Hunde sind einfach die besseren Menschen
Nach dem Eklat: Monika Maron legt mit „Bonnie Propeller“ihr erstes Buch bei ihrem neuen Verlag vor
Etwas Unverfängliches sollte es dann schon bitte sein: Das erste Buch von Monika Maron bei Hoffmann und Campe, nachdem ihr alter Verlag S. Fischer sich von der Schriftstellerin getrennt hatte, weil die im Frühjahr einen Essayband in der umstrittenen „Exil“-Edition der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen hatte erscheinen und ihn vom rechten Verleger Götz Kubitschek im Antaios Verlag vertreiben lassen. Was bietet sich da eher an als eine kurze Erzählung über ihren Hund „Bonnie Propeller“. Zumal der nicht mal braun ist.
Mancher mag jetzt polemisieren, Monika Maron sei nun endgültig auf den Hund gekommen. Das aber ist nicht richtig. Hat sie doch immer schon über Hunde geschrieben. In beeindruckenden Romanen wie „Endmoränen“(2002) und „Ach Glück“(2007) ebenso wie in ihren Frankfurter Poetikvorlesungen von 2005. Nicht selten kam sie dabei zu dem Schluss, dass Hunde die besseren Menschen seien. „Liebesmaschinen“, wie ihr Kollege Michel Houellebecq es einmal so schön formuliert hat, in die der Zweibeiner all seine humanistischen Werte hineinprojiziert und so erst zum Menschen wird. In der Liebe zum Tier erkennen wir uns selbst. Sogar Monika Marons Roman „Munin oder Chaos im Kopf “(2018) ließ so eine Lesart noch zu, wenn er auch um einiges vielschichtiger ist.
Ausgiebig diskutierten die Feuilletons in den vergangenen Wochen über die politischen Äußerungen Monika Marons. Alles scheint dazu gesagt. Mit der neuen Erzählung kommt die Autorin jetzt ganz bei sich selbst an. Mit exzellenter Beobachtungsgabe und feinem Einfühlungsvermögen erzählt sie vom Tod ihres Schnauzermischlings ein paar Tage vor Weihnachten und der Lücke, die das in ihrem Leben reißt. Bestimmte Momo doch nicht nur die Ordnung ihres Tages, sondern war „Freude und Beistand“, wie sie schreibt. „Den Hund verstehen bedeutet auch, das Tier in mir zu verstehen.“Ein ganzes Gefüge gerät in Unordnung. Also schaut Maron sich schnell nach einem neuen Begleiter um und findet ihn auf der Internetseite einer Tierschutzorganisation. Schwarzgrau ist er, stammt aus Ungarn und trägt den seltsamen Namen „Propeller“, der sich erst erschließt als das Hündchen mit seinen Artgenossen ausgelassen tollt und dabei kunstvolle Pirouetten dreht.
Schonungslos geht die 1941 in Berlin geborene Monika Maron mit sich ins Gericht und berichtet, wie sie die kleine Hündin am Anfang ablehnt und mit ihren vorigen großen Hunden vergleicht. Das waren stolze Rüden. Während die neue Promenadenmischung klein, zottelig und irgendwie verwachsen ist. Den eigentlichen Sinn der Spaziergänge begreift das kleine Ding auch nicht, sondern pieselt in die Küche. Am Anfang kommen Monika Maron sogar die Tränen, wenn sie das krummbeinige Wesen vor sich her wackeln sieht. „Dieses kleine, unschöne Tier sollte nun mein letzter Hund sein, mit dem ich schicksalhaft bis zum Tod verbunden bleiben sollte. Nein, nein.“
Sie denkt sogar daran, Propeller zurückzugeben. Aber es kommt, wie es kommen muss. Die Hundebesitzerin behält recht, die zu ihr sagt: „Sie werden sehen, wenn er lange bei Ihnen bleibt, wird er immer hübscher.“Vor allem aber die Intelligenz und das einnehmende Wesen der kleinen Hundedame überzeugen sie bald. Mit viel Herzenswärme erzählt Monika Maron wie das kleine Geschöpf ihre Illusion bedient, sie verstünde Hunde. Dabei ist es doch der Hund, der in der Beziehung viel mehr leistet. So einiges lernt man aus diesem dünnen Büchlein über die Beziehung des Menschen zum Tier und eigene Egoismen. Der Text ist eine Schule des Herzens.
Am Ende zieht Monika Maron sich mit Propeller in ihr Haus in Vorpommern zurück, wo beide sich während der Corona-Pandemie viel wohler fühlen als in „der maskierten, Hygienebedingungen unterworfenen Stadt“. Das aber führt sie nicht weiter aus. Ebenso wenig, wie die in der Erzählung erwähnte Buchhändlerin heißt, bei der sie in Dresden während einer Lesereise übernachtet. Um Politik geht es nicht in diesem Büchlein, das sich ganz vorurteilsfrei lesen lässt. Anders als zuletzt noch der Roman „Artur Lanz“, in dem die Hauptfigur nahezu dieselben Ansichten äußerte wie Monika Maron in ihren Interviews. Beim Schreiben über ihren Hund dominieren Mitgefühl, Liebe und nicht Verbitterung. So lesen wir Monika Maron viel lieber.
Monika Maron: Bonnie Propeller. Hoffmann und Campe, 64 Seiten, 15 Euro.