerpräsident Kretschmann – und warnt: „Die Alternative wäre eine Durchseuchung der Bevölkerung, das würde viele Jahre dauern und wäre mit Hunderttausenden Toten und mit schweren Erkrankungen zu bezahlen.“Viele Menschen werden sich seiner Meinung nach allein deshalb schon impfen lassen, damit sie in einen normalen Alltag ohne Einschränkungen zurückkehren können. Er selbst wolle sich natürlich auch impfen lassen, kündigt der 72Jährige an. „Und zwar wenn ich an der Reihe bin.“