Konjunkturstütze oder Strohfeuer?
Was die zeitweilige Absenkung der Mehrwertsteuer tatsächlich gebracht hat
FRANKFURT - Shoppen gegen den Abschwung – das war die Idee der Bundesregierung, als sie im Juni beschloss, die Mehrwertsteuer um drei Prozent für ein halbes Jahr zu senken. Zum Jahreswechsel läuft die vorübergehende Absenkung der Mehrwertsteuer nun aus. Vom 1. Januar an gelten wieder die Sätze von 19 beziehungsweise sieben Prozent. „Man sieht durchaus, dass die Mehrwertsteuersenkung in einigen Bereichen den Konsum angeregt hat“, sagt Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Vor allem aber hätten ausgerechnet diejenigen Bereiche profitiert, die in der Krise der Pandemie weniger eingeschränkt waren. Denn Einzelhandel oder Gastronomie und Hotels, die derzeit am meisten betroffen seien, helfe auch die Mehrwertsteuersenkung nicht.
Der Kauf langlebiger Konsumgüter aber wie Möbel, zum Teil auch Autos, sei durch die temporäre Absenkung der Mehrwertsteuer angeregt worden. Aber auch das gilt nur zum Teil. So meint Ferdinand Dudenhöffer, der Direktor des CARCenter of Automotive Research in Duisburg, diese Vorteile seien „überschaubar“gewesen. Die Autoindustrie jedenfalls habe deswegen den Einbruch aus dem Frühjahr nicht wettmachen können.
Interessant ist der Blick auf die Autos auch deshalb, weil im Sommer zunächst eine Neuauflage der Abwrackprämie diskutiert worden war. Die hatte geholfen, 2009 in der Finanzkrise die Konjunktur wieder mit anzukurbeln. Dieses Mal aber empfahlen einige Ökonomen, darunter vor allem Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, die befristete Mehrwertsteuersenkung. Das habe auch funktioniert, meint er, schließlich sei der Konsum im dritten Quartal wieder angesprungen und sei einer der Hauptträger der Konjunkturerholung gewesen.
Oliver Holtemöller vom IWH schätzt, dass etwa die Hälfte der Unternehmen die Mehrwertsteuersenkung an die Verbraucher weitergegeben habe. „Dort, wo der Wettbewerb intensiv ist, dort ist es wahrscheinlicher, dass die Mehrwertsteuersenkung weitergegeben wird, während in anderen Bereichen, wo es weniger Wettbewerb und damit eine größere Marktmacht der einzelnen Unternehmen gibt, das nicht der Fall ist.“Genau beziffern aber könne man die Wirkungen der Mehrwertsteuerabsenkung aber noch nicht.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) verweist darauf, dass der innerstädtische Handel kaum Impulse erhalten habe: „Die Kunden haben wegen potenzieller Ansteckungsgefahr die Innenstädte eher gemieden. Da ist es egal, welcher Mehrwertsteuersatz gilt.“Die konjunkturellen Effekte einer solchen Mehrwertsteuersenkung seien grundsätzlich gering, kritisiert IWH-Ökonom Holtemöller. „Andere Maßnahmen wären deutlich zielführender gewesen.“Verlängern sollte man sie auf keinen Fall, auch wenn die Einzelhändler argumentieren, so hätten sie eine Chance, dass sich die teure Umstellung der IT dann vielleicht noch amortisiere und nach dem aktuellen Lockdown dann auch die Innenstadt-Geschäfte noch eine Chance auf Kaufimpulse erhalten würden.